Ist der PKV-Provisionsdeckel wirksam?

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2019 könnte das Jahr der Provisionsbeschneidung in der Lebensversicherung werden. Ein Argument der Befürworter gesetzlicher Regulierung ist die gute Erfahrung mit dem Deckel in der privaten Krankenversicherung. Zweifel daran sind aber angebracht.

"Die Abschlusskosten sind nur um rund 5 % zurückgegangen. Durch einen gesetzlichen Provisionsdeckel sollte etwaigen Fehlanreizen entgegengewirkt und eine weitere Senkung der Abschlusskosten unterstützt werden", so hieß es im Evaluierungsbericht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zum Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG), der Ende Juni 2018 dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags vorgelegt wurde. Besonders hervorgehoben wird an anderer Stelle, dass der Provisionsdeckel "insbesondere auch sog. Restschuldversicherungen" erfassen soll.

Drei Ziele des BMF

Damit gibt es bereits drei durchaus im Konflikt stehende Zielsetzungen, die das BMF implizit formuliert. Erstens das Ziel, die Abschlusskosten in der Lebensversicherung zu senken, zweitens die Vermeidung von Fehlanreizen und drittens eine besondere Regulierung der Restschuldversicherung.

Bei der Senkung der Abschlusskosten argumentiert das BMF jedoch nur über die seiner Meinung nach zu geringe Senkung der effektiv gezahlten Provisionen. Tatsächlich legt es im eigenen Bericht auch offen, dass die einkalkulierten Kosten in den Tarifen um insgesamt 10,1 Prozent gesunken sind. Legt man sogar nur die Abschlusskosten zugrunde, wurden diese um 21,8 Prozent gesenkt. Dagegen sind die Verwaltungskosten sogar um 2,9 Prozent gestiegen. In Zeiten von Digitalisierung und Projekten zur Steigerung der Prozesseffizienz ein schwer verständliches Ergebnis.

Abschlusskosten deutlich gesenkt

Es führt dazu, dass das Gewicht der Abschlusskosten in den insgesamt in Lebensversicherungstarife einkalkulierten Kosten von 52,4 Prozent auf 45,6 Prozent Anteil gefallen ist. Statt daraus den Schluss zu ziehen, dass die Versicherer ihre Kosten in die falsche Richtung verändert haben und möglicherweise Hausaufgaben ungelöst sind, werden die Provisionen der Vermittler als Verursacher einer unbefriedigenden Kostenentwicklung identifiziert.

Die Kritik an den Provisionen wird damit begründet, dass die effektiv gezahlten Provisionen nach einer Erhebung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) nur um 5,1 Prozent zurückgegangen sein sollen. "Vergütungen für Vermittler stellen die größte Komponente der Abschluss- und Vertriebskosten dar; sie machen über zwei Drittel der Abschluss- und Vertriebskosten aus", heißt es im Bericht des BMF. Allerdings werden die Zahlen kaum näher aufgeschlüsselt.

Provisionsdeckel PKV Benkenartikel 1/2019

Viele Fragen zu Provisionsvergleichen

Offenbar wurden die die bei den Umfragen der BaFin - vor und nach LVRG - erhobenen Vergütungssätze auf die 2017 angebotenen Versicherungstarife angewendet. Ob dabei alle Vermittler oder nur die größten Vermittler einbezogen wurden, ob der Vertriebsmix nach Tarifen 2017 exakt derselbe war wie im Vergleichsjahr 2013, ob der Vertriebswegeanteil 2017 mit demjenigen von 2013 übereinstimmt - alle diese Fragen werden jedenfalls im Evaluierungsbericht nicht beantwortet. Sie könnten aber mithelfen zu erklären, warum es eine anscheinend große Diskrepanz zwischen kalkulierten und effektiv gezahlten Vergütungen gibt.

Auf einer solch unsicheren Basis lässt sich ein Eingriff des Gesetzgebers nur schwer begründen. Das zweite Argument, die Vermeidung von Fehlanreizen, muss auch keineswegs zwingend einen Provisionsdeckel nach sich ziehen. Vielmehr gibt es schon heute eine Handhabe für die Versicherungsaufsicht über § 48a VAG, bei Missständen einzugreifen. Flankiert wird das Ganze durch die Europäische Delegierte Verordnung 2017/2359, die recht konkrete Hinweise auf problematische Vergütungsvereinbarungen beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten gibt.

Reicht nicht die Missstandsaufsicht?

Beobachtet die Bafin Vergütungsvereinbarungen von Versicherern, die die betroffenen Vermittler davon abhalten, dem Kunden bestmöglich geeignete Versicherungen anzubieten, hat sie das Recht und die Aufgabe dagegen einzuschreiten. Dasselbe gilt für die Industrie- und Handelskammern gegenüber Vermittlern mit Gewerbeerlaubnis, die ihren Mitarbeitern oder Untervermittlern ungeeignete Anreize gewähren.

