Die Zukunft des Biometrie-Geschäfts

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Berufsunfähigkeits- und andere biometrische Versicherungen stehen bei den Versicherungsmaklern als Vermittlungsprodukte hoch im Kurs. Ob das nach der Bundestagswahl immer noch so sein wird?

"Es darf nicht sein, dass jemand wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen in Armut gerät. Wir werden daher die Armutsrisiken bei den heutigen Erwerbsminderungsrentner*innen verringern und für sie Verbesserungen erreichen", heißt es im "Zukunftsprogramm", mit dem die SPD in den Bundestagswahlkampf ziehen will. Das entspricht einem eher traditionellen Ansatz, das bestehende System weiterzuentwickeln. Radikaler denkt die Linkspartei: "Wir wollen dafür sorgen, dass niemand im Monat weniger als 1.200 Euro zur Verfügung hat. Das ist unsere Grenze für ein gerechtes Mindesteinkommen."

Steuerfinanziertes Mindesteinkommen

Und weiter heißt es: "Wir stärken damit die gesetzliche Rentenversicherung und verhindern Armut im Alter und bei Erwerbsminderung". Damit soll beispielsweise eine Rentenlücke nach einer Erwerbsunfähigkeit vermieden werden, und das Ganze steuerfinanziert. Die Riester-Rente soll abgewickelt werden, neue Konzepte mit Absicherungen über Kapitalmärkte lehnen die Linken als "unsicher" ab.

Die Grünen sprechen in ihrem vorläufigen Wahlprogramm zwar nicht explizit das Risiko der Erwerbsminderung an. Allerdings soll das Hartz IV-System umgebaut werden zu einer "grünen Garantiesicherung" und damit einer "Mindestsicherung, die nicht stigmatisiert und die einfach und auf Augenhöhe gewährt wird". Die entsprechenden Regelsätze sollen schrittweise angehoben werden. Damit könnte auch die Erwerbsminderung gemeint sein. Wer das finanziert, wird nicht verraten, aber es kann eigentlich fast nur der Steuerzahler sein.

Selbst die Liberalen wollen die Erwerbsminderungsrente anheben

Bemerkenswert ist die Aussage im FDP-Wahlprogramm: "Die Erwerbsminderungsrente stärken wir. Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, braucht eine starke Unterstützung." Zwar wird vorsichtshalber nichts Genaueres verraten, aber der aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammende Begriff "Erwerbsminderungsrente" spricht jedenfalls nicht dafür, dass die Liberalen an eine privatwirtschaftliche Lösung zur Stärkung der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente denken.

Von CDU/CSU gibt es bekanntlich bisher kein Wahlprogramm. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich die Union für eine privatwirtschaftliche Lösung der finanziellen Probleme Erwerbsgeminderter aussprechen wird. Im Ergebnis gibt es damit wohl einen Partei-übergreifenden Konsens, dass die Lebensversicherer zumindest keine stärkere Rolle spielen werden, was die Absicherung des biometrischen Risikos Einkommensausfall wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit angeht.

Hoffnung auf wachsendes Neugeschäft

Versicherungsmakler allerdings sehen darin unverändert im Bereich Berufs- und Erwerbsunfähigkeit ein stark wachsendes Geschäft. Nach der aktuellen Asscompact-Studie "BU/Arbeitskraftabsicherung 2021" machen Biometrie-Versicherungen mit gut 17 Prozent Anteil am Vermittlungsgeschäft der 475 befragten Makler und Mehrfachvertreter den relativ größten Anteil aus, gefolgt von privater Vorsorge mit knapp unter 17 Prozent und dem privaten Schaden-/Unfallversicherungsgeschäft mit 16 Prozent.

Im vergangenen Jahr sind die Courtageeinnahmen aus dem Biometrie-Geschäft bei rund 35 Prozent der Befragten gestiegen und nur bei 22 Prozent gesunken, beim Rest gleichgeblieben. Im langfristigen Vergleich entspricht das einem Rückgang beim Neugeschäftserfolg, allerdings darf man dabei die Corona-Pandemie nicht außer Acht lassen. Denn Berufsunfähigkeits-Versicherungen gehören mit zu den beratungsintensivsten Geschäften, die sich bislang jedenfalls nicht "mal eben" online verkaufen lassen. Vor diesem Hintergrund sind netto elf Prozent Vermittler mit gestiegenen Einnahmen überraschend positiv, auch wenn es im von Corona unbeeinflussten Vergleich von 2019 zu 2018 noch 31 Prozent netto waren.

Wege aus der Luxus-Sackgasse?

Besonders regelmäßig werden Selbstständigen Berufsunfähigkeits-Versicherungen vermittelt (97 Prozent der Befragten). Die Grundfähigkeitsversicherung bietet jeder zweite Befragte regelmäßig an. Mit nur jeweils knapp über 30 Prozent abgeschlagen sind die Dread Disease-Deckung und die Berufsunfähigkeits-Zusatzrentenversicherung.

Immerhin 63 Prozent der Befragten glauben, dass es auch in den kommenden drei Jahren einen positiven Trend beim Absatz von Berufsunfähigkeits-Versicherungen an Selbstständige gibt. Angesichts der Wahlkampfaussagen stellt sich die Frage, wie realistisch solche Einschätzungen sind.

Erwerbsunfähigkeitsrente nicht auf dem Schirm

Nach wie vor nicht im Fokus haben Makler die Erwerbsunfähigkeitsrente. Nur 17 Prozent vermitteln regelmäßig dieses Produkt, und auch nur 23 Prozent glauben, dass es hier künftig eher oder viel bessere Absatzerfolge geben wird. Das ist insofern erstaunlich, als die Erwerbsunfähigkeitsrente am ehesten der von der Politik geförderten, gesetzlichen Erwerbsminderungsrente ähnelt.

Vielleicht sollten sich Versicherungswirtschaft und Versicherungsvermittler einmal zusammensetzen und überlegen, wie sie im Geschäft mit der Einkommenssicherung dauerhaft eine starke Rolle behalten können. Nur allein als Luxusprodukt für wenige Begüterte mit vorzugswürdigen Berufen in "A++"-Einstufungen dürfte die Berufsunfähigkeits-Versicherung immer mehr zum reinen Nischenprodukt mit geringen Wachstumsaussichten entwickeln. Die Einkommenssicherung sollte die Branche jedoch als eine Kernkompetenz ansehen, die einer breiten Mehrheit der Bevölkerung zugänglich bleibt oder überhaupt gemacht wird.

Autor(en): Matthias Beenken

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