Die Geschichte von der Rürupfalle

"Lebenslang in der Rürup-Falle", titelte Ende vergangener Woche Redakteur Andreas Jalsovec in der Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung. Die Geschichte: Ein Architekt kaufte anscheinend zwischen 2005 und 2007 eine "Rüruprente" mit 10.000 Euro Jahresbeitrag. Nachdem seine Geschäfte unerwartet schlechter verliefen, stellte er den Vertrag nach knapp 2,5 Jahren beitragsfrei.

Angeblich verlieren Tausende ihr Geld
Von gut 24.000 Euro Einzahlungen seien nur noch 19.000 Euro übrig, weil die Provisionen so hoch gewesen seien. Und der Versicherer werde weiterhin "Abschluss- und Verwaltungsprovisionen" abziehen, sodass dem Artikel zufolge dieser Kunde im Jahr 2027 nur noch mit einer "Minirente" zu rechnen habe.Vor allem aber komme der Kunde nicht mehr an sein Geld, denn der Vertrag sei unkündbar. Dieser Kunde sei "einer von Tausenden Deutschen, die mit einem Rürup-Vertrag viel Geld verloren haben", weiß der Autor zu berichten.

Einseitige Darstellung
Dabei stützt er sich auf Aussagen von Kerstin Becker-Eiselen, die als "Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg" vorgestellt wird. Dieselbe Verbraucherzentrale hat allerdings auch schon Broschüren verbreitet, in denen Briefmarken und Antiquitäten als besser für die Altersvorsorge geeignet eingeordnet wurden als Rentenversicherungen. Auch Edda Castello von der gleichen Verbraucherzentrale sowie Versicherungsberater Michael Ratzmann werden zitiert.

Eine journalistisch ausgewogene Berichterstattung ist das allerdings nicht. Denn die "Gegenseite" darf sich anscheinend nicht äußern. Und das wäre durchaus angebracht, um einige der Behauptungen besser einordnen zu können.

Überraschende Einsicht in Produktbesonderheit
Dass die Leistung einer Rüruprente in einer nicht vorzeitig entnehmbaren, lebenslänglichen Rente besteht, kann man beispielsweise in "Wikipedia" nachlesen, wenn schon nicht in den Versicherungsbedingungen. Das war auch Sinn dieser Rentenversicherung, dass diese ausschließlich zur Altersvorsorge dient, vergleichbar der gesetzlichen Rente. Im Artikel wird dagegen der Eindruck erweckt, als sei diese Information für den immerhin akademisch ausgebildeten Kunden überraschend gewesen.

Immerhin wird erwähnt, dass es der Kunde selbst war, der ein starkes Abschlussmotiv hatte. "Man denkt dann ja immer: Steuer sparen, das ist gut", wird der den Angaben zufolge 54-Jährige und damit mit Sicherheit nicht vollkommen im Geschäftsverkehr unerfahrene Freiberufler zitiert.

Zu hohe Verträge müssen nicht sein
Im Weiteren wird ausgeführt, dass viele Selbstständige und Angestellte zu hohe Verträge abschließen und dies später bereuen würden. Richtig ist, dass in einer guten Beratung auf die Gefahr hingewiesen werden sollte, dass man die Beiträge nicht über viele Jahre in gleicher Höhe aufbringen kann.

Besser ist der Rat, den Beitrag nur so hoch zu wählen, dass er auch bei schlechter Geschäftslage weiter gezahlt werden kann. Stattdessen gibt es oft die Möglichkeit von Einmalzahlungen, mit denen die Rentenansprüche gesteigert werden können.

Versicherungsvermittler ist nicht für alle Lebensumstände verantwortlich
Laut der Verbraucherschützerin werden Rüruprenten dagegen sogar an Hartz IV-Empfänger verkauft. Sollte es richtig sein, dass diese Personen zum Zeitpunkt des Abschlusses bereits Hartz IV-Empfänger waren oder dies absehbar war, müssten sich sowohl die betroffenen Kunden als auch die Vermittler fragen lassen, wie es zu einer solchen Fehlentscheidung kommen konnte. Eine solche Beratung dürfte zudem Schadenersatzansprüche aus Falschberatung begründen.Dass allerdings Kunden einem Berater glauben, als Hartz IV-Empfänger könne man noch Steuern sparen, obwohl man gar keine zahlt, das klingt doch einigermaßen abenteuerlich.

Wahrscheinlicher ist, dass es Fälle gibt, in denen Kunden erst nach Abschluss in finanzielle Notlagen geraten, deren Ursachen aber außerhalb des Einflussbereichs der gescholtenen Versicherungsvermittler liegen. Auch eine Verbraucherzentrale dürfte wohl kaum ihre Beratungsgebühren zurückgeben, nur weil sich die Lebenssituation des Kunden nachträglich ändert.

Störende Details weggelassen
Auch weitere Fehler trüben diesen Artikel und werfen ein schlechtes Licht auf die eigentliche seriöse Publikation Süddeutsche Zeitung. Beispielsweise wird suggeriert, dass die aktuelle Differenz aus vorhandenem Deckungskapital und eingezahlten Beiträgen bis zum Ablauf durch weitere Kostenentnahmen wächst. Übersehen wird, dass in dieser Zeit auch Garantiezinsen plus Überschusszinsen fällig werden.

Auch sind Abzüge keineswegs nur auf Provisionen zurückzuführen. Im Gegenteil, der Versicherungsvertreter in dem von der Süddeutschen wiedergegebenen Fall dürfte zwar eine in absoluter Summe hohe Provision erhalten haben, relativ zur vereinbarten Beitragssumme aber einen überschaubaren Anteil, der zudem mit einer auch früher schon in der Ausschließlichkeit meist fünfjährigen Stornohaftung belastet ist. Eine Stornohaftung dürfte es übrigens bei Honorarberatung wohl nicht geben.

Dagegen machen Medien wie beispielsweise die bedeutende Regionalzeitung WAZ immer noch regelmäßig kostenfrei im redaktionellen Teil Werbung für die kostenpflichtige Versicherungsberatung der Verbraucherzentrale. Der kritisierte Vertreter hätte dafür teure Anzeigen schalten müssen und dennoch nicht dieselbe Wirkung erzielen können, die ein redaktioneller Beitrag erreicht.

Die Arbeit der Verbraucherzentralen ist sehr wichtig. Aber Verbraucher sollten schon noch selbst Verantwortung übernehmen und nicht für jede Widrigkeit des Lebens den Versicherungsvertreter verantwortlich machen dürfen. Und das Mantra der Honorarberater, dass nur ihre Vergütungsform gut ist und qualitativ anspruchsvolle Beratung garantiert, das sollte doch langsam allen seriösen Publikationen als zu durchsichtige Eigenwerbung auffallen.

Autor(en): Matthias Beenken

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