Kündigung von Personenversicherungen durch Betreuer oft unwirksam

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Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (Teilurteil vom 24.03.2016, Az. 8 U 1092/15) entschied am Beispiel einer Lebensversicherung, daß die Kündigung durch den Betreuer mangels Genehmigung durch einen Gegenvormund oder das Betreuungsgericht unwirksam ist.

Der Fall: Die (widerruflich) im Todesfall als bezugsberechtigt eingesetzte Witwe klagte gegen die Versicherungsgesellschaft erfolgreich – der Versicherer hatte bereits aufgrund unwirksamer Kündigung des Betreuers einen minimalen Rückkaufswert ausbezahlt.

Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine Risikolebensversicherung zur Tilgung einer Baufinanzierung mit 30.000 Euro Todesfall-Summe. Der Rückkaufswert lag bei 790 Euro. Der Betreuer orientierte sich am Rückkaufswert und hielt eine Genehmigung für nicht erforderlich (§ 1813 I Nr.2 BGB). Das OLG stellte auf die Versicherungsleistung im Todesfall und nicht auf den Rückkaufswert ab, so daß die 3.000-Euro-Grenze des § 1813 BGB überschritten war, und so die Kündigung unwirksam.

Rechtsirrtum des Versicherers führt zur Doppelzahlung
Dabei definiert das OLG: „Unter einer Verfügung versteht man ein Rechtsgeschäft, durch das der Verfügende auf ein Recht unmittelbar einwirkt, es also entweder auf einen Dritten überträgt oder mit einem Recht belastet oder das Recht aufhebt oder es sonst in seinem Inhalt ändert (BGH, Urteil vom 05. November 2009 - III ZR 6/09 -, juris, Rn. 13, 15).
Bei der Kündigung einer Risiko-Lebensversicherung wird durch ihre Gestaltungswirkung ein auf Leistung gerichtetes Recht inhaltlich verändert. Die Risiko-Lebensversicherung gewährt einen durch den Eintritt des Todesfall bei der versicherten Person innerhalb versicherter Zeit aufschiebend und auflösend bedingten Leistungsanspruch auf die Versicherungssumme.
Dieser Anspruch wird durch die Kündigung abgeändert in den Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes nach § 9 Abs. 3 ABRi 2004. Damit handelt es sich bei der Kündigung um eine Verfügung über eine Forderung i.S.v. § 1812 Abs. 1 S. 1 BGB.“

Ausschlaggebender Faktor: Die Versicherungssumme
Schließlich kommt es nicht allein auf den Wert bei Annahme der Auszahlung des Rückkaufwertes durch den Betreuer an – er könnte auch null betragen. Denn wird durch Änderung des Vertragsinhaltes (Rückkaufswert anstatt Todesfall-Leistung) auch die Forderung inhaltlich verändert, dann „muss es auf den Wert der Forderung vor seiner Veränderung ankommen“, also auf die Versicherungssumme.
Dass dieser Anspruch sich nur zufällig realisiert, hier wenn der Todesfall noch innerhalb der versicherten Zeit eintritt, war unerheblich. Daher sind grundsätzlich ebenso Kündigungen von Versicherungen betroffen, aus denen Leistungen von mehr als 3.000 Euro bei Eintritt ungewisser Ereignisse zu erwarten wären.

Bezugsrechtswiderruf nur mit Genehmigung des Gegenvormundes

Die (unwirksame) Kündigung hat auch den Wegfall bzw. Widerruf des Bezugsrechtes zur Folge. Jedoch unterfällt auch ein Widerruf der Genehmigungspflicht – selbst wenn der Betreuer lediglich das Bezugsrecht isoliert widerrufen hätte. Regelmäßig lassen auch Trennung oder Scheidung das Bezugsrecht nicht entfallen – dergleichen hatte der Betreute und spätere Erblasser nicht vereinbart. Fehlt ein Rechtsgrund als Vereinbarung zwischen Bezugsberechtigtem und Erblasser, so können die Erben die Versicherungsleistung herausverlangen, etwa durch Abtretung der Versicherungsansprüche oder Erstattung der Auszahlung.

Genehmigung bei sonstigen Personen- und Sachversicherungen
Betreuer könnten auch meinen, sie müssten aus Gründen der aktuellen Liquiditätsverbesserung auch andere Personenversicherungen kündigen, wie etwa Berufsunfähigkeitsversicherung, Lebensversicherung, Unfallversicherung, Pflegetagegeld- und anderen Krankenzusatzversicherungen oder Sachversicherungen. Dann wird es auch bei diesen darauf ankommen, was der Versicherer zu leisten versprochen hat. Liegt dieses Versprechen – etwa als Versicherungssumme oder Rentenzusage – über 3.000 Euro ist für die Kündigung durch den Betreuer eine Genehmigung erforderlich.

Versicherer, die etwa die Kündigung einer Krankenzusatzversicherung, Unfallversicherung, Haftpflicht- oder Sachversicherung durch den Betreuer ohne Vorliegen einer erforderlichen Genehmigung akzeptieren, müssen wegen Unwirksamkeit der Kündigung im Schadenfall dennoch zahlen. Die Beiträge indes können sie nur nachverlangen, wenn sie noch nicht verjährt sind.

Stufenklage nach strategischem Abwarten des Begünstigten
Versicherungsleistungen werden aufschiebend und auflösend bedingt versprochen. Bei den häufig unwirksamen Kündigungen kann man zunächst abwarten, bis der Versicherungsfall eingetreten ist und dann erst mal „im Wege der Stufenklage auf Auskunft, Abrechnung und Auszahlung hinsichtlich der Überschussbeteiligung“ (OLG a.a.O.) klagen. Nachdem sich manche Mitarbeiter von Versicherungsunternehmen gelegentlich verrechnen, sollte man als Kläger vorsichtshalber eine begleitende versicherungsmathematische Begutachtung von Leistungsinanspruchnahmen inklusive Überschussbeteiligungen zum eigenen Schutz vor Falschberechnungen sicherstellen.

Bildquelle:©Frank Wagner / Fotolia

Autor(en): Dr. Johannes Fiala, RA , Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, Aktuar DAV;

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