"Honorarberater werden dem Vermittler gleichgestellt"

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Die Beratung gegen Honorar ist immer noch ein Nischengeschäft. Eine Vertreterin dieser Sparte ist die Versicherungsberaterin Eva-Maria Schulze aus Menden (www.ems-finanzgefaehrte.de). Im Versicherungsmagazin-Interview schildert sie ihr Geschäftsmodell, und wie sich die Nachfrage verändern könnte.

Frau Schulze, Sie sind eine von nur knapp über 300 zugelassenen Versicherungsberatern in Deutschland. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass sich nur so wenige für das Honorar- und gegen das Provisions-Modell entscheiden?
Eva-Maria Schulze: Ich muss sagen, dass sich das Honorar-Modell noch nicht verankert hat. Weder bei aktiven Beratern noch bei Verbrauchern. Meiner Meinung nach werden Honorarberater dem Vermittler gleichgestellt. Das zeigen mir auch die Kontaktaufnahmen der Versicherungs- und Finanz-Anbieter, die mich als Kooperationspartner gewinnen und vergüten möchten, mit der Bitte, Versicherungs- und Finanzprodukte aus deren Hause meinen Kunden anzubieten.

Sie bezeichnen sich selbst als "Finanzgefährtin". Was kann man sich darunter genau vorstellen?
Eva-Maria Schulze: Die digitale Transformation und der Schritt, die Bankfilialen zu automatisieren, zeigen, dass sich die Art und Weise, die Finanzen in Zukunft zu managen, verändert. Netzwerke, technikorientiert, selbstbestimmt, virtuell und werbungsbehaftet – das sind nur einige Stichpunkte. Daraus ergeben sich Chancen, aber auch Risiken und neue Herausforderungen für jedermann. Somit habe ich mich für die Bezeichnung "Finanzgefährtin" entschieden. Damit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich mit Fachwissen diesen Wandel begleite; sei es in einer neuen oder schwierigen Phase, aus gesundheitlichen Gründen oder beim Hineinleben in die (digitale) Finanzwelt.

Welche Zielgruppen, welche Art Kunden sprechen Sie an?
Eva-Maria Schulze: Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Finanzen sind ein täglicher Bestandteil unseres Lebensinhaltes, und doch fällt eine Beschäftigung mit ihnen vielen schwer. Solange es keine gravierenden Einschnitte oder Hindernisse gibt, es den Anschein macht, dass alles in Ordnung zu sein scheint, möchte oftmals niemand handeln. Mit meiner offenen Haltung möchte ich Alle ansprechen und ermuntern, sich intensiv mit den Finanzen zu beschäftigen. Dafür bedarf es eines Gesamtblicks auf das finanzielle Umfeld mit Abkehr von traditionellem Produktverkauf beziehungsweise Angebotsunterbreitung. Vielmehr sollte Unterstützung in einer neuen oder schwierigen Phase, Betreuung und nicht zuletzt Begleitung auf Zuruf geboten werden.

Das heißt, wenn ich eine billige Kfz-Versicherung suche, bin ich wahrscheinlich bei Ihnen nicht an der richtigen Adresse?
Eva-Maria Schulze: Eine günstigere Versicherung zu finden gehört auch zu meinem Aufgabenfeld. Liegt jedoch nicht im Fokus meiner Dienstleistung, sondern ergibt sich im Zusammenhang der Kostensparansätze.

 "Pleiten, Pech, Pannen" sind ein Thema, das Sie auf Ihrer Homepage nennen. Welche Pleiten haben Sie schon auffangen können?
Eva-Maria Schulze: Finanzen sind nichts, was durch Zufall passiert - sie müssen gestaltet werden. Diese Bedeutung hat in meiner langjährigen Beratung an Gewicht gewonnen: Kürzlich habe ich einen Kunden bei der Planung seiner Anschlussfinanzierung begleitet. Hier existierte ein Bausparvertrag von 1995. Dieser dümpelte vor sich hin und war ganz in Vergessenheit geraten. Ich entdeckte diesen Vertrag bei meiner Recherche. Nun ging es darum, die optimale Anschlussfinanzierung zu gestalten und zu finden. Der Kunde ging mit den von mir ausgearbeiteten Informationen zu seiner Institution und erhielt das Angebot, den Bausparvertrag zu kündigen, einen aktuellen Tarif neu abzuschließen und diesen bis zur Zuteilung zu finanzieren. Aufgrund meines Konzeptentwurfs kamen mein Kunde und ich aber zu folgendem Ergebnis: Den vorhandenen Bausparvertrag mit einer kleinen Sonderzahlung auf die Hälfte aufzufüllen und in die Zuteilung zu bringen. Das hatte die Vorteile, dass die Abschlussgebühr erstattet wurde, die Wohnungsbauprämien erhalten blieben und mein Kunde aufgrund des Darlehensverzichts, weil die Darlehenszinsen sehr hoch waren, einen taggenauen Guthabenbonus rückwirkend auf die gesamte Laufzeit erhielt.

Sie sind ausgebildete Bankkauffrau und in diesem Beruf lange tätig gewesen. Wahrscheinlich gibt es aber durchaus Themen, bei denen Sie fachlich nicht mehr helfen können - wie gehen Sie damit um?
Eva-Maria Schulze:
 Es gibt immer Themen, die nicht in mein Kerngebiet fallen. Hier bemühe ich mich um fachlich neutrale Kontakte zu beispielsweise Steuerberatern, Rechtsanwälten oder auch Honorarberatern für Vermögensaufbau.

Sie geben an, dass Sie ein Stundenhonorar von 50 Euro - ich vermute einschließlich Mehrwertsteuer? – berechnen. Sonst werden eher Stundensätze von um die 150 Euro als normal genannt. Sind Ihre Sätze auskömmlich?
Eva-Maria Schulze: Zunächst einmal führe ich mein Erstgespräch kostenfrei. Aus diesem Zusammentreffen ergibt sich ein Mehr- und eventuell auch Spezial-Bedarf. Daraus ermittele ich den gesamten Aufwand und bespreche mit meinem Kunden eine angemessene Vergütung – pauschal oder per Stundensatz.

Haben Sie Pläne, Ihr Geschäftsmodell weiterzuentwickeln, und in welche Richtung?
Eva-Maria Schulze: Auf jeden Fall. Sicherlich war mein Wechsel von der unternehmensgeführten Finanzberatung in die freie Wirtschaft ein mutiger Schritt, und den werde ich immer mit Offenheit weiter führen. Aktuell nehme ich im Netzwerk Demenz an einer zertifizierten Schulung teil, um den Menschen mit Gedächtnisschwächen, einschließlich deren Angehörigen, in der Finanzwelt hilfreich und verlässlich zur Seite stehen zu können.

Erwarten Sie in naher Zukunft ein Umdenken der Kunden in Sachen Unabhängigkeit ihres Beraters von Vergütungen der Versicherer und Banken, oder was müsste geschehen?
 Eva-Maria Schulze: Das Thema Unabhängigkeit in der Finanzwelt ist angekommen. Verbraucher nutzen bereits Plattformen und Apps. Sie haben dementsprechend die Möglichkeiten, selbstbestimmt zu agieren. Allerdings ist auch hier Fachwissen zum Erkennen der Zusammenhänge erforderlich. Meiner Meinung nach besteht ein Handlungsbedarf in den Schulen und Unterstützung beim Start ins Berufsleben. Hier werden die Weichen für die finanzielle Zukunft gestellt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Eva-Maria Schulze© Fraukes Fotostudio Brennweite Menden

Autor(en): Matthias Beenken

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