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European Embedded Value (EEV)

1. Begriff: Embedded Value, der nach den im Mai 2004 veröffentlichten Prinzipien des CFO-Forums kalkuliert wurde.

2. Merkmale: Bei positivem Rohüberschuss im Lebensversicherungsgeschäft sind große Teile – bis zu 90 % – den Versicherungsnehmern im Wege der Überschussbeteiligung zurückzuerstatten, negative Rohüberschüsse belasten in voller Höhe die Eigentümer. Die Folge: Aus einem mittleren Kapitalanlageerfolg einer deterministischen Projektion kann nicht ohne Weiteres auf einen mittleren Jahresüberschuss zugunsten der Eigentümer geschlossen werden. Bei einer Anwendung der angestrebten Partizipationsrate würde nämlich unterstellt, dass Schwankungen nach oben und unten gleichartig zwischen Versicherungsnehmern und Eigentümern geteilt werden. Das bedeutet, dass eine deterministische Projektionsrechnung implizit unterstellt, dass die Garantien zugunsten der Versicherungsnehmer entweder immer oder nie „im Geld“ sind. Bei dem vor Einführung des EEV praktizierten Konzept des sog. Traditional Embedded Value wurden die Kosten für eingebettete Garantien und eingebettete Optionen, die sich im Lebensversicherungsgeschäft aus dieser asymmetrischen Verteilung des Rohüberschusses zwischen Versicherungsnehmern und Eigentümern ergeben, nur implizit durch die Festlegung eines genügend hohen Diskontierungszinses berücksichtigt. Das Konzept des EEV verlangt dagegen eine explizite Ermittlung des Werts der Optionen und Garantien durch Einsatz stochastischer Bewertungsmodelle. Außerdem darf ein veröffentlichter Embedded Value nur mit dem Attribut „European“ versehen werden, wenn er in Verbindung mit verschiedenen genau vorgeschriebenen Veränderungsanalysen und Sensitivitäten präsentiert wird. Bei der Veränderungsanalyse muss die Wertdifferenz zwischen aktuellem Wert und Vorjahreswert in die Einflüsse aus a) Modelländerungen,
b) Neugeschäft,
c) Abweichungen der tatsächlichen operativen Geschäftsentwicklung von den im Vorjahr getroffenen Annahmen (zu versicherungstechnischen Risiken, zur Kostenentwicklung, zum Storno etc.) und
d) Abweichungen der tatsächlichen ökonomischen Entwicklungen von den getroffenen Annahmen (Aktienkurse, Zinssätze etc.) zergliedert werden.

3. Modell: Die sachgerechte Bewertung der in die Lebensversicherungsverträge eingebetteten Garantien und Optionen bedingt, dass die deterministischen Projektionsrechnungen durch stochastische Simulationen nach der Monte-Carlo-Methode (Monte-Carlo-Simulation) ersetzt werden müssen, die die gesamte Bandbreite künftiger Kapitalmarktszenarien abdecken und dadurch Rückschlüsse auf die mittleren Kosten der Garantien und Optionen erlauben. Im Übrigen bleibt das Konzept des EEV hinsichtlich der Wahl der Risikodiskontsätze, der Ermittlung des Neugeschäftswerts nach der Marginalmethode und des Ansatzes der Cost of Capital im zuvor definierten Rahmen des Traditional Embedded Value (TEV).

4. Ausprägungen: Durch die Berücksichtigung der Stochastizität der künftigen Kapitalmarktentwicklung werden die Bewertungsmodelle deutlich komplexer, und zwar nicht nur durch die höhere Rechenintensität, die sich aus der Projektion der Bestandsabwicklung über einige 1.000 Kapitalmarktszenarien ergibt, sondern v.a. durch die Ausweitung von Regelwerken – den sog. Managementregeln –, die nun szenariospezifisch die Interaktion zwischen Kapitalanlageerfolg und Überschussbeteiligung der Kunden ebenso beschreiben müssen, wie vom Kapitalmarktumfeld abhängige Festlegungen zur Neuanlage oder Umschichtung von Vermögenswerten. Des Weiteren setzt die sachgerechte Bewertung der Optionen, wie Rückkauf- oder Rentenwahlrechte etc., eine Einschätzung der Kapitalmarktabhängigkeit des Versicherungsnehmerverhaltens voraus.

5. Ziele: Mit der Aufstellung der Prinzipien des EEV wurde in erster Linie das Ziel verfolgt, den zuvor verbreiteten Unsicherheiten über die mögliche Beeinträchtigung des Unternehmenswerts eines Lebensversicherungsunternehmens durch den Wert der Garantien und Optionen zugunsten der Versicherungsnehmer mit einer expliziten Quantifizierung der Garantie- und Optionswerte entgegenzutreten.

6. Probleme: Die nach wie vor nicht normierte Festlegung der Methoden der Risikoeinschätzung und damit auch der Bestimmung des Diskontierungszinses erschweren ebenso wie beim TEV die Vergleichbarkeit von Ergebnissen. Die erweiterten Publikationsanforderungen haben zwar einerseits die Transparenz der Berichterstattung erhöht, andererseits führt die größere Komplexität der Modellierung von Managementregeln und Kundenverhalten, die i.d.R. nicht im Detail offen gelegt wird, zu neuen Quellen der Intransparenz.

7. Ähnliche Begriffe: Der EEV ist eine Weiterentwicklung des TEV und wurde seinerseits zum Market Consistent Embedded Value (MCEV) fortentwickelt.

Autor(en): Norbert Heinen

 

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