Kommentar: Denkfehler verursacht Verschlechterung bei privater Pflegezusatzversicherung

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Der Verband der privaten Krankenkassen (PKV-Verband) hat sich bemüht, das Produktkonzept der Pflege-Zusatzversicherung einschließlich der rechtlichen Grundlagen zu verstehen. Doch vergeblich, denn die für 2017 umzusetzenden Änderungen bei den Versicherungsbedingungen der privaten Pflege-Zusatzversicherung (PPZ) beruhen auf einem Verstoß gegen die Denkgesetze, meint Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala.

Ab 2017 gibt es fünf Pflegegrade, welche die bisherigen drei Pflegestufen ablösen. Nur körperlich Pflegebedürftige erhalten dann bei gleicher Beeinträchtigung (bisher in Pflegestufe 1 bis 3) meist mehrere hundert Euro im Monat geringere Pflegeleistungen, sowohl bei ambulanter Pflege wie auch beim Umzug ab 2017 in ein Pflegeheim. Die Mehrzahl der künftig Pflegebedürftigen, die nicht dement sind, erhalten weit weniger Leistungen als ihnen bisher zugestanden hätte.

Bestandsschutz entfällt bei Änderung des Pflegegrades
Lediglich wenn bereits einen Pflegestufe bis Jahresende 2016 beantragt oder zugeteilt wurde, gilt ein Bestandsschutz – allerdings nicht sobald sich der Pflegegrad künftig ändert. Damit werden die Verschlechterungen zunächst verdeckt, damit das Ausmaß dieses Makels der Pflegereform nicht sofort offenbar wird.

Mehrleistungen für die Dementen werden mit Kürzungen für die anderen künftigen Pflegebedürftigen finanziert. Die Statistiken zum Ausmaß der Betroffenen liegen vor – doch werden sie vom Gesundheitsminister Gröhe und dem GKV-Spitzenverband unter Verschluss gehalten. Der PKV-Verband hat sie indes für Kalkulationszwecke erhalten, wodurch sie auszugsweise auch schon auf Vorträgen zu sehen waren. Wegen Gröhes Verbot, sie zu veröffentlichen, gibt es dazu aber kein Papier – der PKV-Verband schreibt schlicht, Gröhe habe ihm verboten, die Zahlen weiter zu geben. Damit spielt man politischen Gegnern in die Hände, die Lügen der Politik für sich nutzen.

Weniger Leistungen schon in der gesetzlichen Pflegeversicherung
Wer zum Beispiel eine Pflegetagegeldversicherung (PTV) abgeschlossen hat, um solange er noch bei Sinnen ist anständig gepflegt zu werden, und nicht um den Staat zu entlasten, wenn er eh alles gleich wieder vergisst, der erhält nun weniger Leistungen schon in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Mit Demenz würde er bei gleicher körperlicher Pflegebedürftigkeit (in Minuten) im höheren Grad eingestuft als ohne Demenz. In der PTV nach Pflegegraden soll nach dem Willen des Gesetzgebers kollektiv der etwa gleiche Leistungsumfang herauskommen wie bisher nach Stufen kalkuliert. Umgesetzt wird dies von den privaten Krankenversicherungen, indem der geringere Grad (ohne Demenz) weniger, der höhere Grad (mit Demenz) aber mehr Pflegetagegeld erhält, als die gleiche Person bisher nach ihrer Pflegestufe bekommen hätte.

Nach ersten Informationen haben die Versicherer dies teils schon umgesetzt und den Kunden Anpassungen in teils geringer Höhe (bis um die fünf Prozent) geschickt, die nur dadurch erreichbar waren, dass die Leistungszusage bei den Pflegefällen ohne Demenz sinkt.

Keine Wahrung der Belange aller Versicherten

Die Deutsche Akutarvereinigung (DAV) meint, es sei „gegebenenfalls auch eine Schlechterstellung einzelner Versicherter hinzunehmen“. Außerdem meint die DAV: "Bei der Anpassung der Leistungsstufen wird zusätzlich zu berücksichtigen sein, dass nach der gesetzlichen Wertung (und auch der praktischen Erfahrung) der Versorgungsbedarf mit zunehmender Pflegebedürftigkeit steigt. Es wäre daher mit den Interessen der Versicherten nicht zu vereinbaren, wenn bei der Umrechnung auf Pflegegrade bei höheren Pflegegraden niedrigere Pflegetagegelder gewährt würden. Das Pflegetagegeld wird daher mit zunehmender Pflegebedürftigkeit bis zur Vorleistung in Pflegegrad V (100 Prozent) steigen müssen“ Doch dies ist nicht der Fall.

Fehlenschätzung der PKV-Aktuare
Denn bisher nach Stufen war in den Pflegetagegeldtarifen eine Zunahme der Leistungen vorgesehen. Bei stationärer Pflege stiegen auch die Leistungen der Pflichtpflegeversicherung mit der Pflegestufe, doch war die Finanzierungslücke zum tatsächlichen Bedarf bei höherer Stufe dennoch größer. Daher waren auch die Pflegetagegeldtarife gestaffelt, um diese Lücke bedarfsgerechter zu füllen. Jetzt aber nach Graden hat jeder stationär Gepflegte genau die gleiche Lücke in Euro (gleichsam gleich hoch kalkulierter Eigenanteil), in allen Pflegegraden. Diese nimmt in den niedrigeren Pflegegraden sogar zu (was gewollt ist, um diese Pflegebedürftigen in der häuslichen Pflege zu halten). Eine Staffel in den Pflegetagegeldtarifen ist dann nicht mehr gerechtfertigt, da sie die Lücke in den höheren Graden weit mehr als bisher schließt, in den niedrigeren aber die - gestiegene - Lücke noch vergrößert.

Dies gilt auch in der ambulanten Pflege. Denn wenn hier die Pflichtpflegeversicherung auch bedarfsgerechter nach Graden einstuft, wird auch hier die bisherige Lücke mit zunehmender Schwere der Pflegebedürftigkeit kleiner. Da aber die Pflegetagegeldtarife wie auch Pflege-Bahr auf die Füllung dieser Lücke abstellen, ist es keinesfalls - wie von der DAV unterstellt - angemessen, ebenso bei höherem Grad wie bisher bei höherer Stufe mehr zu leisten.

Bedingungsänderungen und Beitragsanpassungen unwirksam?
Gegebenenfalls halten also erfolgte – aber unangemessene - Bedingungsänderungen einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Eine zusätzliche Beitragsanpassung infolge durchschnittlicher Mehrleistungen infolge der Umstellung auf Pflegegrade war in diesem Zusammenhang gesetzlich gar nicht erlaubt. Merkliche Beitragerhöhungen sind also nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für eine Beitragsanpassung vorlagen.

Bild: © Oliver Berg / dpa

Autor(en): Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala und Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, Aktuar DAV;

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