GDV-Positionen zu Unisex, Verbraucherschutz und Incentive-Reisen

Mit Forderungen zur allgemeinen Wirtschaftpolitik, Versicherungsaufsicht, Verbraucherschutz sowie der Risikoentwicklung beim Klima und Datenschutz hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) einen umfangreichen "Positionen"-Katalog für 2011 vorgelegt. Aktuelle Themen, wie die Verpflichtung künftig nur noch Unisex-Tarife anzubieten, die der Europäischen Gerichtshof (EUGH) den Versicherern am 1. März auferlegte, wurden eingearbeitet.

Eine klare Position zum Skandal um eine Sex-Incentivereise von Vertriebsmitarbeiter der zur Ergo-Gruppe gehörenden HMI fehlt hingegen. „Die aktuelle "Positionen"-Broschüre befasst sich mit fachlich-politischen Fragen rund um die Versicherungswirtschaft“ begründet GDV-Sprecherin Ulrike Pott das Defizit. Außerdem sei die Broschüre bereits gedruckt gewesen als der HMI-Vorfall bekannt wurde.
Aus Sicht des GDV sei es völlig indiskutabel und nicht tolerabel, was bei der HMI-Incentivreise nach Budapest 2007 vorgefallen ist. Die Durchführung von Incentive-Reisen liege zwar in der ureigenen Zuständigkeit der Unternehmen. „Die Vorkommnisse in Budapest sind aber mit keinem der uns bekannten Kodizes - einschließlich dem der Ergo – vereinbar“, sagte Pott.

Berufliche und private Anlässe dürfen nicht vermischt werden
So gilt beispielsweise für Verbandsmitglieder nach dem GDV-Compliance-Leitfaden: „Einladungen zu Geschäftsessen dürfen grundsätzlich angenommen werden, soweit sie den Rahmen der Sozialadäquanz nicht übersteigen. Einladungen zu Veranstaltungen ohne dienstlichen Charakter oder Fachbezug (reine Unterhaltungsveranstaltungen wie Konzert-, Theater-, Sport- und Abendveranstaltungen) dürfen grundsätzlich nicht angenommen werden. Berufliche und private Anlässe dürfen nicht vermischt werden.“ Grundsätzlich, so der GDV, müssten aber die Unternehmen die Einhaltung Ihrer Kodizes durchzusetzen.

Keine Offenlegung von Provisionen
Beim Verkauf von Versicherungen lehnt der GDV eine Offenlegung der Provisionen, wie sie von Verbraucherschützer und aus der EU-Kommission gefordert wird, weiterhin ab. „Anstelle einer Offenlegung der Provision wäre es nach deutschem Vorbild besser, den tatsächlichen Preis und die Leistung eines Produktes transparent zu machen. Nur dies schafft eine echte Vergleichsmöglichkeit für den Kunden“, argumentiert der Branchenverband und verweist auf eine unverbindliche Empfehlung an die Mitglieder für Altersvorsorgeprodukte eine so genannte Reduction-In-Yield-Kennziffer einzuführen, mit der Kunden die gesamte Kostenbelastung seines Vertrages erkennen könne.
Zudem erlaube die Kennzahl nicht nur eine transparente Preis-Leistungsdarstellung von Vorsorgepolicen untereinander, sondern zudem einen Vergleich mit den Finanzprodukten anderer Anbieter wie Fonds und Banken.

Onlinebetrieb nicht erschweren
Interessant ist, dass der Branchenverband für den Online und Direktvertrieb höhere Auflagen, wie sie die geplante EU-Vermittlerrichtline IMD2 fordert, ablehnt. Demgegenüber beklagen einzelne GDV-Mitglieder die wachsende Macht so genannter Online-Broker, die über Vergleichsprogramme Versicherungen verkaufen. Widerstand gegen das Unisex-Urteil des EUGH will die Branche hingegen nicht mehr leisten. „Die Versicherungswirtschaft wird ab dem 21. Dezember 2012 geschlechtsneutral kalkulierte Verträge anbieten“, schreibt der GDV.
Für die Krankenvollversicherung fordert der Verband die rechtliche Möglichkeit, bestehende Verträge ebenfalls anzupassen, um Mitnahmeeffekte vor allem durch schon versicherte Frauen, die sonst in den neuen günstigen Uni-Sex-Tarif umsteigen würden, zu vermeiden.

