Barmenia setzt seit zwei Jahrzehnten auf Nachhaltigkeit

Die Schlagzeilen der jüngsten Zeit klingen vielversprechend. Die Versicherungswirtschaft macht mobil und – sich selbst – Druck: „MLP Konzern wird 2022 klimaneutral“, „Allianz drängt Firmen zur Beachtung von Klimarisiken“, „Nachhaltigkeit bei Versicherungsprodukten ist wesentlich für den Talanx-Konzern“ oder auch „Die Gothaer geht das Thema Nachhaltigkeit konsequent an“. Aber wie konsequent betreiben die Versicherer wirklich ihr nachhaltiges Engagement? Stephan Bongwald, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Barmenia und Preisträger des B.A.U.M.-Umweltpreises 2017, liefert einige Fakten zu seinem Unternehmen. Ein Interview.

Welche Zielgruppe(n) wollen Sie mit Ihren Produkten ansprechen?
Stephan Bongwald: Wir haben 2014 die Grundsätze für verantwortungsvolles Investieren der Vereinten Nationen gezeichnet. In unseren Ausschlusskriterien haben wir festgelegt, in welche Staaten und Unternehmen wir kein Geld investieren, die gegen bestimmte Umwelt- und Sozialkriterien verstoßen. Auch Aspekte zur Unternehmensführung wie Korruption und Bestechung werden berücksichtigt. An dieser ganzheitlichen Ausrichtung unserer Investitionen sieht man gut, wie wir agieren. Früher gab es nur einzelne Produkte, deren Alterungsrückstellungen oder Sparanteile in Nachhaltigkeitsfonds investiert wurden, heute betrifft es unsere gesamte Kapitalanlage.

Darüber hinaus profitieren unsere Kunden von einer Vielzahl an Leistungsmerkmalen, die dem Themenfeld Nachhaltigkeit zugeordnet werden können. Beispielsweise können Kunden bei unserer fondsgebundenen Rentenversicherung spezielle Nachhaltigkeitsfonds wählen. Im März erhielt unser gesamtes Fondsangebot von der Zeitschrift "Capital" die Höchstnote von fünf Sternen. Grundsätzlich sind wir für alle potenziellen Kunden interessant, die sich bei einem verantwortungsbewussten Unternehmen versichern möchten.

Wie machen Sie auf Ihr diesbezügliches Engagement aufmerksam?
Wir beschäftigen uns bereits seit zwei Jahrzehnten mit Nachhaltigkeitsthemen. Seit vielen Jahren haben wir eine Internetseite unter www.nachhaltige.versicherung, die unser Nachhaltigkeitsmanagement aufzeigt und viele Maßnahmen beschreibt. Seit 2009 veröffentlicht die Barmenia auch Nachhaltigkeitsberichte. Wir informieren aber auch auf Kongressen sowie bei Tagungen und Seminaren über unser Engagement.

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Weitere Informationen und die Teilnehmerunterlagen können Interessenten hier abrufen: www.sustainable-award-in-finance.de

Wie schwer oder leicht ist es, Kunden für diese neue Anlage-/Produktausrichtung zu gewinnen?
Nachhaltigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Teil unserer Unternehmensverantwortung. Wir haben keine Auswertung darüber, wer sich wegen unseres Nachhaltigkeitsmanagements oder einzelner Maßnahmen für uns entschieden hat. Wenn ein potenzieller Kunde aber Fragen zur Nachhaltigkeit hat, können wir viele Antworten geben. Ich habe einige Kunden kennengelernt, aber auch Vertriebspartner sowie Kollegen, die sich wegen unseres Verantwortungsbewusstseins für uns entschieden haben.

Fridays for Future hat viele Menschen für Umweltthemen wie auch für Nachhaltigkeit insgesamt stärker sensibilisiert. Ich glaube, dass auch Corona zu einer noch stärkeren Sensibilisierung führen wird. Wir sind sicher, dass die Menschen die Unternehmen vermehrt zu ihrem Verantwortungsbewusstsein befragen werden und sich die Konsequenz in ihrem Nachfrage- und Kaufverhalten widerspiegeln wird.

Wie gestaltet sich die Nachfrage seitens der Vermittler in Bezug auf diese Anlage-/Produktklasse?
Es gibt Vermittler, die sich auf Nachhaltigkeit spezialisiert haben und dieses Geschäftsmodell erfolgreich praktizieren. In der breiten Masse spielt es aber noch keine übergeordnete Rolle. Aus Gesprächen mit Beratern weiß ich aber, dass die Kunden vermehrt nach der Art der Investition fragen. Die Kunden wollen wissen, wo ihr Geld angelegt wird. Wir sind mit dem internationalen Bekenntnis zu den PRI und UN Global Compact sowie den Ausschlusskriterien gut aufgestellt und unser Nachhaltigkeitsmanagement überzeugt Interessierte, aber auch Experten. Seit vielen Jahren haben wir einen Nachhaltigkeitsbeirat, der unserem Vorstand beratend zur Seite steht.

