DAV sieht trotz Corona keinen Grund zur Panik

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Deutschland ist im Krisen-Modus. Nicht so die Lebensversicherungsbranche. Noch nicht und auch nicht unbedingt durch die Corona-Pandemie. Problematisch eher das noch längerfristig niedrige Zinsniveau, befeuert durch Corona. So jedenfalls die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) in ihrer jüngsten Pressekonferenz. Also Alles im grünen Bereich?

Die Corona-Krise hat sicher Auswirkungen auf die Lebensversicherung und deren Versicherungstechnik, aber diese sind nach heutiger Einschätzung von Guido Bader, dem DAV-Vorstandsvorsitzenden, marginal, sogar „sehr harmlos“ und die Lage vieler Versicherungssparten „entspannt“.  Eine wirklich „quantitative Aussage über die Auswirkungen“ könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gemacht werden, Grund zur Panik gäbe es aber nicht.

Kaum negative Auswirkungen, sogar positive Effekte

Und warum? Es gibt kaum Auswirkungen auf die Risikolebensversicherung, da das Durchschnittsalter der Corona-Toten bei derzeit 81 Jahren liegt und die Vertragslaufzeiten dieser Versicherungen bis 60, maximal 65 Jahren laufen.

Auch auf die private Rentenversicherung habe sich die Pandemie noch kaum ausgewirkt, denn die meisten Verträge befänden sich noch in der Ansparphase. Außerdem seien „sogar positive Effekte zu verzeichnen“, da es leicht erhöhte Vererbungseffekte gäbe, so Bader. Möglich sei nur im Falle einer Rezession, die eine höhere Arbeitslosenzahl nach sich ziehe, dass die BU-Zahlen steigen könnten. Außerdem glaubt der Aktuar, dass seine Branche grundsätzlich gut mit der aktuellen Situation umgehen könne, da es ein so genanntes Solvency-II-Katastrophen-Modell gebe, das an Hand der Spanischen Grippe von 1918/19 auf die heutige Zeit kalibriert.

Ähnlich entspannt skizzierte Bader die finanzielle Situation für die Krankenversicherung und benannte diverse Einspareffekte: Ambulante sowie stationäre Behandlungen und Operationen wären ausgefallen oder verschoben worden. Auch Zahnbehandlungen und -reinigungen hätten die Kunden verschoben, vor allem um eine potenzielle Ansteckungen in einer Praxis zu vermeiden. Dagegen verursache die Corona-Pandemie aber natürlich hohe stationäre Kosten. Spürbare Mehrausgaben gäbe es sicher auch durch das „Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz“. Allein auf die privaten Krankenversicherer können hier Kosten von 290 Millionen Euro zukommen.

2021 keine „Corona-Beitragsanpassung“

Und wie sieht es für die Beitragsanpassungen für die Jahre 2021 und 2022 aus? Sofern Beitragsanpassungen 2021 erforderlich seien, würden diese auf jeden Fall auf Vor-Corona-Daten ermittelt. Sicher sei aber jetzt schon, dass es 2021 keine „Corona-Beitragsanpassung“ geben werde.

Dagegen könnte für 2022 nicht ausgeschlossen werden, dass es Auswirkungen auf die Beiträge geben werde. Dies sei von diversen Faktoren abhängig, so zum Beispiel wie schnell ein Impfstoff oder Medikamente entwickelt würden. Aus diesem Grund sei es für eine genaue Kostenanalyse noch zu früh. Die DAV sieht viel eher die Entwicklung an den Kapitalmärkten als gewichtigen Grund, wie sich die Beiträge in der PKV entwickeln werden.

Bader wies in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeiten der Krankenversicherer hin, ihre Kunden zu entlasten, wenn diese Liquiditätsprobleme hätten.

Wechsel in Basistarif sollte nur Notlösung sein

So könnte der Kunde für einen befristeten Zeitraum in einen günstigeren Tarif wechseln, seine Zusatzversicherungen beitragsfrei ruhen lassen oder auch (Teil-) Beitragsstundungen erbitten. Die Bundesregierung plane in diesem Kontext mit „Zweitem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ den Wechsel in den Basistarif und später zurück in den Normaltarif zu vereinfachen.

Doch nach Ansicht von Bader „sollte der Wechsel in den Basistarif nur eine Notlösung“ sein. Sein Verband befürworte seit Langem eine Öffnung des Standardtarifs als beitragsentlastende Lösung, unabhängig vom Alter und der Versicherungszugehörigkeit, insbesondere für alle Vertragsbeginne ab 2009. Bader wörtlich: „Wir würden uns sehr freuen, wenn man den Standardtarif wieder öffnen würde“. 

