Lebensversicherung: Schon 0,9 Prozent Garantie ist zu viel

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Die Versicherungsaufsicht warnt die Lebensversicherer nachdrücklich davor, den Verbrauchern neue Verträge mit zu hohen Garantien anzubieten. Die Assekuranzen müssten intensiv prüfen, welchen Zins sie sich langfristig angesichts des Niedrigzinsumfeldes an den Kapitalmärkten noch leisten könnten.

Schon Produkte, die noch eine Garantie von 0,9 Prozent bieten, sind nach Einschätzung von Experten problematisch. „Wir werden die Berichte der verantwortlichen Versicherungsmathematiker an den Vorstand genau prüfen“, warnte Frank Grund, Exekutivdirektor der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Branche auf der Handelsblatt- Jahrestagung "Strategiemeeting Lebensversicherungswirtschaft".

Mit einem Reformvorschlag zu Riester sei in Kürze zu rechnen

Nach seiner Ansicht hätten die Unternehmen viel zu lange darauf gewartet, dass der Staat den so genannten Höchstrechnungszins (HRZ) senken würden. Mit einer staatlichen Vorgabe ist laut Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen (BMF), erst für 2022 zu rechnen. Für 2021 kann das Ministerium nicht mehr tätig werden. Hintergrund ist zudem, dass eine reformierte Riester-Rente den neuen Empfehlungen des BMF angepasst werden soll. Mit einem Reformvorschlag zu Riester sei in Kürze zur rechnen.

Derzeit werde in der Bundesregierung intensiv daran gearbeitet. Seit 2017 gilt der HRZ von 0,9 Prozent. Eine höhere Garantie dürften die Lebensversicherer ihren Kunden nicht mehr versprechen. Sie können aber Produkte mit geringeren Garantien anbieten. 2019 verkauften nach einer Bafin-Untersuchung noch rund 50 Prozent der Lebensversicherer neue Produkte mit rund 0,9 Prozent Garantie. Das Zinsumfeld habe sich seither aber weiter verschlechtert.

Bundesfinanzministerium soll 2022 den Höchstrechnungszins endlich senken

„Wer noch Produkte mit Garantien verkauft, muss das gegenüber der Aufsicht sehr gut begründen können“, sagte Grund. Der Aufseher verlangt sogar bei Riester-Policen eine Zurückhaltung bei den Verkäufen. Anscheinend rechnet die Branche damit, dass vielleicht aus Wettbewerbsgründen, Lebensversicherer weiterhin zu hohe Garantien versprechen. Daher hat Guido Bader, Mitglied des Vorstandes der Stuttgarter Lebensversicherung und Vorstandsvorsitzender der Deutsche Aktuarsvereinigung (DAV), das Bundesfinanzministerium deutlich dazu aufgefordert, am 1. Januar 2022 den Höchstrechnungszins endlich zu senken. Im Dezember wird die DAV dem BMF hierzu eine Empfehlung geben.

Vor der Branche liegt noch ein steiniger Weg

„Welchen Wert wir nennen werden, ist derzeit noch nicht klar, er wird aber auf keinen Fall über 0,5 Prozent liegen“, so Bader. Ende 2019 hatte die DAV empfohlen, den Wert auf 0,5 Prozent zu senken. Nach Einschätzung des Versicherungsmathematikers liegt vor der Branche noch ein steiniger Weg, da sich die gesetzlich vorgeschriebene Zinszusatzreserve immer mehr in die Bestände der Lebensversicherer „fresse“. Bader hofft, dass es hier keine weiteren Verschärfungen durch die Europäische Union geben wird.

"Von der Biometrie können nur eine Handvoll Versicherer leben"

Die die Lebensversicherer stark belastende Niedrigzinsphase sei politisch gewollt. Nach Einschätzung von Bader gebe es aber auch eine Grenze nach unten. Viel weniger als jetzt würden die Menschen nicht akzeptieren. Andernfalls könnte es zu Unruhen kommen, weil sich die Sparer enteignet sehen würden. Zwar würde das Geschäft mit biometrischen Produkten, vor allem der neuartigen Grundfähigkeitsversicherung gut laufen. „Doch von der Biometrie können nur eine Handvoll Versicherer leben, wir brauchen daher die Altersvorsorge“, sagte Bader.

Sehr positiv bewertete er die säulenübergreifende digitale Renteninformation. Das würde zu mehr Transparenz führen. „Die Menschen erkennen dann ihren Bedarf“, so Bader. Daher rechnet er damit, dass die Renteninfo zu mehr Neugeschäft beitragen kann.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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