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Ausgleichsanspruch

1. Begriff: Anspruch des Versicherungsvertreters auf einen finanziellen Ausgleich im Fall der Beendigung des Vertretervertrags. Geregelt in § 89b HGB.

2. Voraussetzungen: Ein Ausgleichsanspruch besteht, wenn und soweit a) der Versicherer aus den vom Vertreter neu vermittelten Versicherungsverträgen auch nach Beendigung des Vertretervertrags noch Vorteile hat und
b) die Zahlung eines Ausgleichsbetrags unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Vertreter aus den Geschäften mit den Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Während bis zu einer Gesetzesänderung, die am 5.8.2009 in Kraft getreten ist, die dem Vertreter infolge der Vertragsbeendigung entstehenden Provisionsverluste den maßgebenden Ausgangspunkt für die Ausgleichsberechnung darstellten, stehen nach der Neufassung die dem Unternehmer aus den Versicherungsverträgen verbleibenden Vorteile im Vordergrund. Die Provisionsverluste sind nur noch ein Kriterium im Rahmen der Billigkeitsabwägung. Dies könnte nach einer juristischen Literaturmeinung zur Folge haben, dass der Ausgleich bei Vorliegen besonderer Umstände ggf. auch höher ausfallen kann, als der Verlustbetrag des Vertreters infolge der entgehenden Provisionen. Allerdings erscheint im Anschluss an die bisherige Rechtsprechung als Ausgangspunkt auch weiterhin die Schätzung nach § 287 ZPO zulässig, dass die dem Unternehmer aus den vermittelten Verträgen verbleibenden Vorteile der Höhe nach mit den Provisionsverlusten des Vertreters identisch sind. Der Verlust der Provisionsansprüche beruht auf der in Vertreterverträgen üblichen sog. Provisionsverzichtsklausel, kraft derer mit der Beendigung des Vertretervertrags sämtliche Provisionsansprüche des Vertreters erlöschen. Soweit der Vertreter die Vermittlungsprovision nicht als Einmalzahlung, sondern ratierlich über einen längeren Zeitraum erhält, oder soweit Vertragsänderungen (z.B. Prämiensteigerungen aufgrund von Dynamikregelungen), die auf seiner Vermittlungstätigkeit beruhen, erst nach seinem Ausscheiden eintreten, kann es infolge des Provisionsverzichts zu Verlusten von – eigentlich verdienten – Provisionen kommen.

3. Merkmale: Der Anspruch steht unter dem Postulat der Billigkeit, d.h. er besteht nur in dem Umfang, wie es nach Abwägung aller Umstände der Vertragsbeziehung der Gerechtigkeit entspricht. Bspw. kann eine vom Versicherungsunternehmen finanzierte Altersversorgung u.U. zur Minderung oder gar zum Wegfall des Ausgleichsanspruchs führen. Maximal kann sich der Ausgleich auf drei nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre berechnete Jahresprovisionen bzw. Jahresvergütungen belaufen.

4. Ausnahmen: Der Anspruch ist im Falle einer nicht durch Alter oder Krankheit bedingten und auch nicht vom Versicherungsunternehmen veranlassten Eigenkündigung des Vertreters ausgeschlossen. Dies gilt ebenso bei einer Kündigung des Versicherers aus wichtigem, vom Vertreter schuldhaft herbeigeführten Grund oder wenn aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Versicherer und dem Vertreter ein Dritter an Stelle des Vertreters in den Vertrag eintritt. Der Ausgleichsanspruch entfällt ferner, wenn der Vertreter ihn nicht innerhalb eines Jahres nach Vertragsbeendigung geltend macht. Vertretern im Nebenberuf steht ein Ausgleichsanspruchs ebenso wenig zu wie Versicherungsmaklern.

5. Diskussion:
In der Versicherungswirtschaft haben sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) und verschiedene Interessenverbände von Vertretern auf die „Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs (§ 89b HGB)“ für die Sach‑/HUK-Versicherung, die Lebensversicherung und die Krankenversicherung verständigt. Nach diesen „Grundsätzen“ werden in der Versicherungsbranche üblicherweise die Ausgleichsansprüche berechnet und abgewickelt. Die Grundsätze werden von der Rechtsprechung auch als Handelsbrauch, in jedem Fall jedoch als geeignete Schätzgrundlage für die Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB angesehen.

Autor(en): Dr. h.c. Josef Beutelmann, Gert Fritzer, Harald Jedich

 

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