Betriebsrente: Per Sozialpartnermodell verdoppelt 

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Nun startet "Die Deutsche Betriebsrente", das erste Sozialpartnermodell (SPM) in der betrieblichen Altersversorgung (bAV), mit tollen Versprechungen. Der Praxisstart ist ein Meilenstein. Höhere Chancen für Betriebsrentner könnten bald Schule machen.

"Die Betriebsrente nach dem Sozialpartnermodell ist doppelt so hoch, wie die klassische Garantierente", verspricht Fabian von Löbbecke, Vorstand bei der Talanx. Die extreme Steigerung soll ein neuer Haustarifvertrag ermöglichen, den die Talanx und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ausgehandelt haben. Danach könnte beispielsweise ein 40-Jähriger, der 100 Euro seines Gehalts in die betriebliche Altersversorgung steckt, beim Start in den Ruhestand eine monatliche Rente von 200 Euro erwarten. Wer hingegen wie bisher sein Gehalt klassisch umwandelt, würde nur eine Rente von 100 Euro erhalten, so die Prognose des Talanx-Managers.

Geringe Verwaltungskosten

Grund ist, dass der Arbeitgeber bei der klassischen Betriebsrente garantieren muss, dass bei Rentenstart mindestens die eingezahlten Beiträge vorhanden sind. Das zwingt zu einer sehr konservativen Geldanlage, die sich in der Niedrigzinsphase kaum noch lohnt. Bei der neuen Rente nach SPM gibt es keine Garantien. Das ist nach dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) rechtlich zulässig. Das Risiko der Kapitalanlage wird somit auf den Arbeitnehmer übertragen. Der Arbeitgeber haftet nicht mehr. Dafür soll der Arbeitnehmer höhere Chancen erhalten.

So ist die Gewerkschaft überzeugt, dass die prognostizierte hohe Rente tatsächlich erzielt wird. "Wir haben mit den Assekuranzen Sicherheitsmaßnahmen auf hohem Niveau vereinbart, damit die Renten stabil sind und konnten im Tarifvertrag große Kostenvorteile für Verdi festschreiben", erläuterte Christoph Schmitz, Mitglied des Bundesvorstandes bei ver.di. Nach seiner Einschätzung gebe das Sparen in einem großen Kollektiv Sicherheit. Jeder Angestellte starte bei dem neuen System mit einem Sicherheitspuffer in die Rente. "Das minimiert das Risiko von Rentensenkungen", so Löbbecke. Der Vorstand geht davon aus, dass eine "hohe" vierstellige Zahl der 11.000 Mitarbeiter freiwillig in die neue bAV einsteigen wird.

Hohe Arbeitgeberleistung

Grundsätzlich bleibt die bisherige betriebliche Altersvorsorge bei der Talanx erhalten. Der Versicherer zahlt weiterhin 2,5 Prozent eines Jahresgehalts als Arbeitgeberbeitrag, wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter einen gleich hohen Beitrag einbringt. Dieser Arbeitnehmerbetrag wurde bisher in eine klassische Direktversicherung eingezahlt. Nun haben die Angestellten die Möglichkeit, das Geld auch in den SPM-Fonds "Die Deutsche Betriebsrente" zu zahlen. In diesem Fonds, den die Zurich Versicherung und die Talanx gemeinsam aufbauen, wird das Geld zu 50 Prozent in Aktien und zu 50 Prozent in Rentenpapieren angelegt. Diese deutlich riskantere Anlagestrategie ist für klassische Betriebsrenten nicht erlaubt.

Daher rechnet die Talanx damit, dass sie nach Kosten eine Rendite von 3,85 Prozent erzielen kann. Ab dem 1. Juli 2021 soll "Die Deutsche Betriebsrente" bei dem Versicherer starten. Dem Start waren jahrelange Verhandlungen vorausgegangen, weil die Gewerkschaft Vorbehalte gegen ein garantieloses System hegte. Theoretisch hätte die SPM-Rente schon mit dem neuen BRSG ab 2018 ins Leben gerufen werden können. Doch auch durch die Corona-Pandemie sei es zu weiteren Verzögerungen gekommen. Das sei aber auch ein Vorteil gewesen. "Wir konnten so in einem Echtzeittest darstellen, dass die Kapitalanlage im System ohne Garantie ohne Anpassung durch die volatilen Marktzeiten der Coronakrise gekommen ist", sagte Lars Golatka, Bereichsvorstand bAV bei Zurich.

Beratung in 10 Minuten möglich

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßte den Start des ersten SPM in der bAV. "Das ist ein Meilenstein und hoffentlich ein Durchbruch für eine zeitgemäße betriebliche Altersversorgung, die Beschäftigten gleichzeitig Beitragssicherheit und chancenreiche Kapitalanlage bietet", erklärte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Positiv reagierten auch Verbraucherschützer. "Endlich kann ein Sozialpartnermodell zeigen, dass man Renten auch anders und erfolgreicher als Lebensversicherer kalkulieren kann", sagte Axel Kleinlein, Vorstandsprecher des Bundes der Versicherten (BdV). Nach seiner Einschätzung fallen die Renten im neuen Modell deshalb höher aus, weil exorbitant hohe Kosten und Zuschläge, mit denen die Lebensversicherer üblicherweise kalkulieren würden, hier nicht vorhanden seien.

Etwas skeptisch reagierte hingegen der Bundesverband der Deutschen Versicherungsmakler (BDVM). "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer", kommentierte Hans-Georg Jenssen, Geschäftsführender BDVM-Vorstand, auf Anfrage. Ob die Deutsche Betriebsrente so richtig angenommen werde, bleibe abzuwarten. Versicherungsmakler seien aber auch bei der neuen Art der bAV notwendig. Denn weiterhin sei Beratung nötig, um Vor- und Nachteile richtig zu erfassen und abzuwägen. In solchen Fällen dürfte der Makler wohl mit einem Honorar des Arbeitgebers vergütet werden. Laut Talanx, kann die neue Art der Betriebsrente einem Arbeitnehmer in zehn Minuten seriös erklärt werden. "Dann kann er sich entscheiden, ob es das für ihn ist oder nicht", sagte von Löbbecke. Es müsse zwischen der einfachen Wirkungsweise und der komplexen Funktionsweise unterschieden werden. Wichtig wäre nun, dass weitere Gewerkschaften und Arbeitgeber SPM-Betriebsrenten vereinbaren würden. Problematisch wäre, dass die neue Art der Betriebsrente rechtlich derzeit an einen Tarifvertrag gebunden sei.

"Wir brauchen aber auch eine Lösung für alle Arbeitnehmer, die nicht tarifgebunden sind", sagte Christopher Lohmann, ebenfalls Vorstand der Talanx Gruppe. In Deutschland gelte das für rund 73 Prozent der Arbeitnehmer. An ihnen gehe das Modell bisher vorbei.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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