Als Versicherer schnell mal die Welt retten

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Was leisten Genossenschaften und Social-Business-Projekte? Wie können diese Geschäftsmodelle helfen, Ungleichgewichte in der Welt zu beheben? Und wie können Versicherer mit nachhaltigen Projekten ihr Ansehen in der breiten Öffentlichkeit verbessern? Fragen, die auf dem ersten "Friends of Social Business Forum" der R+V in Wiesbaden diskutiert wurden.

Versicherer konzipieren und verkaufen Versicherungen. Natürlich. Aber immer mehr von ihnen werden auch auf anderen Gebieten aktiv, so bei Infrastrukturmaßnahmen, dem autonomen Fahren oder nachhaltigen Umweltprojekten. Sie machen dies, um die eigene Marktposition zu stärken, das angeschlagene Renommee aufzupolieren oder schnell die Welt zu retten. Oder wenigstens ein wenig besser zu machen.

Einer dieser umtriebigen Versicherer ist die R+V Versicherung. So hat das Wiesbadener Versicherungsunternehmen erst kürzlich sein erstes zweitägiges "Friends of Social Business Forum" veranstaltet, bei dem darüber diskutiert wurde, was Genossenschaften und Social Businesses auszeichnet und was sie leisten können. Ein Auslöser für dieses Event: Die Geburt von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dem Vaters der Genossenschaftsidee, vor 200 Jahren.

Will Versicherer mit dem Plus sein
Die R+V Versicherung AG ist der größte private Arbeitgeber in Hessen und schafft sogar Arbeitsplätze gegen den allgemeinen Trend, bei dem Unternehmen eher Arbeitsplätze abbauen oder auf niedrigem Niveau halten. Jüngst wurde das Versicherungsunternehmen wieder zum Top-Arbeitgeber ausgezeichnet, zum elften Mal in Folge. Zurzeit arbeiten rund 15.000 Menschen für den traditionellen Versicherer, circa 8,4 Millionen Kunden betreut das Unternehmen, das sich auch mit dem Slogan schmückt: "Die Versicherung mit dem Plus". Und dieses Plus will die R+V wohl nicht nur ihren Kunden bieten, sondern auch bei ihrem sozialen Engagement beweisen. Denn durch nachhaltige Aktionen kann die Versicherungsbranche notwendiges Vertrauen zurückgewinnen, was sie in der Vergangenheit verloren oder sogar verspielt hat. So die Aussage von Jens Hasselbächer, Mitglied des Vorstands der R+V, auf dem Social Business Forum 2018.

Die R+V Versicherung ist laut eigenen Angaben auch einer der größten Versicherer Deutschlands für Privat- und Firmenkunden. Und sie gehört zur Genossenschaftlichen Finanzgruppe Volksbanken Raiffeisenbanken. Als dieser gewichtige Marktteilnehmer will sie Vorbild sein und wieder stärker auf gemeinschaftliche Werte zurückkommen, im Angesicht der Krisen, die auch das kapitalistische Modell angreifen würden. Sie will, so Hasselbächer konkret, "Verantwortung übernehmen, damit Kollateralschäden behoben werden können." Große Worte, große Pläne.

Jeder vierte Deutsche ist Mitglied einer Genossenschaft
Aber was macht nun eigentlich eine Genossenschaft aus? Auch das war Thema bei der Wiesbadener Veranstaltung. So ist eine Genossenschaft die älteste geregelte Rechtsform im deutschen Gesellschaftsrecht. Sie ist eine Solidargemeinschaft, die das Ziel verfolgt, Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten. Die Insolvenzrate von Genossenschaften liegt aktuell bei unter 0,1 Prozent. Der Grund: Regelmäßige Prüfungen kontrollieren, wie mit dem Geld der Mitglieder umgegangen wird und wie die Mitglieder gefördert werden. "Jeder vierte Deutsche ist Mitglied einer Genossenschaft. Doch das wissen die wenigstens. Berichtet wird über Dax-Unternehmen, obwohl diese weitaus weniger präsent sind", so die Einschätzung des Prüfers und Bereichsleiters Jürgen Beck vom Genossenschaftsverband, Geschäftsstelle Frankfurt am Main.

