Hohe SB bei D&O-Policen versicherbar?

Überproportional wächst seit einigen Jahren in Deutschland das Geschäft mit Manager-Haftpflichtversicherungen - nach den englischen Begriffen Directors and Officers auch D&O genannt. Zwar ist das Gesamtvolumen im Vergleich zur Haftpflicht- und Schadenversicherung noch überschaubar. Aber Hermann Jörissen, Vorstand der Allianz-Industrieversicherungstochter AGCS erwartet, dass sich die Beiträge von derzeit rund 100 Millionen Euro innerhalb von fünf Jahren verdreifachen könnten.

Allianz wie auch alle anderen rund 25 Gesellschaften, die D&O-Versicherungen anbieten, arbeiten aktuell fieberhaft daran, passenden und bezahlbaren Schutz für die Vorstände der rund 14.000 Aktiengesellschaften (AG) zu schaffen. Im August 2009 trat das "Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütungen“"(VorstAG) in Kraft. Es bestimmt in Sachen Managerhaftung: Tritt ein Schaden auf, muss der verantwortliche Vorstand künftig einen Selbstbehalt (SB) tragen - und zwar mindestens zehn Prozent des Schadens bis zum Eineinhalbfachen seines Jahres-Festgehalts. Mit nach einer Übergangsfrist bis Mitte 2010 müssen auch alle D&O-Bestandsverträge auf das neue Recht umgestellt werden.

Glaubenskrieg der Anbieter
Da das Gesetz mit heißer Nadel gestrickt wurde, herrschte lange Unsicherheit, ob der Pflicht-SB des Vorstandes über die D&O der AG hinaus selbst versichert werden darf. Nachdem das Bundesjustizministerium dazu keinen Widerspruch erhob, begannen die Versicherer, das Risiko zu kalkulieren. "Dabei ist ein echter Glaubenskrieg zwischen den Anbietern ausgebrochen", sagt Rainer Hoff, Leiter Vermögensschäden der Victoria. Einige Unternehmen wollen den SB über die Versicherungssumme der herkömmlichen D&O-Police anrechnen, andere ein Vorleistungsmodell installieren. Das Anrechnungsmodell (auch Anschlussmodell genannt) hält unter anderem die Victoria für unzureichend. Hintergrund: Dort wären im Schadenfall zunächst die SB-Versicherungen der Vorstände am Zuge. Auf diese Weise addieren sich deren Kapazitäten zu denen der D&O-Police der AG hinzu.

Dagegen favorisiert neben der Victoria auch die Allianz das Vorleistungsmodell. Hier befriedigt die D&O-Versicherung der AG zunächst vollständig den Schaden. Anschließend nimmt sie die betroffenen Vorstände und deren D&O-Versicherung in Höhe der vorgegebenen SB in Regress. So wird selbst dann vorgeleistet, wenn der vom Vorstand gar nicht individuell versichert war. Das Regress-Risiko trage der D&O-Versicherer. Außerdem reguliert der Versicherer die Innenansprüche weiterhin zu 100 Prozent aus einer Hand. Die beiden Modelle unterscheiden sich naturgemäß auch im absehbaren Preis: Bei einer Million Euro Deckungssumme werden im Vorleistungsmodell für die SB-Versicherung eines Vorstands je nach Risikoeinschätzung etwa 10.000 bis 30.000 Euro Jahresbeitrag fällig, ist von der Allianz zu hören. Beim Anschlussmodell seien davon bis zu zwei Drittel Preisabschlag möglich.

Führt der Selbstbehalt zu verändertem Verhalten?
Doch ändert ein Vorstandsmitglied sein Verhalten, wenn es sich nicht durch eine umfassende D&O-Versicherung abgesichert fühlt? Diese Annahme deckt sich nicht mit den bisherigen Erfahrungen der Versicherungswirtschaft. So werden solche Policen schon mit und ohne SB angeboten, ohne dass das Risiko bisher unterschiedlich bewertet würde. Die Beitragshöhe bestimmt sich zwar über die Versicherungssumme, die Tatsache jedoch, ob ein SB vereinbart wurde oder nicht, hat bisher keinerlei Einfluss.

Da Unternehmen in DAX-Größenordnungen weitgehend mit D&O-Policen versorgt sind, ist die Assekuranz auch auf der Suche nach neuen Zielgruppen. Hier hat die Allianz auch wegen des möglichen privaten finanziellen Desasters die Manager von mittelständischen Unternehmen sowie von Genossenschaften, Stiftungen oder größeren Vereinen im Visier. Die Marktdurchdringung liege unter 50 Prozent, meint Michael Krause, Leiter Firmen-Haftpflicht/Vermögenshaftpflicht der Allianz.

Autor(en): Detlef Pohl, Versicherungsmagazin.de

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