Ausbildungsberuf modernisiert

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Die Berufsausbildung in der Versicherungsbranche wird erneut umbenannt. Welche Änderungen sonst noch ab dem Ausbildungsjahr 2022 zu erwarten sind, welche aber auch schon wieder fehlen.

Im Bundesgesetzblatt ist die neue „Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzanlagen und zur Kauffrau für Versicherungen und Finanzanlagen“ veröffentlicht worden. Das Kürzel ist auch nicht eben ein Zungenschmeichler: „VersFinKflAusbV“.

Die neue Verordnung tritt am 1. August 2022 in Kraft, der Ausbildungsjahrgang 2022 wird bereits danach ausgebildet werden. Nach Angaben des Berufsbildungswerks der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) ist es „in rekordverdächtigen eineinhalb Jahren“ gelungen, den Ausbildungsberuf gegenüber der seit 2014 gültigen Ausbildungsverordnung zu reformieren.

Neuer Begriff ist Programm

Die unscheinbar wirkende Änderung im Titel des Ausbildungsberufs – aus „Finanzen“ wird „Finanzanlagen“ – darf als ein Abschied von dem nie eingelösten Anspruch verstanden werden, dass der Ausbildungsberuf neben Versicherungs- auch noch umfassendes Finanz-Knowhow vermittelt. Die bisherige „Fachrichtung Finanzberatung“ wird aufgegeben, sie wurde ohnehin in der betrieblichen Ausbildungspraxis fast nie gewählt.

Zudem ist der Begriff der Finanzanlagen besser kompatibel zu einem Kernbereich der Lebensversicherung, den Versicherungsanlageprodukten. Diese setzen zwingend Kenntnisse von Finanzanlagen, nicht aber auch von unter anderem „Geldkarten“ oder „Verbraucherdarlehen“ voraus, wie sie im bisherigen Ausbildungsrahmenplan als Beispiele für Finanzprodukte genannt werden.

Neues Einsatzgebiet Digitalisierungs-Projektmanagement

Die Ausbildung dauert unverändert drei Jahre. Es gibt künftig fünf Wahlqualifikationen: „Versicherungsfälle managen“, „Risikomanagement durchführen“, „Risiken für Nicht-Privatkunden absichern“, „im Vertrieb betriebswirtschaftlich arbeiten“ sowie „Digitalisierungsprozesse in der Versicherungswirtschaft initiieren und begleiten“. Davon ist eine auszuwählen und im Ausbildungsvertrag festzuhalten, bisher kann man noch zwei Wahlqualifikationen festlegen.

Das Thema Digitalisierung ist namentlich neu. Schon im ersten Ausbildungsjahr sollen die Auszubildenden erfahren, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf „Prozesse in der Versicherungswirtschaft hat“. Im weiteren Verlauf kommen „physische und psychische Auswirkungen“ zur Sprache, wie man diese erkennt und damit umgeht.

In der Wahlqualifikation zur Digitalisierung ist offenbar daran gedacht, Auszubildende auf einen späteren Einsatz an der Schnittstelle zwischen Fachbereichen und IT einsetzen zu können. So sollen sie befähigt werden, beispielsweise „Bedarfe für Digitalisierungsvorhaben“ zu „erkennen“ und initiativ tätig zu werden. Soll- und Ist-Prozesse sollen so ergründet und beschrieben werden, dass Anwendungsentwickler damit etwas anfangen können sowie weitere Tätigkeiten rund um Test und Implementierung beherrscht werden.

Nachhaltigkeit ist mehr als nur Umweltschutz

Ein weiteres Novum ist die Aufnahme der Nachhaltigkeit ins Ausbildungsprogramm. In der nun auslaufenden, alten Ausbildungsordnung kam der Begriff nur in Zusammenhang mit einer „Optimierung von Finanzproduktbeständen der Kunden“ vor und war wohl eher als eine langfristige Ausrichtung des Portfolios gemeint. In der neuen Struktur des Ausbildungsberufs werden dagegen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ begrifflich kombiniert.

So sollen Auszubildende künftig in der Lage sein, „betriebsbedingte Belastungen für Umwelt und Gesellschaft“ zu erkennen und zur Vermeidung beizutragen. Sie sollen Umweltschutzbestimmungen kennen, Abfall vermeiden und „betriebliche Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung“ anwenden und „adressatengerecht kommunizieren“ – an wen auch immer.

Das allerdings ist eine verkürzte Sicht auf das Thema Nachhaltigkeit. Schon einen Tag nach Inkrafttreten dieser neuen Verordnung sind die im vergangenen Jahr in Kraft getretenen, rückwirkenden Änderungen der IDD- und der MiFID II-Verordnungen anzuwenden.

Kunden müssen aktiv nach ihren Präferenzen befragt werden

Dann müssen Kunden im Rahmen der Eignungsprüfung beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten aktiv nach ihren Präferenzen hinsichtlich ökologischer oder allgemein nachhaltiger (im Sinn der ESG-Kriterien, die die Ausbildungsordnung noch nicht benennt) oder bezüglich der Vermeidung von nachhaltigkeitsbezogenen Risiken befragt und die Antworten in die Produktauswahl sowie in die laufende Eignungsprüfung während der Vertragslaufzeit einbezogen werden.

So schnell die Ausbildungsverordnung entwickelt wurde, so ist sie doch bereits wieder ein Stück weit von der schnelllebigen Regulierungspraxis der Europäischen Union überholt worden. Die Ausbildungsbetriebe und die Berufsschulen werden das ausgleichen müssen.

Bisherige Zwischenprüfung wird ersetzt

Neu ist, dass die Zwischenprüfung in der bisherigen Form wegfällt. Sie diente lediglich „zur Ermittlung des Ausbildungsstands“ und war im Verlauf des zweiten Ausbildungsjahres abzulegen. Ihr Ergebnis hatte keine Auswirkung auf die Abschlussnote.

Das ist nun anders. Die bisher lediglich zum Ausbildungsende vorgesehene Abschlussprüfung wird nun in zwei Teile geteilt, der erste findet im vierten Ausbildungshalbjahr und damit an Stelle der früheren Zwischenprüfung statt. Der zweite Teil ist analog der bisherigen Abschlussprüfung am Ausbildungsende vorgesehen. Beide Teile müssen gemeinsam mindestens mit „ausreichend“ bestanden sein, allerdings gibt es weitere, detaillierte Bestehens-Anforderungen an den Teil 2 dieser neuen Prüfung.

Autor(en): Matthias Beenken

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