Kündigungswelle bei Sparkassen: Ökonomie vor Image

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Die Sparkassen kündigen reihenweise ihr bisheriges Zugpferd, das so genannte Prämiensparen. Damit dürften die Geldinstitute einen ähnlichen Imageschaden erleiden wie die Bausparkassen, die seit einigen Jahren systematisch hochverzinste Verträge stornieren.

Betroffen sind sowohl bei Bausparkassen als auch bei Sparkassen hunderttausende von Kunden. Ähnlich wie jetzt bei den Sparkassen motivieren Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) die Unternehmen, eine Kündigung durchzufechten. Laut der Stiftung Warentest haben seit Juni 2019 weitere sieben Sparkassen begonnen, Prämiensparverträge einseitig aufzukündigen. Davor waren aber bereits 24 Kassen bei den Massenkündigungen aktiv.

Extrem lange Laufzeiten möglich

Die meisten Sparkassen versuchen seit 2018 Kunden loszuwerden, die besonders lukrative Verträge haben. Die neue Kündigungswelle wurde durch ein aktuelles BGH-Urteil ausgelöst. Danach dürfen Sparkassen Prämiensparverträge kündigen, wenn die höchste Prämienstufe erreicht ist. (BGH, Urteil vom 14. Mai 2019; Az. XI ZR 345/18). Schon vorher hatten Instanzgerichte für die Sparkassen entschieden. Laut Stiftung Warentest hat allein die Sparkasse Nürnberg 21.000 Verträge zu Ende September gekündigt.

Als "sachgerechten Grund" für die Kündigung gilt die andauernde Niedrigzinsphase. Beim Prämiensparen zahlen Kunden in der Regel monatlich einen konstanten Betrag ein und erhalten ab einer festgelegten Frist jährliche Prämien, die im Laufe der Zeit steigen. Üblich ist laut Stiftung Warentest in der Höchststufe eine Prämie von 50 Prozent der Einzahlungen, die der Kunde im Jahr leistet. Es soll aber auch Vertragsvarianten mit bis zu 100 Prozent Prämie geben. Da die Basiszinsen der Verträge variabel sind und derzeit fast bei null liegen, sei nur die Prämie lukrativ.

Widerspruch kann sinnvoll sein

Laut Verbraucherzentrale Bayern und Sachsen kann trotz des aktuellen BGH-Urteils ein Widerspruch gegen eine Kündigung sinnvoll sein. Denn viele Prämiensparverträge haben extrem lange Laufzeiten, die bis zu 99 Jahren reichen können.

Die Sparkassen riskieren also aus wirtschaftlichen Gründen nicht nur den aktuellen Imageschaden, sie müssen auch damit rechnen, dass aufgrund langer Gerichtsverfahren das Thema Kündigung von Prämiensparverträgen immer wieder auf die öffentliche Agenda kommt.

Vertrauen leidet bei allen Kunden

Was das bedeutet, beschreibt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zum Thema "Kündigungswelle bei Bausparkassen": "Die Bausparkassen verärgern mit ihrem Verhalten tausende Kunden. Ihr Verhalten erschüttert das Vertrauen auf Vertragstreue. Sogar diejenigen, die nicht direkt betroffen sind, haben daher guten Grund, die Bausparkassen nun aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten."

Ähnlich dürfte es wohl bald vielen Sparkassen ergehen. Immerhin gehörte laut der Verbraucherzentrale Bayern der "S-Prämiensparvertrag flexibel" viele Jahre zum Standardangebot der Sparkassen. Schon jetzt setzt massive Kritik am Verhalten der Sparkassen ein. "Indem Finanzinstitute versuchen, Sparverträge zu beenden, deren vertraglich vereinbarte Laufzeit noch nicht erreicht ist oder die als langfristige Geldanlage zum Beispiel zur Altersvorsorge beworben wurden, stellen sie das Prinzip der Vertragstreue in Frage", schreibt Beate Weiser, Referentin Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Neue Kündigungswelle bei Bausparkassen ab 2020?

Ab 2020 rechnet die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg übrigens mit einer neuen Welle von Kündigungen bei Bausparverträgen. Sie hat schon Klage gegen zwei Bausparkassen und einen Verband eingereicht. Dabei geht es um eine Klausel, die den Bausparkassen ein generelles Kündigungsrecht der Verträge nach 15 Jahren einräumt.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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