Kritische Blicke auf Kleinanlegerstrategie

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Mit der Kleinanlegerstrategie oder Retail Investment Strategy (RIS) möchte die Europäische Kommission mehr Menschen für den Kapitalmarkt gewinnen. Sie sollen durch eine größere Beteiligung am Kapitalmarkt besser für ihre Zukunft vorsorgen können.

Soll sich nicht am wirklichen Verhalten der Menschen orientieren

Der von der EU-Kommission vorgelegte Richtlinienvorschlag enthält dazu einige gute Ansätze, ist der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) überzeugt. Der Verband geht aber davon aus, dass der Vorschlag für die RIS in der ursprünglichen Form seine Ziele nicht erreichen wird. Er ist bürokratisch und orientiert sich nicht am wirklichen Verhalten der Menschen. Die deutschen Versicherer bringen sich daher bei den EU-Institutionen dafür ein, dass die Chancen, die mit der Kleinanlegerstrategie verbunden sind, weiter herausgearbeitet werden.

Die EU-Kommission hat partielle Provisionsverbote vorgeschlagen, beispielsweise für die unabhängige Beratung zu Versicherungsanlageprodukten. Der GDV sieht dies kritisch und erachtete die Koexistenz verschiedener Vergütungsformen als richtigen Weg.

Innovationskraft des Marktes kann gehemmt werden

Der GDV befürchtet zudem auch, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagenen neuen Regeln faktisch zu einer Produkt- und Preiskontrolle führen können. Die potenzielle Folge: Die Innovationskraft des Marktes wird gehemmt. Benchmarks können nach Ansicht des Verbandes durchaus sinnvoll sein, allerdings nur, wenn sie als Werkzeuge für die nationalen Aufsichtsbehörden zur Identifikation von Ausreißern konzipiert würden.

Dagegen ist der GDV überzeugt, dass der Entwurf der EU-Kommission in Sachen Modernisierung einige gute Aspekte enthält: Die digitale Übermittlung von Informationen soll künftig Standard sein – und zwar für alle Versicherungsprodukte. Das sei ein wichtiger Schritt. Bei der Verschlankung der Informationspflichten werde das vorhandene Potenzial aber nicht voll ausgeschöpft. Hier gebe es noch viel Luft nach oben, damit Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mit Information überflutet würden.

Wesentliche Entscheidungen so konkret wie möglich formulieren

Fast alle Vorschriften sollen erst nachgelagert – also durch delegierte Verordnungen der EU-Kommission oder durch Vorgaben der europäischen Aufsichtsbehörden – ausgearbeitet werden. Nun liege es an den Co-Gesetzgebern, dem europäischen Parlament und dem Rat, dafür zu sorgen, dass die wesentlichen Entscheidungen so konkret wie möglich formuliert würden und präzise zum Ausdruck komme, was wie geregelt werden soll. Der GDV will sich dafür einsetzen, dass die Umsetzungsfristen für die Unternehmen erst spruchreif werden, wenn alle neuen Regeln im Detail ausformuliert und beschlossen sind.  

Bleibt noch genügend Zeit für Trilog-Verhandlungen?

Die Abstimmung über die Verhandlungsposition des Europäischen Parlaments zur Retail Investment Strategy im Ausschuss für Wirtschaft und Währung ist für den 20. März 2024 vorgesehen. Die belgische Ratspräsidentschaft strebt an, noch vor Ende ihrer Amtszeit eine "Allgemeine Ausrichtung" im Rat zu erreichen. Der GDV ist jedoch skeptisch, dass vor den Europawahlen noch genügend Zeit für Trilog-Verhandlungen bleibt.

Wollen Provisionsverbot für Maklerinnen und Makler unbedingt verhindern

Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW hat wieder Stellung gegenüber den Mitgliedern des Finanzausschusses des Bundestages bezogen. Anlass war die Anhörung des Finanzausschusses am 21 Februar 2024 zu den Plänen der EU-Kommission zu einer Kleinanlegerstrategie. In der 71-seitigen Stellungnahme kritisiert der AfW aufs Schärfste das gesamte Vorhaben.

Bezug genommen wird insbesondere auf ein Gutachten von Professor Schwintowski mit Lösungsansätzen, um das potenzielle Provisionsverbot für Maklerinnen und Makler zu verhindern. Die Stellungnahme beinhaltet unter anderem folgende Aspekte:

  1. die Überbetonung von Honorarberatung und ein Provisionsverbot, das EU-rechtswidrig ist und sich für Versicherungsmakler als partielles Berufsverbot darstellt,
  2. die fehlerhafte Ausgestaltung eines Best-Interest-Tests,
  3. die einseitige Fokussierung auf einen Kostenvergleich, ohne hinreichenden Blick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kleinanleger,
  4. unscharfe Anforderungen an eine Portfolioberücksichtigung.

Sehen eine Schädigung der Kleinanleger

Mit scharfen Worten verurteilt der Geschäftsführende Vorstand des AfW, Norman Wirth :„Wir erwarten uns ein klares Signal des Bundestages in Richtung Bundesregierung zur Unterstützung bei diesem Thema für die Branche und besonders auch für die Kunden. Zustimmung zu einem erwiesen rechtswidrigen Vorschlag der EU-Kommission, basierend auf ideologischen Fantasien und nicht auf überzeugender Empirik, darf es durch Deutschland nicht geben. Vor allem aber bleibt festzuhalten, dass bei Umsetzung des Kommissionsvorschlages die Kleinanleger geschädigt würden und mit ihnen ein ganzer kundenorientierter und qualifizierter Berufsstand – die Versicherungsmaklerinnen und -makler. Das muss verhindert werden!“ 

Die Stellungnahme inklusive der beiden Gutachten ist auf der Webseite des AfW zu finden.

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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