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Stresstest

I. nationaler Stresstest: 1. Begriff: Element und eines der verschiedenen Instrumente des der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Verfügung stehenden Frühwarnsystems. Der Stresstest bezieht sich auf Kapitalmarktentwicklungen. Er simuliert krisenhafte Veränderungen des Kapitalmarkts auf die Bilanz des Versicherers. Ein negatives Ergebnis soll ein Signal für den Versicherer sein, rechtzeitig erforderliche Gegenmaßnahmen zu veranlassen, um einer Minderung der Risikotragfähigkeit zu begegnen.

2. Szenarien: Vier Stressszenarien sind vorgesehen: a) Test isoliertes Rentenszenario: Kursrückgang festverzinslicher Wertpapiere um 10 % (Berücksichtigung von Bonitätsrisiken);
b) Test isoliertes Aktienszenario: Kursrückgang der Aktien entsprechen Indexstand zum 31.12. (Berücksichtigung von Bonitätsrisiken);
c) Test Renten- und Aktienszenario: Kursrückgang der Aktien entsprechend Indexstand zum 31.12. und Kursrückgang festverzinslicher Wertpapiere um 5 % (Berücksichtigung von Bonitätsrisiken), d.h. es wird ein gleichzeitiger Kursrückgang auf den Aktien- und Rentenmärkten unterstellt;
d) Test Aktien- und Immobilienszenario: Kursrückgang der Aktien entsprechend Indexstand zum 31.12. und Marktwertrückgang der Immobilien um 10 % (Berücksichtigung von Bonitätsrisiken), d.h. es wird ein gleichzeitiger Kursrückgang auf den Aktienmärkten und Marktwertverlust auf den Immobilienmärkten unterstellt. Die Berechnung des Aktienstress-Szenarios ist in regelbasierter Form durchzuführen. Der Stressfaktor wird in Abhängigkeit vom jeweiligen Stand des EuroStoxx50 gestaltet. Grundlagen sind die Höchst- und Tiefststände des EuroStoxx50 der letzten zehn Jahre. Das bedeutet, dass bei gestiegenen Kursen der anzuwendende Stressfaktor zunimmt. Im Fall gesunkener Kurse wird der anzuwendende Abschlag hingegen reduziert, um prozyklischem Anlageverhalten entgegen zu wirken. Die Stressfaktoren des kombinierten Renten- und Aktienszenarios sowie die des kombinierten Aktien- und Immobilienszenarios werden in analoger Form ebenfalls regelbasiert durchgeführt. Die Stressfaktoren für Renten und Immobilien bleiben hingegen unberührt. Die Vorschrift des § 341b HGB findet bei den Aktienbeständen keine Anwendung.

3. Ergebnis und Folgerungen: Beim Stresstest werden berücksichtigt: a) Bewertungsreserven auf der Aktivseite der Bilanz, – b) Puffer auf der Passivseite der Bilanz (freie Rückstellung für Beitragsrückerstattungen (RfB), Schlussüberschussanteile),
c) das offen ausgewiesene Eigenkapital und
d) Absicherungsmaßnahmen. Darüber hinaus können weitere unternehmensspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden. Sollte der Stresstest auch unter Berücksichtigung von Bewertungsreserven und Absicherungsstrategien nicht bestanden werden, ist zwar die dauernde Erfüllbarkeit der Verträge immer noch nicht aktuell gefährdet, das Unternehmen hat aber zur Kenntnis zu nehmen, dass seine Risikotragfähigkeit eingeschränkt ist und diese Einschränkung schnellstens beseitigt werden muss. Als Maßnahmen kommen eine Erhöhung des Eigenkapitals, eine Umschichtung der Kapitalanlagen, eine Absicherung von Anlagen auf dem Kapitalmarkt und eine Senkung der Überschussbeteiligung in Betracht.

4. Fristen und Publikation: Der Stresstest ist der BaFin von den Versicherern jeweils bis zum 31.3. eines Jahres einzureichen. Das Ergebnis für die einzelnen Unternehmen wird nicht veröffentlicht (§309 VAG). Es wird lediglich eine allgemeine Übersicht gegeben. So hat die BaFin mitgeteilt, dass fast alle Versicherer den Stresstest 2014 bestanden haben (vgl. BaFin Journal v. 1.7.2014).

II. Internationaler Stresstest: Stresstests werden auch von der European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) durchgeführt, und zwar sowohl für Versicherungsunternehmen als auch für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) (vgl. dazu EIOPA Insurance Stress Test Report 2014 und EIOPA IORPs Stress Test Report 2015). Diese Tests behandeln nicht nur etwaige Kapitalmarktverluste, sondern auch Kriterien wie ein niedriges Zinsniveau und eine steigende Lebenserwartung z.B. im Lebensversicherungs - und Altersvorsorgebereich. Wegen der letztgenannten Kriterien vgl. auch die BaFin-Erhebung "Deutsche Lebensversicherer für Solvabilität II gerüstet" vom 29.7.2015.

Autor(en): Dr. Helmut Müller

 

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