Axa: Nur wer die Kundenperspektive einnimmt, ist in Zukunft noch im Spiel

740px 535px

Die Axa hat ihr Haus in der jüngsten Vergangenheit komplett auf den Kopf gestellt. Mitarbeiter haben keinen eigenen Schreibtisch mehr, die Hierarchien wurden abgeschafft, das Kundenverständnis neu definiert. Warum der Versicherer dies getan hat und was er sich davon verspricht, skizzierte Alexander Vollert, Vorstandsvorsitzender des Axa-Konzerns, auf dem 19. Vorlesungstag an der Universität Leipzig.

Nach Ansicht von Alexander Vollert sind aktuell „eigentlich keine schlechten Zeiten für Versicherer – wenn man es nur richtig macht“. Davon fest überzeugt, hat sich das Versicherungsunternehmen einen neuen Blick auf den Kunden angeeignet, denn seiner Ansicht nach „wollen Kunden keine Versicherung, Kunden wollen Sicherheit“.

Diesem neuen Leitsatz folgt der Versicherer nun. Versicherunsunternehmen gäben ihren Kunden zu selten das Gefühl der Sicherheit und wenn, dann nur im Schadensfall. Und: Versicherer würden zu selten positive Kundenerlebnisse schaffen.

Die Versicherungsbranche müsse überlegen, wie sie mehr wertvolle Kundenkontakte schaffen könne. Seinem Haus sei dies mit ihrer so gennannten Begleit-App gelungen. Die App "Waygard" hat Axa vor rund zwei Jahren eingeführt. Zum jetzigen Zeitpunkt würden bereits rund 240.000 Personen diese Begleit-App nutzen, gut zwei Drittel davon Frauen unter 30 Jahren.

Im Notfall ist die Polizei schnell vor Ort

Und so funktioniert das Begleit-System: Wer Wayguard als Begleiter wählt, aktiviert die App der Axa und hat so das gute Gefühl, nicht alleine zu sein. Die App kennt über das GPS die genaue Position des Nutzers und übermittelt diese - in Echtzeit verschlüsselt - an das Team Wayguard, das bei Bedarf Hilfe organisiert. Im Ernstfall geht der abgesendete Notruf zur Polizeileitstelle. Dadurch, dass der Standort des Nutzers bekannt ist, kann die Polizei schnell helfen. Hat der User einen privaten Begleiter aktiviert, sieht dieser ebenfalls in Echtzeit den genauen Aufenthaltsort des Nutzers. Somit kann dieser digitale Begleiter auch Eltern beruhigen, wenn ihre Kinder oder Kinder im Teenager-Alter alleine unterwegs sind.

Mit dieser App will Axa die Dauerhaftigkeit der Kundenbeziehung erhöhen. Die App können aber auch Personen nutzen, die noch nicht Kunde bei dem Versicherer sind. Die Idee dabei natürlich: Durch diesen Service entsteht beim Nutzer ein positives Gefühl, so dass er auch bereit ist, seine Versicherungen bei dem Kölner Unternehmen abzuschließen.

Für Versicherer überlebenswichtig, den Kunden zu verstehen

Nach Einschätzung von Vollert startet die Reise des Kunden immer häufiger auf der digitalen Oberfläche. Aus diesem Grund müsste die Branche stärker über einfachere Produkte nachdenken. Sie müsste weggehen vom Spezialfall und künftig stärker den Normalfall betrachten. O-Ton Vollert: „Es ist „gar nicht so trivial, radikal vom Kunden aus zu denken.“ Für Versicherer werde es in Zukunft überlebenswichtig, wie der Kunde zu denken und den Kunden zu verstehen.

 

Die Versicherungs-AG hat sich dabei auch zur Maxime gemacht, künftig jedes Produkt „mobil first“ zu entwickeln. Das bedeute auch, dem Kunden nicht zu viele Fragen zu stellen, um einen potenziellen Vertragsabschluss nicht zu vereiteln. Denn  der Kunde sei selten bereit, sich lange mit dem Antragsprozess zu beschäftigen.

Um in Zukunft noch erfolgreich zu sein, müsste grundsätzlich die Komplexität aus den Unternehmensstrukturen herausgenommen werden. Interne Prozesse müssten verändert werden, um dem Kunden näher zu kommen. Zudem seien die Versicherer  bislang nicht gut darin, die Daten des Kunden zu nutzen. Dies müsse sich substanziell verändern. Darum würde die Axa verstärkt auf Data Analysten setzen. Deren und auch die Aufgabe der Aktuare sei es, nicht mehr aus der Produktperspektive, sondern aus der Bedürfnisperspektive des Kunden zu denken und zu agieren. In diesem Kontext könnten (Technologie-)Partnerschaften helfen, die Prozesse zu beschleunigen.

Keine betriebsbedingten Kündigungen in der Umbauphase

Dem Axa-Chef ist aber auch bewusst, dass die Mitarbeiter eine derartige  Veränderung der Unternehmensphilosophie auch mittragen müssen. Das bedeute, dass diese mehr Aufgaben, mehr Verantwortung übernehmen, dass sie selbstständiger handeln müssten. Dabei greift der Versicherer zu ungewöhnlichen Mitteln, setzt ein klares Signal: Axa verzichtet auf betriebsbedingte Kündigungen, solange sie von ihren Mitarbeitern diese Umorientierung einfordert. Vollert kommentiert diese Vorgehensweise folgendermaßen. “Wenn wir unseren Kunden Sicherheit geben wollen, müssen wir diese auch unseren Mitarbeitern bieten. Folglich verändern sich natürlich auch unsere Führungsaufgabe, müssen auch unsere Führungskräfte den Kulturwandel vorleben.“

Der Konzern bittet seinen Mitarbeitern aber auch noch einen anderen Anreiz, damit diese den Veränderungsprozess mittragen: Die Axa-Angestellten dürfen bis zu zweimal in der Woche zuhause arbeiten. Dies nutzen aktuell circa 70 Prozent der Menschen. 

Vorstände müssen wissen, wo das eigene Haus in zehn Jahren steht

Das Fazit von Alexander Vollert lautete: „Wir brechen Altes auf, verändern und brauchen neue Werte sowie einen klaren Kompass, damit die Leute auf der Straße bleiben.“ Er ist sich bewusst, dass sein Haus, dass die gesamte Branche noch am Anfang des Veränderungsprozesses steht: „Wir wissen nicht, wie sich unsere Branche noch verändern wird.“ Sicher sei aber, dass die Versicherungsvorstände auf jeden Fall fähig sein müssten, ihre Organisationen zu bewegen und eine klare Vorstellung davon haben müssten, wo ihre Organisation in zehn Jahren stehe.

Autor(en): Meris Neininger

Alle Branche News