Kein Provisionsrichtwert, aber Druck auf Kosten

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Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am Montagabend einen Entwurf für ein Merkblatt zur Konsultation gestellt – eingeflossen sind viele Erkenntnisse über Vergütungsmethoden und deren Wirkung auf Lebensversicherungen.

Seit langer Zeit diskutiert die Versicherungsbranche sehr kontrovers das Risiko, dass die BaFin Provisionsdeckel oder Provisionsrichtwerte definieren und damit die Vergütungsmodalitäten der Vermittler beschneiden könnte. Insbesondere die Vermittlerverbände verwehren sich gegen solche als einseitig empfundenen Eingriffe.

Konsultation bis Mitte Januar

Am Montagabend hat die BaFin einen Entwurf für ein „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ veröffentlicht. Dieses steht bis zum 15. Januar zur Konsultation, Interessierte können ihre Meinung über eine besondere E-Mail-Adresse an die BaFin mitteilen.

Adressat des Merkblatts sind alle in- und ausländischen Versicherer, die unter BaFin-Aufsicht stehen. Werden ausländische Versicherer per Dienstleistungsfreiheit in Deutschland tätig, sollen sie sich ebenfalls daran halten. Im Zweifel könnte sich die BaFin allerdings nur an deren Heimataufsichten wenden, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Basis ist dabei die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, die entsprechende Regeln und Verfahren vorsieht. Betroffen sind kapitalbildende Lebensversicherungen, sowohl ungeförderte Versicherungsanlageprodukte als auch andere, geförderte Verträge.

Produktgenehmigungsprozess als Ansatzpunkt

Als Ansatzpunkt hat die BaFin nicht mehr vorrangig die Bestimmungen zur Vergütung nach § 48a VAG gewählt. Diese Idee wurde schon seit einem Entwurf eines Provisionsdeckelgesetzes durch das Bundesfinanzministerium in der alten Bundestagswahlperiode kritisiert, denn dabei würden einseitig nur die durch Vermittler und deren Vergütungen verursachten Kosten reguliert. Ob und welche Betriebskosten beim Versicherer an anderer Stelle entstehen, wäre dabei unbeachtet geblieben. Sinn sollte aber eigentlich ein Kundennutzen und nicht nur eine Kostenverschiebung sein.

Nun argumentiert die BaFin in erster Linie mit dem Produktgenehmigungsverfahren nach § 23 Absatz 1a-1c VAG, ohne die Vergütungsvorgaben außer Acht zu lassen. Hier hat der Versicherer die Verantwortung, bei der Produktkonzeption den Kundennutzen zu beachten. Im angelsächsischen Regulierungsdeutsch wird das auch unter dem Begriff „Value for Money“ gehandelt – der Kunde soll etwas bekommen für sein Geld.

Rendite mindestens mehr als zwei Prozent Inflation

Diesen Kundennutzen definiert die BaFin für Lebensversicherungen, die zur Altersvorsorge dienen, als angemessen, wenn „die Produkte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rendite nach Kosten erzielen, die über einer begründeten langfristigen Inflationserwartung liegt („realer Anlageerfolg“).“ Dabei wird das mittelfristige Ziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent Inflation als Ansatzpunkt genommen, in einer Fußnote aber auch auf eventuelle Anpassungserfordernisse „an die tatsächliche Inflation“ hingewiesen. Mit anderen Worten muss eine Lebensversicherung nach den Vorstellungen der BaFin mehr als diese Inflationsrate abwerfen.

Eine Einschränkung nimmt die BaFin bei Einmalbeitragsversicherungen vor. Hier könnte auch eine Rendite unterhalb der Inflationsrate angemessen sein, wenn eine solche Versicherung eher kurzfristig angelegt ist, um Anlagegelder zu parken.

Die Herausforderung für Versicherer wird darin bestehen, durch Szenarioanalysen festzustellen, ob ihre Produkte diese Bedingung erfüllen können. „Den Kosten des Produkts kommt als der Größe, die die Unternehmen im Rahmen der Produktherstellung beeinflussen können, aufsichtsrechtlich eine besondere Bedeutung zu“, heißt es weiter.

Insbesondere ein „kumulierter Effekt aus Kosten und Inflation“ sei bedenklich. Die Konsequenzen eines solchen Denkens dürften die Fragen nach sich ziehen, wie Versicherer eine politisch oder durch Kriegsereignisse provozierte Inflation in einem über Jahrzehnte reichenden Anlagehorizont prognostizieren sollen, und wie sie die Kosten jeweils flexibel im Nachhinein anpassen können müssten.

