DIN-Norm 77230 soll endlich transparente Finanzplanung liefern

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34.102 Normen gab es Ende 2017. Ende dieses Jahres wird mindestens eine wichtige neue Norm hinzukommen: Die DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“. Jüngst wurde in Berlin und nun auch in Frankfurt der Norm-Entwurf DIN77230 für die Finanzdienstleistung veröffentlicht. Involviert bei der Entwicklung der neuen Norm sind das Deutsche Institut für Normung (DIN), das Institut für Finanznorm Defino und die Akademie für Finanzberatung AG Going Public.

Mit der DIN 77230 soll das große Rad gedreht werden, wobei „im Branchenkonsens ein objektivierbarer, reproduzierbarer und transparenter Analyseprozess entwickelt werden sollte, der im Kontext der Basis-Finanzanalyse eine ganzheitliche Betrachtung der finanziellen Situation von Privathaushalten ermöglichen soll“. Mit anderen Worten: Für Verbraucher, Versicherer und Vermittler soll mit diesem neuen Instrumentarium die Finanzberatung erleichtert und haftungssicherer gemacht werden.

Willkürliche Arbeitsweise soll der Vergangenheit angehören
Das Vertrauen in die Finanzdienstleistungsbranche, vor allem aber gegenüber Versicherern und Vermittlern ist ja bekanntlich nicht sonderlich groß. So stehen bei Rankings häufig Feuerwehrleute und Piloten in der Vertrauensskala ganz oben, Versicherungsvertreter belegen meist die untersten Ränge, gerade noch vor den Politikern. Matthias Kritzler-Picht, Projektleiter beim Deutschen Institut für Normung, und Dr. Klaus Möller, Defino-Geschäftsführer, haben hier einen wichtigen Grund ausgemacht: Die oftmals „willkürliche Arbeits- und Herangehensweise bei der Beratung der Kunden“. Und damit soll nun Schluss sein, wenn sich künftig Vermittler und Versicherer für die normierte Finanzanalyse entscheiden. Denn diese soll genaue Antworten liefern auf die folgenden drei Fragen: Welche Risiken und finanziellen Bedarfe hat der Verbraucher? Über welche Absicherungen und Vorsorgen verfügt er bereits? Und welche Lücken bestehen bei Ihm noch?

Gehen Kunde und Berater dann in die Details werden Themenfelder abgeklopft wie die Absicherung von Personenrisiken, Sach- und Vermögensrisiken, die Altersvorsorge und die Aufteilung des Vermögens. Doch bevor diese Aspekte erörtert werden, wird zuerst geschaut, ob bei dem Kunden die Gefahr einer Überschuldung besteht. Den Verbraucherschützern, die auch bei der Normentwicklung involviert waren, liegt dieses Thema besonders am Herzen und muss in ihren Auen als erstes geklärt werden, bevor der eigentliche Vorsorgecheck beginnt.

Genormte Blätter, Container und Beerdigungen
Normierung gibt es für die unterschiedlichsten Produkte. Eine der bekanntesten ist die DIN-A-Formate für Papier, aber auch Container sind unter der Nummer ISO 668 als genormtes Produkt auf den Weltmeeren unterwegs. Doch neben den Produkten sind auch immer mehr Dienstleistungen genormt, so sind sie in der Pflege zu finden oder können eine Beerdigung strukturieren.

Kommentierungen noch bis zum 8. August 2018 möglich
Am 7. Mai 2018 wurde der Normenentwurf für die DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte „im Konsens“ verabschiedet und am 8. Juni veröffentlicht. Laut den Gestaltern der Norm ist die Verabschiedung des Entwurfs „ein wichtiger Meilenstein“ für die baldige Veröffentlichung der DIN 77230. Diese Norm wird ihre Vorläufer, die DIN SPEC 77222:2014-04 und die DIN SPEC 77222/A1:2017-11, ersetzen. DIN 77230 wird nach Aussage der Normen-Macher „die erste in Deutschland entwickelte rein nationale Norm für die Finanzdienstleistung sein“. Die DIN SPEC haben einige Akteure aus der Versicherungswirtschaft bereits in ihrer Beratungspraxis umgesetzt, so die VPV Versicherungen, die Maklerpools Jung DMS & Cie und Netfonds sowie die Honorarberater Confee und Honorarfinanz.