Das wäre auch ein probates Mittel im Fall der Restschuldversicherungen, bei denen die Bafin 2017 eine Untersuchung vorlegte, nach der für dieses Produkt wohl Provisionen von rund 50 Prozent der Prämie üblich und auch über 70 Prozent in Einzelfällen aufgefallen sind. Da es sich bei den Vermittlern dieser Produkte um Banken handelt, hätte die Behörde hier ausreichend Zugriff auf beide Parteien des Spiels zulasten der Kreditnehmer.

Vorbildfunktion des PKV-Deckels fraglich

Als Argument für einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung wird nun auch die angeblich gute Erfahrung mit demselben in der privaten Krankenversicherung angeführt, der 2012 im Gefolge der MEG AG-Affäre und der offenbar fehlenden Einsicht einzelner Versicherer in die Wahrung von Maß und Mitte bei der Vereinbarungen von Provisionen für Großvertriebe eingeführt wurde. Die Bafin hatte sogar in einem Rundschreiben zuvor selbst die privaten Krankenversicherer auf die Problematik steigender Vergütungen und einzelner Exzesse hingewiesen und eine Rückkehr zu vertretbaren Größenordnungen angemahnt.

Auf die Frage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick, die dieser wohl als eine seiner letzten Amtshandlungen vor dem Rücktritt vom Abgeordnetenmandat an die Bundesregierung gestellt hat, ob die Wirksamkeit des Provisionsdeckels geprüft wurde und mit welchen Konsequenzen, erfolgte eine ausweichende Antwort. So sei bei den bisherigen Prüfungen von Versicherern festgestellt worden, dass diese sich an den im VAG genannten Provisionsdeckel halten, aber zumindest angedeutet, dass dazu Prüfungen "anhängig" seien, deren Ergebnis noch nicht vorliegt. Geprüft werden dabei nicht nur die vordergründig vereinbarten Abschlussprovisionen, "sondern auch andere Vereinbarungen zwischen Versicherungen und Vermittlern", so die Parlamentarische Staatssekretärin Lambrecht in ihrer Antwort vom 19. Dezember 2018.

Auf die ergänzende Frage, wie sich Bestandspflegeprovisionen und Betriebskostenzuschüsse für Maklerbetriebe entwickelt hätten, heißt es lapidar: "Der Bundesregierung liegen diese Angaben nicht vor. Die betreffenden Informationen werden für die Branche nicht statistisch erhoben."

Neugeschäft wird teurer eingekauft

Auch das erstaunt, denn BMF und Bafin kann eigentlich nicht entgangen sein, dass die Abschlussaufwendungen der privaten Krankenversicherung jedenfalls nach den Zahlen ihres Verbands kaum gesunken sind, von knapp 2,7 Milliarden Euro 2009 auf gut 2,4 Milliarden Euro 2016. Im selben Zeitraum allerdings hat sich der Bruttoneuzugang an vollversicherten Personen praktisch halbiert, von 566.100 auf 280.200.

Teilt man die Abschlussaufwendungen durch die Zahl der brutto neu zugegangenen Kunden, hat ein Neukunde 2009 rein rechnerisch Kosten von 4.714 Euro verursacht, 2016 waren es 8.709 Euro.

Beeneknartikel 1/2019 Abschlussaufwand PKV

Dienstleistungsverträge mit Großvertrieben

Der Vergleich hinkt zwar aufgrund der Tatsache, dass auch Zusatzversicherungen Abschlussaufwendungen verursachen. Deren Gewicht ist aber relativ gering, sodass der Langzeitvergleich zumindest nicht den Schluss nahelegt, dass die Abschlussaufwendungen im gleichen Maß wie die Bruttozugänge gefallen seien. Und das, obwohl die durchschnittlichen Abschlussprovisionen bei den Vermittlern wenn auch nur leicht, so doch effektiv zurückgegangen und auch nicht durch laufende Provisionen kompensiert worden sind.

Das gilt jedenfalls für die typischen, kleineren Vermittlerbetriebe. Wie die Vereinbarungen mit Großvertrieben aussehen, ist nicht öffentlich bekannt. Allerdings sollte die Bafin hierin Einblick haben und ihre Schlüsse ziehen können. Und sie hat in der Vergangenheit auch schon öffentlich von Dienstleistungsverträgen mit Großvertrieben gesprochen, die ihr bekannt seien - das heißt Vereinbarungen, mit denen für definierte Leistungen der Vermittler andere Vergütungen als die klassischen Provisionen gezahlt werden. Warum das alles nun als Erfolg eingeordnet und als Modell für die Lebensversicherung empfohlen wird, ist vorsichtig ausgedrückt erstaunlich.

Autor(en): Matthias Beenken

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