Dazu einige Zahlen: Es gibt 430 Kreditgenossenschaften, 825 gewerbliche Genossenschaften und 488 Genossenschaften auf dem Gebiet der Energie-, Immobilien- und Versorgungsunternehmen. Und es gibt sogar 140 Schülergenossenschaften in Deutschland. In diesen lernen die jungen Menschen, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Fast 100 Prozent aller Landwirte, Gärtner und Winzer sind Genossen. Gut 90 Prozent aller Bäcke und Fleischer sind Mitglied einer Genossenschaft. Und auch gut 60 Prozent aller Handwerker haben sicher einer solchen Solidargemeinschaft angeschlossen.

Genossenschaften sind en vogue
Eine Genossenschaft ist eine sehr flexible Rechtsform, die in sehr unterschiedliche Formen auftreten kann. Dies ist ein Grund weswegen sich viele Menschen für diese Unternehmensform entscheiden. Den jüngsten Gründungsboom hat aber die demografische Entwicklung ausgelöst.

Genossenschaften sind ein ideales Modell, um etwas zu verändern. Darum wird besonders im sozialen Wohnungsbau immer häufiger das Modell der Genossenschaften gewählt. Aber auch, weil viele Kommunen sich immer mehr aus diesem Sektor zurückziehen. Dies gilt zum Beispiel auch für das Bundesland Rheinland-Pfalz, in dem augenblicklich der (soziale) Wohnungsbau stark gefördert wird.

Saubere Energie für alle Bürger wird von Brüssel unterstützt
In Rheinland-Pfalz gibt es aktuell aber auch noch einige andere Projekte, die die Genossenschaft als ideales Geschäftsmodell für sich entdeckt haben. So die Energiegenossenschaft in Mainz, die das Projekt „saubere Energie für alle Bürger“ verfolgt. Die Mainzer Energiegenossenschaft will unter anderem eine möglichst große Zahl an Bürgern und Unternehmen aus der Region für die Energiegenossenschaft gewinnen und Erneuerbare Energien-Anlagen errichten und betreiben. Insbesondere Solarstrom- und Windkraftanlagen sollen entstehen und dabei möglichst heimische Unternehmen eingebunden werden. Gefördert wird das Projekt von der Mainzer Volksbank und der Sparkasse Mainz.

"Saubere Energie für alle": Eine Zukunftsvision, die auch die Europäische Union unterstützt. So unterstreicht sie ihre Vorreiterrolle beim Übergang zu einem umweltfreundlichen Energiesystem. Erst am vergangenen Mittwoch hat die Europäische Kommission ein umfangreiches Paket an Gesetzesvorschlägen, Berichten und Mitteilungen vorgestellt, das drei Kernziele verfolgt. Erstens: Energieeffizienz als oberste Priorität. Zweitens: Europa strebt eine weltweite Führungsrolle bei den erneuerbaren Energien an. Drittens: Der Übergang  zu sauberen Energien muss auch für die Verbraucher fair sein.

Schon bei den Jungen Bewusstsein für Altersarmut schaffen
Und außerdem wurde kürzlich die so genannte Wohlstandsgenossenschaft in Mainz gegründet. Diese will junge Menschen schulen, wie sie bewusster und verantwortungsvoll(er) mit Geld umgehen. Der Auslöser dieser Initiative: Die wachsende Altersarmut, besonders unter Frauen.

Ein Zitat und gleichzeitig Fazit dieses Forums: „Wir brauchen wieder (mehr) Unternehmen mit Haltung. Diese fehlen“. Die R+V wollte mit dieser und ihren anderen Aktivitäten unter Beweis stellen, dass sie ein derartiges Unternehmen ist. Der Branche ist zu wünschen, dass dieses Beispiel Schule macht. Und die diversen Ideen nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben.

Quellen: R+V, Europäische Union, Mainzer Energiegenossenschaft

 

Autor(en): Meris Neininger

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