Große Krisen lassen Probleme mit Versicherern schrumpfen

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Das klingt doch gut: 2022 waren die Beschwerdezahlen insgesamt rückläufig.  Das meldet heute der Ombudsmann für Versicherungen. Die Gesamtzahl der Eingänge belief sich auf 15.907, während es im Jahr 2021 noch 18.344 waren.

Der Ombudsmann Wilhelm Schluckebier (siehe Foto) und Constantin Graf von Rex, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle, präsentierten heute in Berlin ihren Jahresbericht.

Einige wichtige Auszüge aus dem Papier: In den Sparten Lebensversicherung und Rechtsschutz waren deutlich weniger Schlichtungsanträge zu verzeichnen. In einigen Sparten kam es allerdings zu einem kleinen Plus an Beschwerden, so in der Kfz-Kaskoversicherung und bei den sonstigen Versicherungen. Dieser Trend zu rückläufigen Beschwerdezahlen war 2022 in ähnlicher Weise auch bei anderen Verbraucherschlichtungsstellen festzustellen. Die Gründe dafür lassen sich nicht verlässlich feststellen, so der Tenor der Ombudsstelle.

Keine Beschwerden von spezialisierten Anwaltskanzleien wie 2021

Allerdings falle auf, dass es im Berichtsjahr keine zahlenstarken Sondereffekte gebe, wie das etwa mit jeweils mehreren hundert Beschwerden im Vorjahr der Fall gewesen sei. Damals gingen zu den Widerspruchsfällen in der Lebensversicherung vor dem Jahreswechsel in großer Zahl Beschwerden ein, die von spezialisierten Anwaltskanzleien auch mit dem Zweck der so genannten Verjährungshemmung eingelegt worden waren.

In der Gebäude- und Hausratversicherung resultierte im Vorjahr aus einer konfliktreiche Umdeckungsaktion durch ein Vermittlerunternehmen eine Vielzahl von Schlichtungsanträgen (vgl. Jahresbericht 2021, Kapitel 2.3 und 2.6). In der Rechtsschutzversicherung hätte sich im Berichtsjahr abgezeichnet, dass die Folgen der „Dieselaffäre“ wohl weitgehend abgearbeitet sind.

Darüber hinaus lasse sich mit Blick auf andere Schlichtungsstellen vermuten, dass die durch die Corona-Pandemie bedingten, noch nachwirkenden Restriktionen, der Krieg in der Ukraine mit seinen Konsequenzen auch für Deutschland sowie die Teuerung für die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger schwerer wögen als individuelle Probleme mit einem Versicherer.

Versicherer sind bereit, Anregungen des Ombudsmanns zu prüfen

Auch im Berichtsjahr sei erfreulicherweise zu beobachten, dass die Versicherer bereit seien, Anregungen des Ombudsmanns zu prüfen und im Zweifel eine schnelle Einigung im Schlichtungsverfahren einer etwaigen gerichtlichen Auseinandersetzung vorzuziehen. Dabei kämen wohl auch wirtschaftliche Überlegungen zum Tragen. Daher überrasche es nicht, dass diese Bereitschaft bei niedrigeren Beschwerdewerten ausgeprägter sei.

Aber auch das Interesse an der Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden sei deutlich spürbar. Ähnlich hätten die Beschwerdeführer häufig ausdrücklich ihr Interesse geäußert, sich gütlich zu verständigen. Außerdem scheine es eine allgemeine Tendenz zu geben, Konflikte mit einfachen Mitteln aus dem Weg zu räumen und sich nicht auf eine lang anhaltende gerichtliche Auseinandersetzung einzulassen.

Beschwerden gegen Vermittlerinnen und Vermittler

Im Berichtsjahr erreichten den Ombudsmann insgesamt 444 Beschwerden gegenüber Vermittlerinnen und Vermittlern, die zu prüfen waren.  Im Vorjahr waren dies noch 677 Beschwerden. Im Vergleich zum vergangenen Berichtszeitraum ist das Beschwerdeaufkommen zurückgegangen. Jedoch beruhte das hohe Aufkommen im Vorjahr auf den zuvor schon beschriebenen Sondereffekt der Umdeckungsaktion eines Assekuradeurs. Dieses Thema beschäftigte den Ombudsmann auch noch 2022, war jedoch nicht mehr so prominent wie im Jahr zuvor.

