DAV: Niedrigzinsphase auch noch in 30 Jahren – und dann?

Die Niedrigzinsphase zwingt die Versicherungsbranche zum Umdenken und spornt sie an, neue Vorsorgemodelle zu konzipieren. Wie diese aussehen können und welche Neuerungen die Branche neben den niedrigen Zinsen noch beschäftigen, war auf der Jahrestagung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) in Berlin zu hören.

„Keine Garantien mehr für unbegrenzte Zeit“ sollte nach Ansicht von Dr. Johannes Lörper, Mitglied des Vorstands der Ergo Lebensversicherung und DAV-Vorstandsmitglied (siehe Bild ganz rechts), das Motto der Zukunft lauten. Er erachtet es als nahezu unvernünftig, angesichts der jüngsten Ereignisse auf den Kapitalmärkten „selbst die augenblicklich niedrigen Zinsen für eine sehr lange Zeit zu garantieren“. Sicherlich stünden den Versicherern zum Beispiel durch die Bewertungsreserven und die freie RfB einige Mittel zur Verfügung, um diese schwierige Zinssituation eine Weile durchzuhalten.Auch das neue Element in der Handelsbilanz von Lebensversicherern – die Zinszusatzreserve – sei ein stärkender Faktor, koste aber auch Geld.
Und die Assekuranz müsste auf jeden Fall Kosten sparen, um diese Schwächephase zu überstehen. Zudem müssten die Kapitalanlagen so eingerichtet werden, dass die Verpflichtungen gegenüber den Kunden eingehalten werden könnten und die Unternehmen müssten (noch intensiver) ein gutes Asset Liability betreiben.


Garantien nicht abschaffen, sondern nur an Ist-Zustand anpassen
Grundsätzlich müsste man aber über Alternativen zu den jetzigen Garantiemodellen nachdenken und eine situationsbezogene Produktgestaltung starten. Der Anstoß wäre die Frage: Passt eine lange Garantielaufzeit noch ins heutige (wirtschaftliche) Bild? Dies müsse nicht bedeuten, dass man die Garantien abschaffe, sondern nur, dass man funktionierende Garantien schaffe. Ein möglicher Weg seien so genannte Abschnittgarantien oder bedingte Garantien. Bei diesen fallen die Garantiekosten niedriger aus und die Kunden haben die Chance, höhere Überschussbeteiligungen zu erhalten. Augenblicklich bliebe ihnen nur, mehr als früher auf die Seite zu legen, um die fehlenden Zinsen zu kompensieren.

Der ehemalige DAV-Vorstand und Ergo-Mann ist zuversichtlich, dass seine Branche noch zehn oder 20 Jahre dieses Niedrigzinsszenario überstehen kann. „Aber für 50 Jahre kann ich mir das bei unveränderten Rahmenbedingungen nicht vorstellen“, kommentiert er die Lage nüchtern. Und bei einigen Branchenteilnehmer sieht er schon vor 2020 die Gefahr, dass sie in eine Schieflage geraten könnten, wenn das Zinsumfeld weiter so angespannt bleibt.

BaFin ist nicht oberster Tugendwächter
Felix Hufeld, Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht der BaFin (siehe Bild vierter von rechts), war bei der DAV-Jahrestagung auch als Experte geladen und stellte auch seine Position zum Thema Niedrigzinsen und Garantiemodelle vor. Bei der Beschäftigung mit diesem Thema sollte man es aber künftig vermeiden, Gegenpole zu schaffen, zwischen den Kapitalinteressen der Versicherer und Vorsorgeinteressen der Verbraucher. Dagegen sollte man sich mit einer positiven Haltung der risikoorientierten Regulierung – Solvency II – zuwenden und immer die ökonomische Gerechtigkeit im Kollektiv im Blick haben.
Um die Garantieproblematik zu lösen, findet Hufeld es auch nicht per se illegal, dass Versicherer Kunden Umdeckungen anbieten, um ihre alten mit vier Prozent garantierten Verträge zu kündigen. Hufeld dazu lakonisch: „Wir sind als BaFin nicht der oberste Tugendwächter“.

Ohne Ausstattung mit Eigenmitteln wird es künftig eng
Am Herzen liegt ihm aber ebenso das Thema „Ausstattung mit Eigenmitteln“. Die Ausstattung mit Eigenmitteln ist für die Stärke eines Versicherungsunternehmens äußerst wichtig. Und sie ist ein wichtiger Faktor für seine Risikotragfähigkeit. Doch nicht alle Unternehmen verfügen über diese Eigenmittel, in der deutschen Versicherungswirtschaft gibt es eine enorme Spreizung, die nach dem Start von Solvency II für das ein oder andere Haus gravierende Folgen haben kann. „In der neuen Welt werden einige Unternehmen dann unter Wasser sein“, kommentierte der Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht der BaFin den problematischen Ist-Zustand. Aus diesem Grund müsste die Ausstattung mit Eigenmitteln für die Versicherer oberste Priorität haben.

Weitere Informationen über die DAV-Jahrestagung und die Positionen der Deutschen Aktuarvereinigung finden Sie in der Juni-Ausgabe von .

Autor(en): Meris Neininger

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