Auch kein Magendrücken bei den Sachversicherern

Und wie gestaltet sich die Situation für die Sachversicherung in Zeiten von Corona? Auch für diesen Sektor sieht Bader die Lage entspannt, denn zahlreiche (Teil-) Sparten würden durch den staatlich verordneten Shutdown entlastet. So zum Beispiel auch die private Kfz-Versicherung. Hier führten weniger gefahrene Kilometer und weniger Unfälle zu Entlastungen. Bei Letzterem würde sich die aktuelle Situation mittelfristig auf das System der SF-Klassen auswirken.
Ähnliche Situation bei der privaten Haftpflichtversicherung. „Social Distancing“ führte zu verringerten Kontaktmöglichkeiten, dies hätte wiederum weniger Haftpflichtschäden zur Folge. Und die private Hausrat- und Gebäudeversicherung könnte auch profitieren, denn es käme zu tendenziell weniger Wasserschäden, weniger Bränden durch elektrische Defekte und weniger Einbrüchen, da viele Kunden durch ihre Umstellung auf Homeoffice größtenteils zu Hause wären und folglich potenzielle Schäden durch ihre Anwesenheit abfedern könnten.

Anders sähe es natürlich bei den Sparten Cyber-, Veranstaltungs- und Betriebsschließungsversicherungen aus. Durch Homeoffice käme es zu mehr Angriffen auf weniger gut geschützte private Rechner.
Und für die Betriebsschließungsversicherung glaubt die DAV, dass es hierzu sowohl einen "juristischen Nachlauf" als auch noch eine verstärkte Diskussion mit der Politik über dieses schwierige Thema geben werde.

Wie der Kapitalmarkt auf die Krise reagiert

Und wie wird die Corona-Pandemie sich auf den Kapitalmarkt auswirken? Hier sieht der Trend nach Ansicht der Aktuare nicht ganz so rosig aus. 

Denn die Krise führt bei vielen Staaten zu einer hohen zusätzlichen Staatsverschuldung, so Beispiel in Argentinien. Dadurch müssten die Zinsen steigen. Dies hat wiederum zur Folge, dass es zum Vertrauensverlust in die Schuldentragfähigkeit der Staaten kommt. Der Anlagenotstand wird mittel-bis langfristig anhalten. Und am Ende steigt das Risiko von dauerhaft noch niedrigeren beziehungsweise negativen Zinsen. Bader rechnet damit, dass uns dieses niedrige Zinsniveau Corona-bedingt noch gut zehn bis 20 Jahre begleiten wird.  

In der Finanzkrise von 2008/2009 lag die Verschuldung Deutschlands bei circa 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Eine ähnlich starker Verschuldungsgrad befürchtet die DAV auch durch die Corona-Krise. Und der Schuldenstand in Europa wird weitaus höher als 2008/2009 liegen, so die Annahme der Aktuare. Steigen wird in diesem Kontext auch das Ausfallrisiko von Staats-und Unternehmensanleihen, so die Einschätzung der Aktuare.

Die Illiquidität der Zinsmärkte verursacht auch ein weiteres Risiko und eine Unsicherheit, ob Lebensversicherer genügend außerordentlichen Ertrag für die Zinszusatzreserve (ZZR) vorhalten können. Die DAV schätzt, dass der Referenzzins für die ZZR Ende 2020 bei 1,70 bis 1,75 % liegen. Die Folge: Erstmals muss für die Tarifgeneration mit Höchstrechnungszins 1,75 % eine ZZR gestellt werden.  

Neugeschäft noch wenig betroffen, Stornoquote nahezu verdoppelt

Und wie wirkt sich die Corona-Krise eigentlich auf das Neugeschäft der Versicherer aus? Die Beobachtung von Bader dazu: „Das Neugeschäft bewegt sich aktuell noch in einem normalen Rahmen. Je kleiner die Unternehmen sind, desto schwieriger wird es natürlich. In Summe wird es aber sicher ein Rückgang des Neugeschäfts geben.“ Was hingegen deutlich zugenommen hat, ist die Stornoquote. Dies konnten Bader und Herbert Schneidemann, stellvertretender DAV-Vorstandsvorsitzender, für ihre eigenen Häuser jedenfalls vermelden, also für die Stuttgarter und die Bayerische. So hätte es bei den Kunden schon Panikreaktionen gegeben, die zu diesen Storni bei allen Beständen geführt hätten. Allein im April hätte sich die Stornoquote nahezu verdoppelt. Beide Vorstände waren aber zuversichtlich, dass die Kunden, die ihre Verträge beitragsfrei gestellt hätten und unbeschadet aus der Krise hervorgehen würden, diese am Ende wieder reaktivieren würden. 

 

Autor(en): Meris Neininger

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