Estland: Schöne neue Welt?

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In Estland wird Digitalisierung längst gelebt. Denn nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion musste das baltische Land als unabhängiger Staat bei Null beginnen. Problem: Es gab zu wenig Menschen, um eine funktionierende Bürokratie aus dem Stand aufzubauen. Da auch nicht viel Geld vorhanden war, setzte man ganz auf Digitalisierung. Kein Wunder, dass aus dem Grund Canada Life eine Pressereise nach Estland organisierte.

Estland gilt als einer der erfolgreichsten und komplett digitalisierten Staaten in Europa. Gewählt wird dort in der Regel via Internet. Das Internet gilt in Estland als soziales Grundrecht in der estnischen Verfassung. Als nördlichster der drei baltischen Staaten grenzt Estland im Süden an Lettland, im Osten an Russland und sonst an die Ostsee. Der seit 1991 unabhängige Staat ist Mitglied der Vereinten Nationen, seit 2004 der EU. Estland ist zudem Mitglied des Europarats, der NATO sowie der OSZE, seit 2010 der OECD und seit 2011 der Eurozone. Das Land hat gut 1,3 Millionen Einwohner, in der Hauptstadt Tallinn leben etwa 400.000 Menschen.  

Digitalisierung wird gelebt

Alle Bewohner Estlands haben Zugriff auf eine elektronische ID-Card, erläuterte Florian Marcus, ein Deutscher, der in dem baltischen Land lebt, und den aus Deutschland angereisten Journalisten das Leben dort erklärte. 99 Prozent der staatlichen Dienstleistungen seien online verfügbar, es gebe eine 99-prozentige Abdeckung mit 4-G-Internet. Im ganzen Land gibt es WLAN-Zugangspunkte zum Internet, mit denen die bewohnten Flächen abgedeckt werden. Eine digitale Unterschrift gilt als rechtsverbindlich. Auch bietet Estland seit Ende Januar 2015 Bürgern vieler Staaten eine so genannte E-Residency an. Die E-Residenten werden allerdings keine Bürger oder Bewohner Estlands und erhalten dadurch auch keine Aufenthaltserlaubnis, EU-Visa oder das Recht zu wählen, sondern lediglich eine digitale Identität. Diese ermöglicht unter anderem neben der Erstellung von digitalen Signaturen das Verschlüsseln von Dokumenten oder der Einreichung einer Steuererklärung. Übrigens dauert die (elektronische)  Gründung eines Unternehmens in Estland weniger als eine halbe Stunde. Verträge werden in aller Regel online abgeschlossen.

Datenschutz und Privatsphäre

Wer glaubt, dass persönliche Daten in Estland auf der Strecke bleiben, der irrt. So schützt der Staat seine Bürger beispielsweise nach dem „Once-Only-Prinzip“. Das besagt, dass nur bestimmte Behörden nach bestimmten Daten fragen dürfen. So darf nur zum Beispiel das Einwohnermeldeamt nach der Adresse der Bürger fragen. Der Bürger erfährt genau, wer wann welche Daten über ihn abgefragt hat. Ausnahmen sind Geheimdienst und in manchen Fällen die Polizei, wenn Fluchtgefahr gegeben ist. Die schöne neue digitale Welt wird in Estland gelebt, die Vorteile überwiegen bei weitem mögliche Schattenseiten.

Autor(en): Bernhard Rudolf

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