Die DFV: Kleine Brötchen sollen doch die anderen backen

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Stefan Knoll ist bekannt dafür, dass er Superlative liebt. Das hat der Vorstandschef der Deutschen Familienversicherung (DFV) auch bei der jüngsten Präsentation der Quartalszahlen wieder eindrucksvoll bewiesen. Doch nur vordergründig ging es um die aktuellen Zahlen fürs erste Halbjahr 2020, aber eigentlich ging es um die Präsentation eines großen Traums: Dem amerikanischen Insurtech Lemonade im europäischen Raum die Stirn zu bieten.

„Wir sind das führende Insurtech in Europa und nehmen hier eine Ausnahmestellung ein“, verkündete Stefan Knoll, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Familienversicherung (DFV) stolz und gleich zu Beginn seiner Online-Zahlenpräsentation für das erste Quartal 2020. Auf diesen Umstand würde er im Laufe der Zahlenanalyse auch immer wieder zurückkommen, „ja sogar darauf herumreiten, weil mir das wichtig ist“. Diese Ankündigung blieb auch kein leeres Versprechen, der Hinweis auf die führende Stellung seines Unternehmens erfolgte noch diverse Male. 

Kämpfen beide um Platz 1 in der westlichen Welt

Der größte internationale Mitbewerber der DFV ist das amerikanische Insurtech Lemonade und genau dieser Anbieter ist für Knoll das größte Vorbild und die größte Herausforderung. Wo Lemonade ist, will auch Knoll hin. Dass ihm dies gelingen wird, davon ist er überzeugt. „Wir beide operieren etwa auf Augenhöhe. Wir beide kämpfen um Platz 1 in der westlichen Welt. Die anderen deutschen Anbieter, die zwischen uns und Lemonade stehen, reichen keinesfalls an die Größe heran, die wir für uns reklamieren,“ so der selbstbewusste Tenor des Vorstandsvorsitzenden.

Und nun die aktuellen Zahlen für das erste Halbjahr 2020: Bei den Bestandsbeiträgen liegt die DFV bei 114 Millionen Euro, Lemonade liegt hier bei 137,5 Millionen Euro. Da muss/will die DFV noch etwas zulegen. Die Anzahl der Neukunden für diesen Zeitraum liegt bei 46.000, Lemonade kann hingegen auf stolze 171.000 Neubestandskunden blicken. (Hier verwies Knoll auf die andere Benennung der Kundengruppe, betonte aber gleichzeitig anerkennend den Größenunterschied der beiden Zahlen.) Die Unterschiede der Zahlenangaben zeigen sich in diesem Zusammenhang aber auch an dem unterschiedlichen Gewinn- und Verlustverhältnis, vermerkte Knoll. So muss sein Haus zum jetzigen Zeitpunkt „nur“ einen Verlust von 4,1 Millionen Euro verbuchen, der Konkurrent Lemonade hingegen einen kräftigen Verlust von 51 Millionen Euro.

Stolz auf die eigenen Produkte und guten Zahlen

Und warum ist Knoll der Ansicht, dass sein Haus europaweit führend ist? Darauf hat der „konservative Kaufmann“, wie er sich selbst betitelt, natürlich eine Antwort: „Weil wir die besten Produkte haben, weil wir bei diesen Produkten vielfache Testsieger sind. Das sind schon beeindruckende Zahlen, da werden sie kein zweites Unternehmen mit diesen Zahlen finden“, freut sich und lobt sich Knoll und sein Team.  

Ein Beweis dieser besonderen Leistung sei der aktuelle Titel als bester Hausrat- und Tierversicherer im Auge der Kunden, so jedenfalls das Ergebnis einer Handelsblatt-Untersuchung. „Dies ist eine weitere Auszeichnung für unsere Hall of Fame“, betonte der Vorstandsvorsitzende ganz unbescheiden. Dies sein vor allem darum beeindruckend, wenn man sich das Alter und die Größe seines Hauses betrachte. Eine wichtige Grundlage für diese fulminante Entwicklung sei eine leistungsfähige IT, über die sein Unternehmen natürlich verfüge und dazu noch selbst gebaut sei.

Dieses Java-basierte IT-System sei so gut und so schnell, dass man bei einer Unfallversicherung bereits vor dem Bungeejumping-Sprung des Kunden den Vertrag hochfahren könne und vor dem Aufschlag hätte man schon die Bestätigung. Das ist doch mal Versicherungsschutz zum Anfassen.

Kostenblock im Vergleich zum Kundenzuwachs schlank

Auch beim Thema IT-Kosten ist Knoll der Vergleich mit den Mitbewerbern wichtig. Hier zeige sich auch die Dominanz seines Hauses, denn „wir liegen mit unseren IT-Kosten mit ungefähr 50 Prozent unter den Marktkosten“. Die IT-Kosten, die für das laufende Geschäftsjahr ausgegeben werden sollen, liegen nach seiner Aussage bei circa 8,5 Millionen. Dieser Kostenblock sei im Vergleich zu dem – noch zu erwartenden – Kundenzuwachs äußerst schlank. Ob es am Ende dann wirklich bei diesen 8,5 Millionen Euro bleiben wird, ist dann doch nicht so ganz sicher, lenkte Knoll ein, denn „sie werden sicher noch die ein oder andere Investition tätigen müssen“.  Und hier zeige sich auch eines der großen Assets der DFV: Deren Wachstum führe nicht zu erhöhten Kosten.

