Das Schlimmste ist verhindert

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Die Bundestagswahl ist auch von der Branche mit Spannung erwartet worden. Wer nun mit wem regieren wird, könnte lange unklar bleiben. Aber es gibt auch Hoffnung auf eine gute künftige Politik.

Die Bundestagswahl ist spannend wie kaum jemals gewesen. Die Kanzlerinnenparteien CDU/CSU sind abgestürzt. Und das, obwohl sich die Deutschen anscheinend wehmütig danach sehnen, weiter von Frau Merkel regiert zu werden, glaubt man den vielen freundlichen Kommentaren selbst von Wahlkämpfern anderer Parteien sowie der Medienberichterstattung. Der ständige Bruderzwist zwischen Bayern und dem Rest der Union sowie viele Ungeschicklichkeiten des Kanzlerkandidaten haben einen historischen Tiefststand beim Stimmenanteil eingeläutet.

Scholz kann nicht mehr mit rot-grün-rot drohen

Gleichzeitig ist es der SPD in beachtenswerter Weise gelungen, die Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen, dass sie im Grunde genommen nur aus Olaf Scholz besteht. Auch wenn sich die SPD nach den letzten Meinungsumfragen einen deutlicheren Vorsprung vor der Union erhofft hatten, ist die Wiederauferstehung einem Kraftakt zu verdanken, mit dem sich die Parteilinken diszipliniert und einmütig hinter ihren Kandidaten versammelt haben.

Dennoch kann sich Scholz nicht freuen. Denn seine Hoffnung dürfte gewesen sein, dass es für ein rot-grün-rotes Bündnis mit den Grünen und der Linkspartei reicht. Zum einen wäre das eine Wunschoption für Teile seiner Partei gewesen. Zum anderen hätte es seinen Machtanspruch unterstrichen und die Verhandlungsposition gegenüber der FDP gestärkt.

Grüne und FDP entscheiden, wer sie führen darf

Nun sind sowohl Scholz als auch Kontrahent Laschet von der Union gezwungen, Grüne und FDP zu umgarnen und auf ihre Seite zu ziehen. Da erscheint es vernünftig, wenn sich zunächst einmal diese beiden Parteien abstimmen, ob sie überhaupt miteinander koalieren wollten, und wenn ja, mit wem. Es obliegt nun nicht mehr der stärksten Fraktion, die Sondierungen für eine Regierungskoalition zu leiten, sondern den kleineren Parteien.

Für die Versicherungsbranche und vor allem für die Vermittler kann daraus Gutes erwachsen. Ein rot-grün-rotes Bündnis hätte wohl kaum Rücksicht auf die Interessen der zahlreichen kleinen Selbstständigen und der Arbeitsplätze genommen, die diese schaffen. Linke Wunschträume von Bürgerversicherungen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung hätten auch zahlreiche Versicherungsbeschäftigte ihren Arbeitsplatz gekostet.

„Respekt für Dich“ hatte SPD-Kanzlerkandidat Scholz auf die Wahlplakate drucken lassen, was aber offenbar nicht für die Lebensleistung zahlloser Unternehmerinnen und Unternehmer gegolten hätte, denen latent unterstellt wird, sich an unnützen Produkten wie der Riester-Rente und der privaten Krankenversicherung die Taschen unredlich zu füllen.

FDP verteidigt Unternehmertum

Falls Olaf Scholz Kanzler werden will, wird er nun nicht an der FDP vorbeikommen, die bislang am konsequentesten die Interessen der Selbstständigen vertreten haben. So kämpften sie gegen Wunschträume des Bundesfinanzministers Scholz wie einer überbordenden Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über Kleinstunternehmer, die ohnehin hoch regulierte Fonds vertreiben, oder einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung. Mit dem allein wären die Vertriebskosten der Versicherer keineswegs gesunken.

Dafür wäre ein neues, bürokratisches Monstrum an Vorgaben für Versicherer entstanden, wie man die Einhaltung des zweistufigen Provisionsdeckels hätte kontrollieren müssten. „Highlight“ war die Idee, dass jeder Lebensversicherer den Versicherungsmaklern regelmäßig Testkunden ins Maklerbüro schickt, um ihre Beratungsqualität zu prüfen. Wer als Makler mit einer größeren Zahl von Versicherern zu tun hat, hätte dann keine Zeit mehr für die Beratung echter Kunden übriggehabt.

Grüner Fokus auf Klimawandel wichtig für Versicherungen

Andererseits sollte die Branche froh sein, dass neben der FDP auch die Grünen unverzichtbar sind für eine künftige Bundesregierung. Denn der Klimawandel bedroht die Geschäftsgrundlagen der Versicherungswirtschaft, wie die Flutkatastrophe vor wenigen Wochen gezeigt hat. Die bisherigen Regierungen haben viel Zeit verstreichen lassen mit falscher Prioritätensetzung. Den Klimawandel selbst wird zwar auch eine grün beeinflusste Regierung nicht mehr aufhalten, aber zumindest müssen dringend Konsequenzen aus der zunehmenden Verwundbarkeit von Natur und Mensch gezogen werden. Und es bedarf einer engeren Zusammenarbeit von Staat und privater Versicherungswirtschaft, um Klimarisiken decken zu können.

Allerdings steht zu befürchten, dass sich die Regierungsbildung sehr lange hinziehen könnte. Wahlverlierer Union und Nicht-ganz-Wahlgewinner SPD stehen sich im Patt gegenüber. Vielleicht erfüllt sich doch die Sehnsucht vieler Deutscher, dass Frau Merkel noch lange regieren muss. Für das Land wie auch für die Versicherungsbranche und ihre Vermittler besser wäre aber ein rascher und beherzter Wandel.

Autor(en): Matthias Beenken

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