Barmenia und Gothaer wollen fusionieren – wie das passt

740px 535px

Ende September kam die auch für die Mitarbeitenden überraschende Nachricht: Barmenia und Gothaer wollen fusionieren. Es könnte ein Versicherer unter den zehn größten in Deutschland nach Beitragssumme entstehen.

Beide Versicherer planen den Zusammenschluss, um ihre Investitionskraft und Risikotragfähigkeit zu verbessern, wie es offiziell heißt. Obwohl die Gothaer mit Beitragseinnahmen von 4,6 Milliarden Euro erheblich größer ist als die Barmenia (2,8 Milliarden Euro), soll die Fusion auf „Augenhöhe als gleichwertige Partner“ erfolgen. Beide Marken und Firmensitze sollen ebenso wie die Versicherungsvereine an der Unternehmensspitze bestehen bleiben. Für die Kundinnen und Kunden soll sich erst einmal nichts ändern. Ziel soll es sein, den Kunden über die etablierten Vertriebskanäle beider Häuser ein breiteres Produktangebot zu unterbreiten. Und für die Mitarbeitenden soll eine Beschäftigungsgarantie von drei Jahren ausgesprochen werden.

Es wird noch etwas dauern

Noch ist es aber nicht so weit. Die Due-Diligence-Phase wird voraussichtlich einige Monate dauern. Auch müssen noch alle Ergebnisse von den Gremien der Versicherer, Bundeskartellamt sowie der Finanzaufsicht Bafin genehmigt werden. Im dritten Quartal 2024 soll der Zusammenschluss vollzogen sein. Ob sich die beiden Versicherer mit ihrem Angebotsportfolio wirklich „perfekt ergänzen“ (Oliver Schoeller, Vorstandsvorsitzender der Gothaer), sei dahingestellt. Tatsache ist: Die Barmenia hat ihre besondere Stärke in der Krankenversicherung, die Gothaer ist sehr stark im Bereich Komposit und im gewerblichen Mittelstand. Und: Die Gothaer wächst insbesondere im Firmenkundenbereich über alle Sparten, die Barmenia zeigt eine sehr dynamische Entwicklung im Privatkundengeschäft, so Andreas Eurich, Vorstandsvorsitzender der Barmenia. Das könnte sich also gut ergänzen.

Wenn die Fusion klappt, wird die neue Barmenia Gothaer Finanzholding für eine weitere Konsolidierung des Marktes sorgen. Es ist zwar in den vergangenen Jahren diesbezüglich etwas stiller geworden, doch Branchenkenner erinnern sich an das Verschwinden guter Namen im Versicherungsmarkt: Nordstern, Colonia, Volksfürsorge, Gerling, Victoria, Hamburg-Mannheimer oder Winterthur, um nur einige zu nennen.

Mehr Kapital für Nachhaltigkeit

Schoeller und Eurich werden die Ko-Vorstandsvorsitzenden des neuen Unternehmens sein. Es käme dann auf mehr als 7,5 Milliarden Euro Beitragseinnahmen und würde somit unter die zehn volumenstärksten deutschen Versicherer vorrücken. Größe alleine ist im Markt zwar kein ökonomischer Wert. Doch Fusionen folgen in der Regel nach den gleichen Marktgesetzen. So macht sich mehr Marktmacht zum Beispiel beim anzulegenden Kapital bemerkbar. Wer mehr anlegt, erhält in aller Regel bessere Konditionen und kann mehr bewegen – etwa in Richtung Nachhaltigkeit, die beiden Unternehmen am Herzen liegt. „Wenn wir die Kapitalanlage beider Unternehmen verbinden, können wir die Transformation der deutschen Wirtschaft noch weiter beschleunigen“, sagte Schoeller dazu.

Darüber hinaus lassen sich auch die regulatorischen Anforderungen in einer größeren Einheit besser handhaben. Und auch die Finanzstabilität, sprich Solvenzquote, würde sich verbessern und die Risikotragfähigkeit damit steigen. Damit könnte das neue Unternehmen ihre Geschäfte weiter ausdehnen. Hier würde sich Marktgröße im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt machen.

Gewerkschaft NAG erwartet Stellenabbau

Auch wenn es einen allgemeinen Fachkräftemangel gibt: Doppelarbeiten wird es im neuen Konzern nicht geben. Zwangsläufig werden einige Mitarbeitende daher mit neuen Aufgaben betreut werden. Nach Ablauf der Beschäftigungsgarantie wird man sehen, ob alle Menschen an Bord bleiben. Die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG) sieht den Zusammenschluss skeptisch und erwartet einen deutlichen Stellenabbau. Ich glaube aber nicht daran.

Die IT muss ebenfalls zusammengelegt werden, denn die zunehmende Digitalisierung lohnt bei größeren Datenbeständen immer mehr. Die notwendige Integration der Systeme wird jedoch erfahrungsgemäß keine einfache Aufgabe werden.

Es kann nur einen geben

Fast schon folgerichtig werden im Aufsichtsrat die beiden erfahrenen Fahrensmännern und Vorstandsvorsitzenden Werner Görg von der Gothaer als Aufsichtsratsvorsitzenden der neuen Finanzholding und Josef Beutelmann von der Barmenia als sein Stellvertreter fungieren. Insgesamt scheint hier alles zusammenzupassen. Einzig bleibt die Frage nach den beiden Ko-Vorstandsvorsitzenden. Ob das lange gutgehen wird? Die Erfahrung zeigt: Es kann nur einen geben.

 

Autor(en): Bernhard Rudolf

Alle Branche News