Großraumbüros sind größte Produktivitätskiller

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Hipp, bunt, offen: Das Großraumbüro soll den Austausch und die Zusammenarbeit fördern. Pustekuchen. Wie eine Übersichtsstudie zeigt, führen moderne Bürokonzepte zu erheblichen Leistungseinbußen.

Der eine telefoniert, der andere schwatzt mit Kollegen und die Schallisolierung lässt auch zu wünschen übrig: Wer in der Welt der modernen Bürokonzepte im Großraum mit zig Beschäftigten überleben will, braucht offenbar gute Ohrstöpsel, einen Noise-Cancelling-Köpfhörer oder einen Entspannungstrainer. 

Was nach bösem Sarkasmus klingt, ist bittere Realität, belegt eine Untersuchung von Marcel Hülsbeck, Inhaber der Bayerischen Spitzenprofessur für Familienunternehmen an der Hochschule München und Andrea Gerlitz, Doktorandin an der Universität Witten/Herdecke, die in der Zeitschrift "Management Review Quarterly" erschienen ist.

Studie untersucht drei verschiedene Bürokonzepte

Demnach schneidet das Großraumbüro "bei den individuellen und organisatorischen Leistungen von Wissensarbeitenden am schlechtesten ab", heißt es in der Zusammenfassung der Studienergebnisse. Dazu führten die Forschenden eine systematische Literaturrecherche durch, um die unterschiedlichen Bürokonzepte in Hinblick auf Performance, Zufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten auf den Prüfstand zu stellen. 

Mehr als 400 englischsprachige empirische Studien aus den Jahren 2005 bis 2022 dienten dazu als Basis. Untersuchungsgegenstand waren abgeschlossene Einzel- und Gemeinschaftsbüros für ein bis drei Personen mit Besprechungsräumen, offene Großraumbüros mit vielen Arbeitsplätzen sowie tätigkeitsbezogenes oder flexibles Arbeiten im offenen Großraumbüro ohne feste Sitzordnung.

Großraumbüros machen unproduktiv und unzufrieden

Die Ergebnisse sind für die schöne neue Arbeitswelt, Schlagwort New Work, mit unterschiedlichen Work Stations, Focus-Räumen und Relax-Kabinen oder schallisolierten Telefonzellen niederschmetternd. Denn Einzel- und kleine Gemeinschaftsbüros sind die produktivste Umgebung für Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter. Großraumbüros hingegen sind der Performance am wenigsten zuträglich. 

Umgebungslärm sorgt für Leistungseinbußen

Großraumbüros haben häufig Kosteneinsparungen zum Ziel, führen die Wissenschaftler weiter aus. Dummerweise gingen die niedrigeren Immobilienkosten aber mit Leistungseinbußen einher, da der Umgebungslärm in der Regel das empfohlene Maximum von 48 Dezibel übersteigt. "Die aktuelle Umsetzungspolitik von Bürokonzepten vernachlässigt die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter und führt zu einem Gefühl der Entmenschlichung", urteilen Hülbeck und Gerlitz daher in ihrer Zusammenfassung. 

Neue Bürokonzepte sollten daher die Anforderungen unterschiedlicher Persönlichkeitstypen berücksichtigen, etwa in Hinblick auf den Ruhebedarf. "Bieten Sie für jeden Bürostandort eine geeignete Mischung von Bereichen basierend auf Arbeitsaufgaben und Persönlichkeiten an", empfehlen die Springer-Experten. 

Auch den Schallschutz sollten Unternehmen keinesfalls vernachlässigen und darauf achten, dass der Lärmpegel nicht Werte von 48 dB(A) überschreitet. Zudem bevorzugen Arbeitnehmer die Kontrolle über ihren Arbeitsplatz. "Unternehmensrichtlinien sollten es den Mitarbeitern ermöglichen, ihren Arbeitsplatz zu personalisieren", raten Hülbeck und Gerlitz weiter. 

Das Einzelbüro hat nicht ausgedient

Und sie warnen davor, das einzelne Büro als altmodisch abzutun, denn es habe klare Vorzüge wie etwa die größte Kontrolle für die Mitarbeitenden über ihre Büroumgebung, einschließlich Licht, Lärm, Interaktion und Ästhetik. Organisationen sollten daher sorgfältig prüfen, welches Bürokonzept am besten zu den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter passt, um eine menschenzentrierte Kultur zu fördern und die Mitarbeiterbindung zu erhöhen. 

Last but least sind interdisziplinäre Teams nötig, um das Thema vorantreiben. Dazu zählen die Experten neben dem Management, den Architekten sowie Beschäftigte auch Psychologen, die das körperliche und geistige Wohlbefinden sowie die Motivation der Belegschaft im Augen haben. 

Autor(en): Andrea Amerland

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