Ein wirklich gelungenes Werk“ ist wohl auch die DFV-App. Auch hier liegt die Deutsche Familienversicherung vor Lemonade. Dies zeige sich daran, dass die Kunden, „die höchste und neutralste Instanz“ diese als beste App bewertet hätten und zwar vor Lemonade, vor Clark, vor Tiktok, vor der Allianz, vor … . Und schon wieder ein Ritterschlag. Und über diese App, die in erster Linie zur Schadenregulierung dient, hätte sein Unternehmen es bereits geschafft, im ersten Halbjahr 2020 über 1.200 Abschlüsse zu generieren. Diese Tatsache erfülle ihn mit besonderer Freude. 

Online-Vertrieb ist DER Schlüssel zum Erfolg

Eine klare Haltung in puncto Zukunftsfähigkeit des stationären Vertriebs hat Knoll natürlich auch: „Der stationäre Vertrieb hat, wenn er sich nicht substantiell umstellt, ausgedient. Der Online-Vertrieb ist DER Schlüssel zum Erfolg, ist DIE Zukunft. Corona wird uns komplett verändern und sicher noch bis mindestens 2025 begleiten wird.“ Die zahlreichen Vertragsabschlüsse über die neue App bestätigten dies eindrücklich. Die Entwicklung in Zahlen: Um 21 Prozent konnte der Versicherer seinen Online-Vertrieb steigern.   

Das Kundenportal ist das stationäre Service-Tool für den Kunden, über dieses läuft auch die gesamte Kommunikation mit dem Kunden. 98 Prozent der Neukunden nutzen nach Aussage von Knoll auch dieses Portal. „Der Kunde kann rund um die Uhr, er kann 24/7 seine Verträge einsehen und Änderungen vornehmen“. Dies ist bei andern Insurtech aber auch möglich.

"Es ist einfach eine Schande was in diesem Land passiert"

Einen politischen Seitenhieb musste Knoll natürlich auch noch loswerden und das Fehlverhalten der Politik in Zeiten von Corona anprangern. „Die Minister der Länder haben auf breiter Front versagt, denn sie diskutieren nur über Masken, die Digitalisierung haben sie hingegen vollkommen verschlafen. Es ist einfach eine Schande was in diesem Land passiert!“, echauffierte sich Knoll. Da galt es natürlich für den Macher ein persönliches Zeichen zu setzen, indem er sein IT-Equipment für seine Mitarbeiter nicht nur auf den neuesten Stand brachte, sondern auch das alte Material an Schulen verschenkte, „damit die Kinder eine vernünftige IT-Umgebung haben".

Das Unternehmen in weiteren Zahlen: Die gebuchten Bruttobeiträge sind im ersten Halbjahr um 28 Prozent gestiegen, die Kapitalanlage liegt bei 131 Millionen Euro, die Solvenzquote liegt bei 218 Prozent, die Schadenquote liegt bei 60,5 Prozent, die geplanten Personalkosten für 2020 liegen bei 13 Millionen, die Combined Ratio liegt bei aktuell bei 108. O-Ton Knoll zur letzten Zahl: „Das ist ok, das wird sich nächstes Jahr deutlich verändern“.   

Und wie sieht der Ausblick für das weitere Geschäftsjahr aus? Die DFV hat vor wenigen Tagen eine Kapitalerhöhung gestartet, auch hier diente Lemonade als Vorbild. Und warum? Knoll kommentiert dies so: „Wir müssen mit denen verglichen werden und deren zehnfache Bewertung hat uns angespornt. Innerhalb eines Tages haben wir die Kapitalerhöhung durchgezogen. So macht man das. Wir können unser Schwert einfach schnell ziehen. Das ist einfach beeindruckend und dies in diesem schwierigen Umfeld“. Bescheidenheit klingt anders.

Europäische Expansion soll Januar 2022 starten

Und was ist noch geplant: Die Deutsche Familienversicherung will einen Risikoträger gründen und zwar einen Lebens-, Kranken und Sachversicherer. Dessen Aufbau wird sicher bis weit ins kommende Jahr reichen. Das Finanzamt habe signalisiert, dass dieser Umbau möglich sei, bislang fehle aber noch die schriftliche Bestätigung.

Und einen anderen Wumms plant die DFV auch noch: „Wir wollen nach Europa. Wir prüfen derzeit noch, welche Länder möglich sind. Sicher ist, dass es große Volkswirtschaften wie Frankreich und Spanien sein müssen, damit es sich lohnt.“ Vor allem die Unfallversicherung will der Versicherer aus Frankfurt in diesen Ländern anbieten. Angepeilter Zeitpunkt: 1. Januar 2022. Im gleichen Jahr ist sich Knoll sicher, dass „wir auch alle aufgelaufenen Verluste kompensiert haben“.

Und am Ende? „Dann sind wir wirklich ein europäischer Insurtech und werden in die nächste Dimension aufgestiegen sein“.
Wir werden sehen.

 

Autor(en): Meris Neininger

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