Ablenkung im Auto ist hochriskant

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Eine Studie zeigt, dass immer mehr Autofahrer sich durch moderne Kommunikationstechnik im Auto vom Straßenverkehr ablenken lassen. Dadurch steigt das Unfallrisiko enorm. Doch eine direkte Kontrolle des Verhaltens im Fahrzeug soll es nicht geben.

Sie könnte höchstens auf freiwilliger Basis über Telematik-Tarife eingeführt werden. Bis dahin appellieren die Versicherer an die Einsichtsfähigkeit ihrer Kunden und setzen auf mehr Kontrolle von außen.

Eine verpflichtende Überwachung des Verhaltens von Autofahrern im Fahrzeug soll es auch künftig nicht geben. „Das lehnen wir ab“, sagte Lucie Bakker, Schadenvorständin der Allianz Versicherungs-AG auf einer Online-Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung der Studie „Ablenkung und moderne Technik“. „Wir wollen die Autofahrer aber sensibilisieren, dass das Unfallrisiko deutlich steigt, vor allem wenn während der Fahrt über das Smartphone beispielsweise Textnachrichten geschrieben werden“, warnte die Managerin.

Fahren mit Handy wieder absolut üblich

Der Blick auf das in einer Hand gehaltene Handy während der Autofahrt sei längst wieder allgemein üblich geworden. Bakker: „Die gefährliche Ablenkung vom Straßenverkehr wird sozial nicht geächtet.“ Das will Deutschlands größte Assekuranz nun ändern. Denn eigentlich hätte die Versicherungswirtschaft allen Grund, ihren Kunden im Auto genau über die Schulter zu schauen. Denn laut der Studie steigt das Unfallrisiko für alle, die während der Fahrt moderne Kommunikationsgeräte bedienen, ganz enorm.

Wer das Radio über den modernen Bordcomputer bedient und dort auf die „Kacheln“ achten muss, erhöht das Unfallrisiko sage und schreibe um 89 Prozent. Bei Textnachrichten, die in das in der Hand gehaltene Mobiltelefon geschrieben werden, steigt das Risiko um 61 Prozent. Wer so am Steuer Musik, Bilder oder Spiele nutzt, hat ein um 58 Prozent höheres Risiko, einen Crash zu bauen. Und selbst das Lesen von Textnachrichten auf dem Handy erhöht die Unfallgefahr um 56 Prozent und die Bedienung des Navi um 46 Prozent. Wer ohne Freisprecheinrichtung telefoniert, erhöht seine Gefährdung noch um 32 Prozent. 2022 wurden

Die Dunkelziffer ist hoch

117 Menschen nachweislich bei Unfällen getötet, weil die Täter abgelenkt waren. Gleichzeitig wurden deswegen 8.233 Menschen verletzt. „Wir gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus“, sagte Christoph Lauterwasser, Leiter des Allianz Zentrum für Technik (AZT). Allein beim Telefonieren per Freisprecheinrichtung gibt es keine messbar höhere Unfallbelastung. Die Studie zeigt, dass das Ablenkungspotenzial seit 2016 deutlich gestiegen ist.

„Vor allem junge Leute stehen heute unter hohem Druck auf eine Nachricht schnell zu antworten und nicht erst, wenn sie in 30 Minuten am Ziel ankommen“, stellt Bakker fest. Statistisch ist es unter den 18- bis 24-Jährigen heute 2,5-mal mehr verbreitet, am Steuer eine Nachricht ins Handy zu schreiben als in der Allianz-Vorgängerstudie 2016. Junge Menschen nutzen das Smartphone zudem viel öfter als alle Autofahrer (siehe Tabelle unten).

Handy am Lenkrad

Nach Meinung der Allianz müssen aber nicht nur die Autofahrer ihr Verhalten ändern. Auch die Hersteller sollten die Geräte intuitiv bedienbar machen und stärker harmonisieren. „Dann gibt es weniger Probleme, wenn das Auto gewechselt wird, was im Zeitalter des Car-Sharing immer öfter vorkommt“, so Christoph Lauterwasser.

57 Prozent der Befragten sprechen sich für längere Fahrverbote aus

Die Allianz Versicherung macht sich aber auch für mehr Kontrollen stark und findet einen hohen Rückhalt bei den Autofahrern. So wären fast 61 Prozent der in der Studie Befragten damit einverstanden, wenn die verbotene Handynutzung im Auto per polizeilicher Kameraüberwachung stärker kontrolliert würde. Für längere Fahrverbote sprechen sich 57 Prozent der Befragten aus und über 55 Prozent würden deutlich höhere Geldbußen für die Täter begrüßen. Die Befragung von 1.202 Autofahrerinnen und Autofahrern fand mittels Telefoninterviews im Sommer 2022 statt.

Innenraumüberwachung freiwillig in Telematik-Tarifen möglich

Eine Überwachung per Kamera im Innenraum, bei der der Fahrblick analysiert und so eine Ablenkung erkannt wird, lehnt hingegen mit 61 Prozent eine Mehrheit der Befragten ab. Eine solche Zwangsüberwachung ist laut Allianz auch rechtlich problematisch. Möglich sei es aber, diese Ablenkungskontrolle auf freiwilliger Basis etwa in Telematik-Tarifen der Kfz-Versicherer einzuführen. Schon heute können Autofahrer, die ihren Fahrstil überwachen lassen und besonders passiv fahren, hohe Rabatte bei der Kfz-Versicherung erhalten. Bisher wird aber vor allem das Geschwindigkeits- und Bremsverhalten kontrolliert.

Künftig zusätzlich das Ablenkungsverhalten mit in die Kontrolle von Telematik-Tarifen aufzunehmen, bewertete Allianz-Vorständin Bakker als interessante Option für die Zukunft. Solche Ansätze der genauen Verhaltenskontrolle gäbe es bisher vor allem aus dem Bereich der Krankenversicherung für eine präventive Gesundheitsvorsorge. 

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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