Vorsorge mehr fördern
Für die Kapitallebensversicherung, die heute in der Regel als Renten-Police mit Kapitalwahlrecht verkauft wird, fordert der Verband wieder eine verstärkte steuerliche Förderung. So sollen bei einer Kapitalauszahlung die halben Erträge nur noch mit 25 Prozent pauschal versteuert werden. Bisher ist die Hälfte der Erträge steuerfrei, wenn der Vertrag mindestens zwölf Jahre läuft und der Versicherte bei Auszahlung über 60 Jahre alt ist.

Die andere Hälfte muss mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden. Starre Höchstgrenzen sollen bei der geförderten Altersvorsorge entfallen und einer Dynamisierung Platz schaffen. Für Riester-Renten möchte die Vorsorgelobby, dass die Kunden künftig bis mindestens vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der gesetzlichen Rentenversicherung einzahlen dürfen; Bei Rürup-Renten soll es 35 Prozent der BBG werden und in der betrieblichen Altersversorgung soll ein einheitlicher steuer- und sozialabgabenfreier Dotierungsrahmen von zumindest sieben Prozent der BBG gelten.

Vorhaben: Selbstständige in Riester-Förderung einbeziehen
Demgegenüber wehrt sich die Branche, dass sie obligatorisch eine Erwerbsminderungsrente ohne Gesundheitsprüfung anbieten soll und fordert, das künftig innerhalb der Rürup-Rente eine Berufsunfähigkeits- als auch eine Erwerbsminderungsvorsorge eingebaut werden darf, für die man die gleichen Beiträge zahlt wie für den Hauptvertrag. Derzeit liegt die Grenze noch bei 50 Prozent der Beiträge. Zudem sollen Selbstständige in die Riester-Förderung mit einbezogen werden.

Staatliche Kampagne statt Pflicht-Police
Abgelehnt wird eine Pflichtversicherung gegen Überschwemmung und Starkregen, wie sie von Verbraucherschützern gefordert wird. Die Branche fordert hingegen eine bundesweite Kampagne, die den Immobilienbesitzer in Deutschland klar macht, dass sie im Ernstfall keine Hilfe vom Staat bekommen und sich daher besser privat absichern sollten. Eine ähnliche Aktion in Bayern sei erfolgreich gewesen und habe die Versicherungsdichte beim erweiterten Elementarschutz deutlich erhöht. Der GDV und seine Mitglieder setzen auf den neuen, digitalen Personalausweis und eine sichere E-Mail-Kommunikation (De-Mai). Hierfür müsse ein verlässlicher Rechtsrahmen geschaffen werden. „Der Autofahrer etwa, der zukünftig mit dem neuen Personalausweis eine Kfz-Zulassung online durchführt, sollte zu Recht davon ausgehen können, auf elektronischem Weg zukünftig auch den für die Zulassung erforderlichen Versicherungsschutz zu erhalten“, fordert der GDV.

Angst der Versicherer: E-Call schadet dem fairen Wettbewerb
Bei Wechselkennzeichen soll die Politik auf die Praxistauglichkeit achten. So müssten Wechselkennzeichen unbedingt aus zwei Teilen bestehen, damit über das individuelle Rumpf-Teil das Fahrzeug sicher identifiziert werden kann. Während die Versicherer selbst – etwa über Kasko-Tarife mit Werkstattbindung – massive Schadensteuerung betreiben, fürchten sie nun, dass mit dem System E-Call der „faire“ Wettbewerb baden geht. Der Verbraucher müsse die Möglichkeit haben, selbst zu bestimmen, ob und mit wem sein Auto kommuniziert: Mit dem Hersteller, seinem Versicherer, seinem Automobilclub oder mit einer freien Werkstatt.

Große Furcht herrscht scheinbar bei den Versicherern davor, dass die Hersteller das E-Call-System dominieren und somit Autos nach einem Unfall immer in die eigenen Werkstätten losten. Seit längerer Zeit gibt es zwischen Versicherern, die frei am Markt anbieten (z. B. HUK-Coburg), und Versicherern, die per Kooperation über Autohersteller Policen verkaufen (z. B. Allianz), einen scharfen Konkurrenzkampf.

Bild: GDV




Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

Alle Branche News