Wer den Entwurf von DIN 77230 kommentieren will, kann dies noch bis zum 8. August 2018 tun, bis dahin läuft noch die Kommentierungs-Phase für den Norm-Entwurf. Jeder Bürger hat die Chance dies zu tun und zwar unter der Internet-Adresse www.din.de/de/mitwirken/entwuerfe.

Personenbezogene und prozessbezogene Normierung soll sich ergänzen
Das neue Norm-Protokoll ersetzt aber nicht das Beratungsprotokoll, es soll nur ein weiterer Baustein sein, der die Qualität der Beratung verbessern soll. Zudem ist das bisherige Beratungsprotokoll, das die Qualität des Beraters im Blick hat, eine „personenbezogenen Normierung“ und das neue Papier eine „prozessbezogene Normierung“. Skeptikern, die durch das neue Protokoll ein Zuviel an Papier und Information für den Kunden befürchten, halten die Norm-Entwickler entgegen, dass „die zentralen Aspekte der DIN-Analyse auf ein DIN-A-4-Blatt passen - und da ist sie schon wieder - die DIN-Norm.

Allianz und Zurich haben bei der Entwicklung mitgewirkt
Bei der Ausarbeitung der Norm haben 40 Unternehmen in einem Arbeitsausschuss mitgewirkt. Für die Banken unter anderem die Commerzbank, Deutsche Bank und VR-Bank und auf Seiten der Versicherer die Allianz und die Zurich. Mehr Namen waren bei der jüngsten Präsentation in Frankfurt von den DIN- und Defino-Machern nicht zu erfahren. Wahrscheinlich erst mit dem Start Ende 2018, wenn die ersten Beratungen nach der neuen DIN-Norm laufen, werden wohl weitere Akteure bekannt gegeben. Klar ist zum jetzigen Zeitpunkt aber, dass nur wenige genossenschaftliche Institute und keine Sparkassen an dem Entwicklungsprozess beteiligt waren.

Aber Matthias Kritzler-Picht und Klaus Möller sind fest davon überzeugt, dass die Sparkassen zu einem späteren Zeitpunkt das genormte Hilfsinstrument einsetzen werden. Ein Hauptgrund für das Nicht-Mitwirken der Sparkassen bei der Norm-Gestaltung ist nach Ansicht der Herren das Sparkassenfinanzkonzept, das sich wohl in vielen Punkten mit dem neuen Norm-Leitfaden deckt.

Dreieinhalb Jahre Entwicklungszeit und 42 relevante Finanzthemen
Viel Zeit hat die Entwicklung des neuen Leitfadens die involvierten Personen gekostet. 50 Sitzungstage – „ausführliche Sitzungen“ wie die Herren schmunzelnd betonen – in dreieinhalb Jahren. Doch das Resultat kann sich sehen lassen, jedenfalls was die Finanzthemen anbelangt, die die Beteiligten für die Bereiche „Absicherung“, „Vorsorge“ und „Vermögensplanung“ definiert haben, die bei einem typisierten Privathaushalt berücksichtigt werden könnten. Das sind genau 42. Von den Kostenrisiken Krankheit und Pflegebedürftigkeit über Haftungsrisiken beim Haus- und Grundbesitz bis zur Altersvorsorge oder dem Arbeitskraftverlust durch Erwerbsunfähigkeit.

Das Vertrauen der Verbraucher nicht aufs Spiel setzen
Klaus Möller ist sich aber bewusst, dass der Einsatz der neuen Norm nicht alle Probleme und Missstände in der Branche lösen wird und warnte bereits vor geraumer Zeit im „Bankmagazin“: „Nun sind alle Marktteilnehmer, die sich mit der DIN Norm 77230 schmücken wollen, zum sorgsamen Umgang aufgefordert. Viel Vertrauen steht auf dem Spiel.“

2019 wird zeigen, ob seine Befürchtungen, dass einige Anwender es mit den Vorgaben nicht ganz so genau nehmen könnten, berechtigt waren oder demnächst Versicherungsvertreter den Piloten im Ranking den oberen Listenplatz streitig machen.

Weitere Details zu der neuen DIN-Norm, ihren Möglichkeiten und Grenzen liefert Ihnen die September-Ausgabe von Versicherungsmagazin.

 

Autor(en): Meris Neininger

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