Bis auf einzelne Abhilfen durch die beteiligten Unternehmen konnte in den allermeisten Fällen war keine Klärung möglich, sodass die Parteien zwar eine rechtliche Einschätzung erhielten, aufgrund der komplexen Fragen jedoch auf den Rechtsweg verwiesen werden musste. Zulässig waren von den eingegangenen Beschwerden 327, das sind 73,6 Prozent. Im Vorjahr lag dieser Wert bei 81 Prozent.

Als unzulässig mussten Beschwerden gegen Vermittler überwiegend dann zurückgewiesen werden, wenn kein Zusammenhang mit der Vermittlung eines Versicherungsvertrages bestand.  Das war in 64 Prozent der unzulässig beendeten Vermittlerbeschwerden der Fall.

Ein weiterer größerer Anteil bei den unzulässigen Beschwerden betraf die fehlende Anspruchsanmeldung beim Vermittler (29 Prozent). Dieser sollte zunächst über den Anspruch informiert werden und die Gelegenheit haben, diesen zu prüfen. Andere unzulässige Beschwerden betrafen die private Kranken- und Pflegeversicherung (drei Prozent), für die ein eigener Ombudsmann zuständig ist.

Und was sagt der BVK zu dem Bericht?

Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) freut sich über die erfreulich niedrigen Beschwerdezahlen. „Bei diesen Zahlen im Nanobereich wirkt die von der EU ausgehende Infragestellung unseres Provisionssystems absurder denn je“, kommentiert BVK-Präsident Michael H. Heinz den Bericht. Er fügt hinzu: „Denn die objektive Statistik dokumentiert eindeutig, dass die Qualität der Beratung nicht von der Form der Vergütung abhängig ist.“

Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) hat mit dem Versicherungsombudsmann Schluckebier ein Interview zu dem aktuellen Bericht geführt. Hier ein kurzer Auszug:

2021 hatten Sie lediglich 91 Beschwerden im Zusammenhang mit der Juli-Flut 2021 verzeichnet – bei mehr als 200.000 Schadensmeldungen. Abschließend bewerten wollten Sie das Regulierungsverhalten der Versicherer damals aber noch nicht. Wie beurteilen Sie das heute?
Der positive Eindruck hat sich bestätigt. Wir hatten in den vergangenen zwei Jahren über alle Sparten hinweg nur etwa 150 Beschwerden, die wir der Starkregenkatastrophe zuordnen können. Das ist erstaunlich wenig. Auch die Erfolgsquote liegt im üblichen Bereich und fällt nicht aus dem Rahmen. Selbst wenn einige Großschäden noch nicht abschließend reguliert worden sind, weil beispielsweise Material oder Handwerker fehlen, verfestigt sich das Bild, dass die Schadenregulierung im Großen und Ganzen sehr effektiv war.

Der Wie lange dauert ein Verfahren eigentlich im Schnitt?
Durchschnittlich dauert es 70 Tage, bis die zulässigen Beschwerden abgearbeitet sind. Wir messen bei uns die Zeit vom Eingang der Beschwerde bis zum Abschluss des Verfahrens. Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz fordert eine Einhaltung einer 90-Tage-Frist. Diese beginnt allerdings nach dem Gesetz erst, wenn alle erforderlichen Unterlagen für die Bearbeitung vorliegen. Unser Maßstab ist also strenger. So gesehen liegen wir mit unseren Zahlen vorbildhaft an der Spitze der Verfahrensdauern aller Schlichtungsstellen. 

Es fällt auf, dass die Verfahrensdauer über die vergangenen Jahre immer kürzer geworden ist. 
Ja, so schnell wie heute waren wir in der Vergangenheit nicht. Das hat mehrere Ursachen: Es hat mit der Prozessoptimierung bei uns in der Schlichtungsstelle zu tun. Es ist aber auch der effektiveren Zusammenarbeit mit den Mitgliedsunternehmen zu verdanken. Und nicht zuletzt liegt es an der hohen Bereitschaft der Mitgliedsunternehmen, bei berechtigten Beanstandungen den Kunden auch entgegenzukommen.

Quellen: BVK, GDV, Ombudsmann für Versicherungen

 

Autor(en): Meris Neininger

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