Der Klimawandel heizt den Versicherern ein

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Während Wetterextreme in Häufigkeit und Intensität zunehmen, sorgen sich Rückversicherer weltweit um die Auswirkungen des Klimawandels auf das eigene Geschäftsmodell. Laut einer PwC-Studie, für die 320 Branchenvertreter befragt wurden, schlage sich der Klimawandel in vielen Geschäftsbereichen nieder: von der mittel- bis langfristigen Risikobewertung bis hin zur Preisgestaltung. Dass Naturkatastrophen in Zukunft nicht mehr versicherbar sein werden, befürchtet eine zunehmende Anzahl der Befragten.

Im Ranking der Top-Risiken für Rückversicherer rangiert der Klimawandel auf Platz 3 hinter technologischem Wandel und Cyber-Risiken. Mit den klimatischen Veränderungen wandeln sich auch die wirtschaftlichen wie auch politischen Rahmenbedingungen im Kampf gegen die Erderwärmung, erklärt Julia Unkel, Leiterin des Bereichs Insurance bei PwC Deutschland. "Dadurch entstehen neue Risiken, aber auch Chancen für die Rückversicherer."

Nicht alle Katastrophen sind versicherungsrelevant

Auch wenn Zyklon Fani großflächige Schäden in Indien, Zyklon Idai in Dörfern und Städten an afrikanischen Küsten hinterließ: Der Rückversicherer Swiss Re weist darauf hin, dass längst nicht alle Wetter- und Klimakatastrophen vollumfänglich versicherungsrelevant sind, da sie in Gebieten mit geringer Versicherungsdurchdringung stattfanden. Der größere Anteil an den von Swiss Re aufgeführten Gesamtschäden entfiel auf sekundäre Naturgewalten wie beispielsweise Starkregen, Gewitterstürme und Schneeschmelze in Ländern wie den USA, Kanada, Europa, Australien, Iran und China. Den wirtschaftlichen Gesamtschaden aus diesen Ereignissen schätzt der Rückversicherer auf 32 Milliarden US-Dollar, von denen etwa 13 Milliarden versichert waren. Aus den Schäden der ersten Jahreshälfte 2019 wird die große Deckungslücke in vielen Ländern ersichtlich.

Martin Bertogg, Head of Catastrophe Perils beim Rückversicherer Swiss Re, ist sich sicher: "Extreme Hitzewellen und Dürren, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben, werden in Zukunft vermutlich häufiger auftreten; dadurch steigt auch das Risiko für Waldbrände und Ernteausfälle. Weil infolge der höheren Temperaturen mehr Wasserdampf in die Atmosphäre gelangt, erwarten wir darüber hinaus auch unbeständigere Regenfälle. Dies sind Veränderungen, auf die wir uns vorbereiten und letztlich anpassen müssen."

Dürre hat nicht nur meteorologische Gründe

Für die Risikobewertung einzelner Regionen spielen nicht nur die rein meteorologischen Wetterfaktoren eine Rolle, wie die Springer-Autoren Thomas Glade, Peter Hoffmann und Kirsten Thonicke im ihrem Buchkapitel "Dürre, Waldbrände, gravitative Massenbewegungen und andere klimarelevante Naturgefahren" beschreiben:

"Zudem werden noch zwei weitere dürreähnliche Zustände unterschieden: Anders als die oben beschriebene Dürre werden diese nicht an klimatologischen Variablen festgemacht, sondern durch hydrologische oder landwirtschaftliche Variablen charakterisiert. Letztlich bestimmen auch die vorherrschenden sozioökonomischen Faktoren der betroffenen Region das Maß der Auswirkungen und Schäden etwa die Bevölkerungsdichte, die Landnutzung oder auch die Industrialisierung. Je nach Dauer derartiger Witterungssituationen können, beispielsweise durch das Absinken des Grundwasserspiegels und das Austrocknen kleinerer Binnengewässer, viele Bereiche unseres täglichen Lebens in Mitleidenschaft gezogen werden."

Freistaat Bayern hat Soforthilfen abgeschafft

Nicht nur Rückversicherer hält der Klimawandel auf Trab. Gebäude- und Schadenversicherer erkennen klaffende Lücken im Versicherungsschutz der Versicherten angesichts einer veränderten Naturgefahrenlage. Wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) feststellt, sind 57 Prozent der deutschen Wohngebäudebesitzer nicht mit einer Elementarschadenversicherung gegen die erweiterten Naturschäden ausgestattet.

Der Freistaat Bayern hat angesichts zunehmender Wetterphänomenen und lückenhaftem Versicherungsschutz die finanziellen Soforthilfen bei Elementarschäden jüngst abgeschafft. Die Nürnberger Versicherung nahm dies zum Anlass für eine Umfrage. Das Ergebnis: 64 Prozent der Hausbesitzer halten ihren Versicherungsschutz für ausreichend gegen Naturgefahren wie Starkregen, Überschwemmungen oder Erdrutsche. In der Realität verfügen laut der Nürnberger jedoch nur 33 Prozent über passende Versicherungen. Circa ein Drittel von ihnen ist der Meinung, für ihre Immobilie bestehe kein Risiko, 14 Prozent kennen die Naturgefahrenversicherung nicht.

Versicherer setzen Zeichen

Herbert Scheidemann, Vorstandsvorsitzender der Versicherungsgruppe Die Bayerische, bezeichnet den Klimawandel an sich als "größter anzunehmender Schadenfall". Als Zeichen, dass Versicherungsunternehmen dem Fortschreiten des Klimawandels mehr als nur Policen entgegensetzen möchten, verpflichtet sich beispielsweise die Versicherungsgruppe Die Bayerische den UN-Klimazielen des Pariser Abkommens und stellt sich hinter die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels bei der Erderwärmung. Symbolisch untermauerte das Münchner Unternehmen seine klimafreundliche Firmenpolitik damit, allen Mitarbeitern die Teilnahme an der Klimademonstration am 20. September in München freizustellen. Temporär begleitend nahm der Versicherer seine Website sowie den telefonischen Kundenservice vom Netz. Darüber hinaus spricht sich Die Bayerische für den Umstieg auf erneuerbare Energien aus: Nicht nur will sie in nicht näher definierter Kürze klimaneutral wirtschaften, sondern legt mit ihrer Tochter Pangaea Life ökologische, ethische und soziale Investitionskriterien für nachhaltige Geldanlagen an.

Auch die Zurich Deutschland engagiert sich gegen den Klimawandel. Das Unternehmen hat  den "Business Ambition for 1,5 °C Pledge" unterzeichnet, der darauf abzielt, die durchschnittliche globale Erwärmung bis 2030 auf 1,5-Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Der Versicherer kündigte zudem an,  die aktuellen Richtlinien hinsichtlich dem Umgang mit Kraftwerkskohle erweitern, um die Nutzung kohlenstoffintensiver fossiler Brennstoffe zu senken. "Als Versicherer können wir dazu beitragen, einen Paradigmenwechsel zu sauberer Energie zu erleichtern, indem wir die klimabedingten Risiken in unsere Zeichnungs- und Kapitalanlagepolitik zunehmend berücksichtigen", so Carsten Schildknecht, Vorstandsvorsitzender der Zurich Gruppe Deutschland.

Autor(en): Swantje Francke

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