Autonomes Fahren stößt schnell an seine Haftungsgrenzen

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Automobilindustrie und Versicherungswirtschaft beschäftigen sich zunehmend mit dem automatisierten und autonomen Fahren. Doch sie sehen sich mit diversen Haftungsfragen konfrontiert. Welche diese sind und welche Grenzen sie dieser neuen Mobilität auferlegen, zeigte die internationale Fachtagung „Automatisiertes Fahren 2019“ in Wiesbaden.

Welche Haftungsfragen für das automatisierte Fahren gelten und wann die Halter-, Fahrer- oder die Produkthaftung greift, erläuterte Philipp Ehring, Rechtsanwalt bei Branmatt Legal Deutschland (siehe Foto). So definiert zum Beispiel die Fahrerhaftung eindeutig die Pflichten des Fahrzeugführers. Danach darf sich dieser während der hochautomatisierten- oder vollautomatisierten Fahrt zwar vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden. Er muss aber „wahrnehmungsbereit bleiben“, damit er die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder übernehmen kann, wenn das System ihn dazu auffordert oder er erkennt, dass die Voraussetzungen für die hochautomatisierten- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr gegeben sind.

Er muss also die Fahrzeugsteuerung wieder übernehmen, wenn ihn das System dazu auffordert.  Wenn der Fahrer dies nicht tut, trifft ihn ein Verschulden. Die Grundlage für diese Anforderungen liefert § 1b der Straßenverkehrsordnung (StVG).

Fahrzeuge müssen länderspezifischen Verkehrszeichen kennen

Ehring verwies in seinem Vortrag auch auf eine länderübergreifendes Projekt im Saarland. Um automatisiertes und vernetztes Fahren auch grenzüberschreitend testen zu können, soll bis Ende 2019 ein digitales Testfeld zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg entstehen. Der Testring verläuft genauer gesagt von Saarbrücken über Metz (Frankreich), den Südosten Luxemburgs nach Merzig im Saarland.  Dort müssten die Fahrzeuge zum Beispiel beweisen, dass sie die landesspezifischen Straßenschilder erkennen können.

In einem Interview im Juli 2018 mit der "Saarbrücker Zeitung" vermerkte der Leiter der Forschungsgruppe Verkehrstelematik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) des Saarlandes, Horst Wieker, unter anderem dazu: „Es gibt in den Ländern etliche Unterschiede, die automatisierte Fahrfunktionen aus dem Konzept bringen können. Beispiel rote Ampel: Überall gleich ist, dass man bei Rot nicht fahren darf, aber ob der Haltepunkt vor oder auf der weißen Linie ist, ist nicht gleich“. Oder gelbe Ampel: Nicht alle Länder hätten eine Gelbphase. All das müsse berücksichtigt werden, wenn computergesteuerte Autos über Grenzen führen.

Sicherheitserwartungen hängen von Produkt und Fahrzeuglenker ab

Bei der Produkthaftung müssten dagegen andere Haftungsfragen berücksichtigt werden und beträfen die Sicherheitserwartungen an das automatisierte Fahrzeug. Diese Sicherheitserwartungen hingen vom Produkt ab und vom Fahrzeuglenker. So sei es eben ein sehr großer Unterschied, ob Playmobil-Figürchen, ein Dampfkochtopf oder eben autonome Fahrzeuge Sicherheitsstandards erfüllen müssten. So müsse das Fahrzeug zum Beispiel erkennen, „dass es nicht mehr kann, dass der Mensch nun – wieder – eingreifen muss, dass der Fahrzeugführer wieder eigenhändig das Fahrzeug steuern muss“.  

Laut Ehring gilt der § 1 b StVG nur für Level 3 des autonomen Fahrens. Doch derartige Fahrzeuge gäbe es bislang noch nicht. Aktuell wären nur Prototypen auf Testfeldern unterwegs. Aktuell würde die Automobilindustrie versuchen, eine Regelzulassung zu erhalten.   

Der Journalist und Mobilitätsexperte Don Dahlmann hat auf seiner Internetseite don@dondahlmann.de die 5 Levels aufgelistet und erläutert:

Diese Liste sei von der Autoindustrie entwickelt worden, bei der sie sich ein fünftstufiges System geeinigt habe, mit dem die verschiedenen Arten des autonomen Fahrens klassifiziert würden:

Level 1 – Assistiertes Fahren
Die meisten Autos sind dies bereits. Der Tempomat, der die Geschwindigkeit und mittlerweile auch oft den Abstand zum Vordermann regelt, gehört zum ersten Level des autonomen Fahrens. Der Fahrer muss dabei immer das Lenkrad in der Hand halten und auf den Verkehr achten. Es ist weder teilautonom, noch vollautonomes fahren.

Level 2 – Teilautomatisiertes Fahren
An diesem Punkt sind bisher nur wenige Fahrzeuge angekommen. Die E-Klasse von Mercedes, der Q7 von Audi, der 7ner von BMW oder der Autopilot von Tesla. Das Auto kann in bestimmten Situationen wie auf der Autobahn autonom geradeaus fahren, den Spur folgen, den Abstand zum Vordermann regeln usw. In Staus übernimmt das Fahrzeug komplett.

Level 3 – Hochautomatisiertes Fahren
Hier übernehmen die Systeme die Fahrt schon fast komplett. Vor allem auf Autobahnen kann das Fahrzeug die komplette Steuerung übernehmen, inkl. Überholmanöver oder Ausweichen. Der Fahrer wird erst nach einer Vorwarnzeit von mehreren Sekunden dazu aufgefordert, das Lenkrad zu übernehmen. Trotz des hochautomatisierten Fahrens, muss der Fahrer aber während der gesamten Zeit das Geschehen auf der Straße im Blick haben, um notfalls eingreifen zu können. Ab diesem Level beginnt das Auto auch mit seiner Umwelt zu kommunizieren. Es kann sich mit anderen Fahrzeugen austauschen.

Level 4 – Vollautomatisiertes Fahren
Das ist der große Sprung, den man bis 2020 oder 2022 erwartet. Das Auto bewegt sich schon die meiste Zeit alleine. Es parkt selbständig, es bewegt sich alleine auch auf der Landstraße oder in der Stadt. Der Fahrer kann sich anderen Dingen widmen und muss nicht die gesamte Zeit das Verkehrsgeschehen im Auge haben.

Level 5 – Fahrerlose Autos
Ab diesen Punkt sind die Autos komplett alleine unterwegs und sind auch nicht mehr mit einem Lenkrad ausgestattet. Bis derartige Autos auf der Straße fahren (und zugelassen sind), wird es noch dauern. Vermutlich ab 2025.

Hintergrundinformationen

Die international ausgerichtete Fachtagung "Automatisiertens Fahren - Von der Fahrerassistenz zum autonomen Fahren" wird von den Fachzeitschriften „ATZlive“ und „Versicherungsmagazin“ ausgerichtet. Beide Medien erscheinen im Verlag Springer Nature.

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