Legaltechs und Rechtsschutzversicherer im Kampf um den Kunden

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Traditionalisten und Revolutionäre der Rechtsschutzversicherungswelt trafen sich kürzlich zu einem kleinen Schlagabtausch bei der MCC-Fachkonferenz "Rechtsschutzversicherung 2019" in Düren. Ein Fazit: Nur in Kooperation, nicht mit Konfrontation kann die Sparte wachsen und der Kunde seinen gewünschten Schutz erhalten.

Anfangs mussten erst einmal Klischees ausgetauscht werden: Die klassischen Anbieter sind langsam, ihre Infrastruktur veraltet, ihre Flexibilität geht gegen 0. Die Start-ups hingegen sind agil, modern und wandlungsfähig. So die Argumentation auf der Fachkonferenz.

Was Rechtsschutzversicherer (nicht) richtig machen

"Was können die Rechtsschutzversicherer richtig gut?", wollte Phillip Eder, Geschäftsführer der Allianz Rechtsschutz-Service GmbH und Moderator der MCC-Tagung, dann doch von Sven Bode, dem Geschäftsführer von Myright, einem Legaltech der ersten Stunde, wissen. Längeres Schweigen und dann die trockene bis leicht überhebliche Antwort: "Darauf habe ich noch keine Antwort gefunden. Auf jeden Fall stecken klassische Versicherer wie das Ihrige in einem Korsett und nutzen Software aus den 60er- und 70er Jahren."

Diese Allgemeinplätze konnte und wollte Eder natürlich nicht so stehen lassen und konterte: "Wir sind sicher keine Verbraucherschutzzentrale und wollen sicher auch wirtschaftlich arbeiten, aber wir produzieren gesellschaftlichen Mehrwert".  Wie dieser genau aussieht, beschrieb er dann aber nicht. Seine Antwort blieb eher im Vagen.

Allianz setzt auf Customer Centricity

Dass die Rechtsschutzversicherer gesellschaftliches Engagement auch wirklich mit Ernst betreiben wollen, bewies Eder am Beispiel seines Hauses, der Allianz, und eines neuen Projektes, das der Marktführer kürzlich in Angriff genommen hat. Das Schlagwort lautet hier "Customer Centricity". Dabei sollen (neue) methodische Ansätze für eine neue Ausrichtung auf den Kunden sorgen.

Die Details: Am Anfang der neuen Strategie stand die Frage, wo positive Kundenerlebnisse geschaffen werden können. Dafür hat der Branchenprimus "eine Wertschöpfungskette bis zum Kunden gelegt", die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden als Ausgangpunkt für alle Maßnahmen ausgelotet sowie ein neues digitales Vertriebs- und Marketingkonzept entwickelt.

 

Wichtig: Bereitschaft des Kunden, eine Empfehlung auszusprechen

Zu den kundenrelevanten Prozessen, die eingerichtet wurden, gehören unter anderem das Beschwerdemanagement, die Faktoren Kundenzufriedenheit und Kundensicht. Wobei der Aspekt der Kundenzufriedenheit, der bislang immer als der wichtigste Indikator für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens diente, hinter den Aspekt der Kundenloyalität getreten ist. Und dabei sei vor allem die Bereitschaft des Kunden, eine Empfehlung auszusprechen, zum erfolgsentscheidenden Faktor geworden. 

Bei der neuen Konzentration auf den Kunden ist aber nach Ansicht von Eder die Vielzahl der Kanäle – analog und digital, Mensch und Maschine – von entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grund arbeitet der Rechtsschutzversicherer der Allianz immer stärker sprachbasiert, auch mit Hilfe von Alexa. Zudem müsse eine genaue Datenanalyse vorgenommen werden, um das gewünschte Ziel zu erreichen. "Uns muss es gelingen, zielgenaue Kundeninformationen einzusammeln", skizziert Eder das Vorgehen und Ziel der Allianz.

Google und Amazon wissen weitaus mehr

Bislang wüssten die Versicherer zu wenig über ihre Kunden, da sie noch zu wenig digital seien. "Google und Amazon wissen weitaus mehr über die Menschen, ihre Kunden". Und genau dahin möchten auch die Allianz und andere klassische Versicherer kommen.

Die Entscheidung des Versicherers aus München für Customer Centricity ist aber auch in dem stark veränderten Kundenverhalten begründet. O-Ton Eder: "Der Kunde hat eine andere Mentalität als früher. Er will nicht nur vorsorgen, er will auch Leistungen aus der Versicherung herausholen, für ihn muss ein Return-on-investment möglich sein."

Klare und transparente Kommunikation mit dem Kunden wichtig

Wie die wirkliche, gelebte Konzentration auf den Kunden gelingen kann, damit befasste sich auch der Konferenzbeitrag von Kathrin Gotthold, Redakteurin bei "Finanztip", auf der Tagung. Für sie ist in erster Linie die klare und transparente Kommunikation mit dem Kunden wichtig, vor Vertragsabschluss, im Schadenfall und beim allgemeinen Gesprächsbedarf des Kunden.

Auch heute seien noch zu viele Verträge für den Kunden nicht eindeutig zu verstehen, viele wüssten nicht genau, wann sie mit Leistungen zu rechnen hätten und wann ihnen kein Versicherungsschutz zustehe. Vielen Versicherungskunden wären die Versicherungsbedingungen ein absolutes Rätsel und die Versicherer würden die Inhalte der Versicherungspolicen auch nicht klar kommunizieren. So würde es immer wieder zu Missverständnissen zwischen Kunde und Versicherer kommen.

Der Vorschlag von Eder zu diesem Problem: "Wir brauchen mehr Klarheit, mehr Präzision im Kundendialog. Die Grundstory muss klarer, präziser werden." Den Anstoß hierfür habe das Internet geliefert, das die Branche zu mehr Transparenz zwinge. Diese habe zwar schon geliefert, müsse aber noch besser werden. Und wenn die Versicherer schon bei der Prävention aktiv würden, könnten Unstimmigkeiten zwischen Kunde und Versicherer sicher ausgeräumt werden.

Unser Lesetipp für Sie

Weitere Details zu den obigen und weiteren Aspekten der Rechtsschutzversicherung und der MCC-Tagung in Düren finden Sie in der Dezember-Ausgabe von Versicherungsmagazin.

Autor(en): Meris Neininger

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