Und dann geht es doch um die Abschlussprovision

Eine weitere Herausforderung wird die Idee sein, auch im Frühstornofall für einen angemessenen Kundennutzen zu sorgen. Änderungen von Lebensumständen und Interessen der Kunden während der Vertragslaufzeit werden als Ursachen dafür genannt. Ob auch unter solchen Umständen eine bestimmte Mindestrendite erwartet wird, geht nicht eindeutig aus dem Merkblattentwurf hervor.

Als Hauptursache für eine negative Rendite wird die Abschlussprovision identifiziert, die die Versicherungsverträge in den ersten fünf Vertragsjahren überproportional belastet. Allerdings gibt es auch Abschluss- und Vertriebskosten des Versicherers selbst, die notwendigerweise rund um die Antragsprüfung und Policierung anfallen.

Vielfalt an Vergütungsarten

Die BaFin will von den Versicherern verlangen zu prüfen, „ob und in welchem Umfang den in die Prämie einkalkulierten frontlastigen Abschluss- und Vertriebskosten ein angemessener Kundennutzen für die VN gegenübersteht.“ Vor allem bei hohen Anteilen frühstornierender Kunden seien Verluste zu erwarten und der Kundennutzen „zumindest fraglich“.

Sehr detailreich beschreibt die BaFin, welche Vergütungen und sonstigen Kostenarten rund um die Vermittlung anfallen können und bei einer Analyse angemessener Kosten zu berücksichtigen sind. Unter anderem wird dort auch „Regalgeld“ erwähnt, das nur für die Bereitschaft eines Vertriebspartners zum Vertrieb und nicht an tatsächliche Erfolge geknüpft wird – ein beispielsweise bei Maklerpools bekanntes Vergütungselement.

Teurer Vertriebsweg gleich teurere Prämie?

Weiter geht die BaFin darauf ein, ob der Kundennutzen auch dann gewährleistet bleibt, wenn ein Versicherer verschiedene, unterschiedliche teure Vertriebswege betreibt bei grundsätzlich gleich hohen Prämien. Hierin könnte eine Quersubventionierung bestehen, die zumindest nicht unangemessen hoch ausfallen soll. Das könne durch differenzierte Prämien nach Vertriebsweg oder eine differenzierte Überschussbeteiligung vermieden werden, „und zwar im Rahmen der Beteiligung an Kostenüberschüssen“.

Arbeit kommt auf Versicherer auch zu, wenn sie Rückvergütungen von Fondsgesellschaften erhalten. Hier scheint es die BaFin nicht immer für angemessen zu halten, wenn diese lediglich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben nach Mindestzuführungsverordnung an den Kunden zurückfließen.

Im Einzelfall können solche Rückvergütungen direkt an den Vertriebspartner fließen. Hier sollen die Versicherer verpflichtet werden, sich über Art und Höhe solcher Rückvergütungen zu informieren und diese in die Betrachtung des Kundennutzens einzubeziehen – faktisch könnte das eine adäquate Kürzung der Provision erforderlich machen.

Müssen Kunden stets einen Wert für sein Geld versprechen

Kritisch setzen sich die Aufseher mit „Multioptionsprodukten“ auseinander, die zwar vielfältige Wahlrechte für Kunden bieten, aber auch besonders komplex und schwer verständlich sind. Daraus resultierenden Mehraufwand in der Beratung als Begründung für eine erhöhte Vergütung zu verwenden, würde sogar Fehlanreize für die Beratung provozieren. Besser sei es, gegebenenfalls eine stärkere Marktsegmentierung vorzunehmen und passgenauere Produkte bestimmten Zielgruppen anzubieten.

In einem eigenen Abschnitt geht die BaFin dann doch noch auf die Pflichten ein, die der Versicherer bei der Vereinbarung von Vergütungen beachten soll. Darin finden sich verschiedene Ansätze aus dem gescheiterten Provisionsdeckelgesetz wieder, unter anderem eine Einordnung von rein umsatzabhängigen Bestandsprovisionen als Abschlussprovisionen oder eine Anforderung, bei höheren Vergütungen angemessene qualitative Kriterien wie insbesondere eine unauffällige Stornoquote zu verlangen.

Abschließend legt die BaFin dar, wie sie im Rahmen eines „risikoorientierten Aufsichtsansatzes und Risikoindikatoren“ vorgehen will. Sehr aufmerksam sollten Versicherer sich damit beschäftigen, welche Zahlen und Kennzahlen die BaFin künftig näher untersuchen will.

Ein erstes Fazit könnte lauten, dass es zwar keinen Provisionsdeckel und keinen Provisionsrichtwert geben wird, wofür wohl die gesetzliche Grundlage fehlen dürfte. Aber das Druckmittel entsteht über die Anforderung, dem Kunden stets einen Wert für sein Geld versprechen zu müssen.

Autor(en): Matthias Beenken

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