Automatisiertes Fahren braucht Ethik-Regeln

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Ausgehend von den Vorschlägen der Ethik-Kommission zu den datenschutzrechtlichen Erfordernissen will die Regierung Maßnahmen umsetzen, die einen Ausgleich schaffen zwischen der für die Sicherheit notwendigen Datenerhebung, der Gewährleistung von Innovation und Wettbewerbsgerechtigkeit und der Sicherstellung der informationellen Selbstbestimmung einschließlich des erforderlichen Schutzes Betroffener im Fahrzeugumfeld. "Dabei wird davon ausgegangen, dass der Fahrer grundsätzlich selbst über Weitergabe und Verwendung seiner Fahrzeugdaten entscheiden können soll", heißt es in der Unterrichtung.

Darf nicht sein: Totale Überwachung der Verkehrsteilnehmer
Die Regierung betont, automatisierte und vernetzte Systeme, insbesondere lernende und selbstlernende Systeme, dürften nicht zu einer totalen Überwachung der Verkehrsteilnehmer führen. Sie müssten zuverlässig hohe Sicherheitsanforderungen an fahrzeugsteuerungsrelevante Funktionen erfüllen, einschließlich des Schutzes vor Manipulationen der Fahrzeugsteuerung, und müssten die Ethik-Leitlinien beachten. Geplant sei, einen Szenarienkatalog zu entwickeln und diesen einer neutralen Instanz zu übergeben, um entsprechende allgemeingültige Vorgaben zu erstellen. Welche Instanz dies sein soll, ist noch nicht geklärt.

Damit so viele Menschen wie möglich diese Entwicklung mittragen und an dieser auch teilhaben können, will die Bundesregierung den gesellschaftliche Dialog verstärken. "Niemand darf zur Nutzung automatisierter Fahrsysteme gezwungen werden", wünscht sich die Bundesregierung.

Was tun, wenn sich ein Unfall nicht mehr vermeiden lässt
Die Regierung will auch die Entwicklung eines geeigneten Rechtsrahmens für die Programmierung von Fahrcomputern vorantreiben, der die in den Ethik-Leitlinien enthaltenen Grundsätze für unausweichliche Unfallsituationen verbindlich vorschreibt. "Dabei gilt: Diese Situationen sind soweit wie möglich zu vermeiden; die Vermeidung eines Personenschadens hat stets Vorrang vor der Vermeidung eines Sachschadens und jede Qualifizierung von Menschen nach persönlichen Merkmalen ist unzulässig."

Ein weiteres Ergebnis der Beratungen der Ethik-Kommission ist die Feststellung, "dass die neuen Systeme eine erhebliche Reduzierung der Unfallwahrscheinlichkeit erwarten lassen, wobei technisch unvermeidbare Restrisiken einer Einführung derartiger Systeme bei Vorliegen einer grundsätzlich positiven Risikobilanz nicht entgegenstehen". Die Kommission fordert in ihren Leitlinien außerdem, dass die Verantwortlichkeiten zu jedem Zeitpunkt klar geregelt, erkennbar und dokumentiert sein müssen. Eine angemessene Übergabezeit für die Übernahme der Fahrzeugsteuerung sei stets zu gewährleisten und die Systeme müssten in der Lage sein, ohne menschliche Unterstützung in einen "sicheren Zustand" zu gelangen.

Ethische Regeln für den automatisierten und vernetzten Fahrzeugverkehr (Auszüge):

  1. Teil- und vollautomatisierte Verkehrssysteme dienen zuerst der Verbesserung der Sicherheit aller Beteiligten im Straßenverkehr. Daneben geht es um die Steigerung von Mobilitätschancen und die Ermöglichung weiterer Vorteile.
  2. Der Schutz von Menschen hat Vorrang vor allen anderen Nützlichkeitserwägungen. Ziel ist die Verringerung von Schäden bis hin zur vollständigen Vermeidung. Die Zulassung von automatisierten Systemen ist nur vertretbar, wenn sie im Vergleich zu menschlichen Fahrleistungen zumindest eine Verminderung von Schäden ... verspricht.
  3. In Gefahrensituationen, die sich bei aller technischen Vorsorge als unvermeidbar erweisen, besitzt der Schutz menschlichen Lebens in einer Rechtsgüterabwägung höchste Priorität. Die Programmierung ist deshalb ... so anzulegen, im Konflikt Tier- oder Sachschäden in Kauf zu nehmen, wenn dadurch Personenschäden vermeidbar sind.
  4. Bei unausweichlichen Unfallsituationen ist jede Qualifizierung nach persönlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht, körperliche oder geistige Konstitution) strikt untersagt. Eine Aufrechnung von Opfern ist untersagt. Eine allgemeine Programmierung auf eine Minderung der Zahl von Personenschäden kann vertretbar sein.
  5. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch auf eine hinreichend differenzierte Aufklärung über neue Technologien und ihren Einsatz. Zur konkreten Umsetzung ... sollten in möglichst transparenter Form Leitlinien für den Einsatz und die Programmierung von automatisierten Fahrzeugen abgeleitet und in der Öffentlichkeit kommuniziert ... werden.

Wer zur Ethik-Kommission gehört und was sie vorhat
Die vom Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur eingesetzte Ethik-Kommission "Automatisiertes und Vernetztes Fahren" wurde am 30. September 2016 ins Leben gerufen. Sie ist eine interdisziplinär ausgerichtete und plural besetzte Expertenkommission. Sie wird geleitet von Dr. Dr. Udo Di Fabio. Dieser war früher Bundesverfassungsrichter und ist heute Universitätsprofessor in Bonn. Der Auftrag der Kommission lautet, „die notwendigen ethischen Leitlinien für das automatisierte und vernetzte Fahren zu erarbeiten“. Der Kommission gehören an Vertreter der Philosophie, der Rechts- und Sozialwissenschaften, der Technikfolgenabschätzung, des Verbraucherschutzes und der Automobilindustrie sowie der Softwareentwicklung.

Ethische Aspekte des autonomes Fahrens sind auch ein Thema auf der 4. Internationalen ATZ_Fachtagung Automatisertes Fahren in Wiesbaden. Sie möchten mehr zu diesem Thema oder zu weiteren Aspekten des autonomen Fahrens erfahren? Dann melden Sie sich doch gleich für diese internationale Tagung an.
Die hochkarätig besetzte Tagung findet statt vom 18. bis 19. April 2018.

Quelle: Deutscher Bundestag

Autor(en): Versicherungsmagazin

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