Was war die Initialzündung, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen?
Unser Nachhaltigkeitsmanagement ist gewachsen. Wir kamen von vielen nachhaltigen Maßnahmen zu einer Struktur, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Den Beginn unserer Maßnahmen datieren wir aber auf Anfang des 21. Jahrhunderts zurück. Es begann mit einer Krankenvollversicherung, deren Alterungsrückstellungen in ökologische Fonds investiert wurden. Ein Beirat hat diesen Prozess begleitet. Dieser Beirat war der Vorläufer unseres jetzigen Nachhaltigkeitsbeirats.

Bei allem, was wir tun, wollen wir wirtschaftlich handeln, soziale Verantwortung zeigen und umweltbewusst agieren.

Warum entscheiden sich Ihre Kunden für nachhaltige Produkte?
Menschen, die ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl mitbringen, stellen Fragen zur Nachhaltigkeit und interessieren sich für entsprechende Produkte. Da ich mich seit 2008 mit Nachhaltigkeitsfragen im beruflichen Kontext beschäftige, kann ich bestimmte Strömungen feststellen. Die Menschen sind immer dann stark sensibilisiert, wenn sich Katastrophen wie die Nuklearkatastrophe 2011 in Fukushima oder Orkane wie “Kyrill” im Jahr 2007 oder in diesem Jahr “Sabine” ereignen.

Wir haben “Nachhaltigkeit” und viele Maßnahmen - unter anderem in der Kapitalanlage und bei Produkten - umgesetzt. Wenn Vertriebspartner und Kunden sich mit Versicherungen und Nachhaltigkeit beschäftigen, finden sie schnell zu uns.

Kritiker werfen der Versicherungsbranche vor, das Thema Nachhaltigkeit nicht konsequent zu verfolgen. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Versicherungen nehmen sich gesellschaftlicher Herausforderungen an und mindern finanzielle Risiken für die Gemeinschaft. Gleichzeitig legen sie Gelder ihrer Kunden teilweise über mehrere Jahrzehnte an.

Seit 2009 veröffentlichen wir nichtfinanzielle Berichte, seit 2017 ist nahezu die gesamte Branche verpflichtet, nichtfinanzielle Informationen unter anderem zu Umwelt- und Sozialthemen zu publizieren. Es kann sich lohnen, die Kritik zu hinterfragen und in die Berichte einzelner Unternehmen zu sehen.

Wichtig ist aber auch, dass Nachhaltigkeit immer als Weg verstanden werden sollte. Ein Ziel und ein “wir sind fertig” gibt es dabei nicht. Es wird immer neue gesellschaftliche Herausforderungen geben, auf die wir als Gesellschaft und als Unternehmen neue Antworten finden müssen.

Andere kritische Stimmen bemängeln, dass die Branche sich zwar einen nachhaltigen Anstrich gibt, aber nicht wirklich entsprechend agiert. Wie ist Ihre Haltung hierzu?
Die Versicherungsbranche hilft bei Risikominderung, trägt Risiken und unterstützt mit fundiertem Datenmaterial. Gleichzeitig ist sie durch ihre Investitionen zum Beispiel in Infrastruktur und neue Technologien Wegbereiter für die Zukunft. Technologien wie Photovoltaik oder Offshore konnten unter anderem erst durch Versicherungslösungen ermöglicht werden. Aber auch große soziale Aufgaben wie Altersarmut werden durch die individuelle Vorsorge reduziert. Als weiteres Beispiel möchte ich telemedizinische Leistungen ansprechen, da wir hier eine Vorreiterrolle eingenommen haben.

Und da es gerade schön zum Thema passt, möchte ich erwähnen, dass die Barmenia von 2010 bis heute drei Viertel ihrer CO2-Emissionen dauerhaft im Geschäftsbetrieb gesenkt hat und die Hauptverwaltungen seit 2015 klimaneutral wirtschaften.

Können Sie mir konkrete Zahlen zu einem Ihrer diesbezüglichen LV-Produkte liefern? Wie viele Kunden haben Sie für dieses bereits gewinnen können?
Wir spüren eine Bewusstseinsveränderung, die sich auch in Produktanfragen niederschlägt. Dieses Bewusstsein sollte sich aus gesellschaftlicher und politischer Sicht in den nächsten Jahren noch intensiver in Kaufkraft ausdrücken. Die Barmenia ist bereit! Das Produktangebot ist vorhanden und das Image als verantwortungsbewusster Versicherer gestärkt.

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Gemeinsam haben Versicherungsmagazin, Bankmagazin und das Software- und Analysehaus Morgen & Morgen den "Sustainable Award in Finance" ins Leben gerufen. Hier können sich Unternehmen beweisen, die auf Nachhaltigkeit setzen.

Teilnahmeberechtigt sind Investmentprodukte, Spar- und Finanzierungsprodukte sowie Versicherungen. Die Produkte werden in drei Kategorien bewertet: Environment, Social und Governance.

Die Gewinner werden von einer Jury ausgewählt, die sich aus anerkannten Vertretern von Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit zusammensetzt. Produktgeber können sich online bis zum 14. August 2020 bewerben. Die Preisverleihung findet Ende November statt.

Weitere Informationen und die Teilnehmerunterlagen können Interessenten hier abrufen: www.sustainable-award-in-finance.de

 

 

Autor(en): Meris Neininger

Zum Themenspecial "Nachhaltigkeit"

 

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