"Mehr Kapitaldeckung im System ist grundsätzlich richtig"

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Jörg Asmussen ist Geschäftsführer des Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Im Interview mit Versicherungsmagazin sprach er über die am 19. und 20. März stattfindende Veranstaltung "Zukunftsmarkt AltersVorsorge 2024", an der er als Keynote-Speaker teilnimmt, die Erwartungen des GDV an die Politik, sowie über die Relevanz der betrieblichen und privaten Altersvorsorge im Hinblick auf die Rentenlücke.

Sie sind dieses Jahr Keynote-Speaker bei der Veranstaltung "Zukunftsmarkt AltersVorsorge 2024" in Berlin. Welche Erwartungen an die Politik in Bezug auf das Thema AV werden Sie dort formulieren?

Jörg Asmussen: Im Jahr vor der Bundestagswahl muss es darum gehen, die angekündigten Reformen in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge endlich umzusetzen. Die Absicherung von Selbstständigen steht weiter auf der Agenda der Bundesregierung. Bei den Betriebsrenten wird es mit einer kleinen Novelle im Frühjahr losgehen. Jenseits von Sozialpartnermodellen muss die bAV in der Breite gestärkt werden mit pragmatischen Lösungen für kleine und mittelständische Unternehmen sowie einer besseren Geringverdienerförderung. Bei der privaten Altersvorsorge hat die Fokusgruppe beim Bundesfinanzministerium viel Vorarbeit geleistet. Es ist gut, dass private Altersvorsorge auch künftig freiwillig und privatwirtschaftlich bleiben soll. Auch, dass mehr Renditechancen durch flexible Garantieregelungen gehoben werden sollen. Aber nicht alle Empfehlungen gehen in die richtige Richtung. Für uns bleibt die lebenslange Rente der Kern von Altersvorsorge und die einzige Antwort auf die lebenslangen Ausgaben. Hieran darf nicht gerüttelt werden.

Wie muss sich das Rentensystem verändern, damit die Rente langfristig finanzierbar bleibt?

Die Politik muss die Grenzen der finanziellen Tragfähigkeit der ersten Säule im Blick behalten, der Bundeszuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung beträgt schon heute deutlich über 100 Milliarden Euro pro Jahr. Die gesetzliche Rente hält sich im Moment vor allem gut, weil der Arbeitsmarkt rund läuft. Die Koalitionspartner haben vereinbart, das Rentenniveau auf 48 Prozent festzuschreiben und ein kapitalgedecktes Generationenkapital zur Finanzierung aufzubauen. Mehr Kapitaldeckung im System ist grundsätzlich richtig. Wie weit diese Konstruktion tragen kann, ist aber noch nicht klar. Umso wichtiger bleibt, dass wir nach den Rentenreformen vor über 20 Jahren jetzt die Rahmenbedingungen für ein stabiles Drei-Säulen-System insgesamt klug nachziehen. Die Verbreitung von privater und betrieblicher Altersvorsorge ist zuletzt ins Stocken geraten, wir brauchen aber alle drei Säulen in einer rapide alternden Gesellschaft.

Wie auch eine aktuelle Studie des GDV noch einmal unterstrichen hat, wird die gesetzliche Rente zukünftig für die meisten Menschen nicht mehr ausreichen. Welche Relevanz haben bAV und pAV vor diesem Hintergrund aus Ihrer Sicht?

Beide Säulen, bAV und pAV, sind und bleiben gleichermaßen hochrelevant. Die Daten sind eindeutig: Die heutige Riester-Rente und die betriebliche Altersversorgung haben sich immer gut ergänzt, sie erreichen teilweise unterschiedliche Zielgruppen. Daran müssen wir anknüpfen. Klar ist: Auch mit einer noch so guten bAV werden wir nicht jeden und jede erreichen können. Gerade Menschen mit diverseren Berufsbiografien oder längeren Unterbrechungen brauchen die geförderte Privatvorsorge. Das betrifft oft Frauen mit Kindern. Deshalb muss hier auch künftig ein Förderschwerpunkt liegen.

Viele Baby Boomer gehen bald in Rente. Welche Herausforderungen kommen da auf Versicherer zu?

Die Demografie wirkt auf nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche, und die Versicherungswirtschaft ist als Sektor auf sehr vielfältige Weise mit der Gesellschaft verwoben. Von "A" wie "alternde Mitarbeiterschaft" über "F" wie „Fachkräftemangel bis "Z" wie "Zusatzversicherung" ist alles dabei. Im Bereich der Alterssicherung werden wir sehen, dass viele Verträge, die in Folge der Reformen zur Jahrtausendwende geschlossen wurden, nun in die Auszahlungsphase kommen. Ich schätze, dass allein die Versicherer heute bereits über 500.000 Riester-Verträge in der Rentenphase haben. Die Entgeltumwandlung der bAV, die seinerzeit zu einem enormen Schub bei unseren Pensionskassen geführt hatte, steuert noch einmal hunderttausende an Verträgen bei. Wir werden also für viele Menschen einen Unterschied machen in ihrer Versorgung. Für diese Menschen wird sich ganz konkret zeigen, dass sich eigene Vorsorge lohnt. Für uns Versicherer selbst und unsere Vertriebe ist die Gewinnung und das Halten neuer Beschäftigter eine zentrale Aufgabe, da viele Mitarbeitende in Rente gehen werden. Es ist eine Daueraufgabe, ein attraktiver Arbeitgeber in einer vielfältigen Gesellschaft zu bleiben.

Das Interview führte Frederik Schmidt schriftlich.

Autor(en): Frederik Schmidt

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