Nachhaltige Kunden sind gute Kunden

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Versicherungen und Nachhaltigkeit – das geht aus Sicht vieler Verbraucherinnen und Verbraucher noch nicht zusammen. Der Informationsbedarf ist hoch – mehr Engagement könnte sich aber lohnen.

Laut einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung unter 2.000 Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern zwischen 18 und 69 Jahren zum Thema Nachhaltigkeit und Versicherungen ist sieben von zehn Befragten das Thema Nachhaltigkeit persönlich wichtig oder sehr wichtig. Beim privaten Konsum liegt der Lebensmitteleinkauf mit 64 Prozent Nennungen vorne, was die Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten angeht.

Nachhaltig Kosten sparen

Die stark gestiegenen Lebensmittelpreise dürften einen Beitrag leisten, beispielsweise über den Fleischkonsum nachzudenken oder stärker regional auf dem Wochenmarkt oder im Hofladen beim örtlichen Bauern einzukaufen. Einspareffekte an der Ladenkasse und Reduzierung von CO2-Emissionen gehen dabei Hand in Hand.

Knapp dahinter landen die Heizung mit 62 Prozent und technische Haushaltsgeräte mit 61 Prozent Nennungen. Auch hier darf man davon ausgehen, dass die galoppierenden Kosten ein treibendes Motiv darstellen, denen mit Energieeinsparung begegnet werden soll.

Versicherungen lieber günstig als nachhaltig?

Deutlich seltener werden die Bereiche Mobilität, Kleidungs- und Kosmetikeinkauf oder Urlaubsreisen unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten betrachtet. Besonders gering sind die Anteile derjenigen, denen Nachhaltigkeit bei Restaurantbesuchen (27 Prozent), Anlagen (26 Prozent) oder Versicherungen (21 Prozent) wichtig ist. Bei Versicherungen würde zudem eine klare Mehrheit von 57 Prozent lieber günstiger, aber nicht nachhaltig abschließen als umgekehrt für Nachhaltigkeit Aufschläge in Kauf zu nehmen.

Allerdings dürfte der Rückschluss falsch sein, dass es sich nicht lohnt, in der Versicherungsberatung Nachhaltigkeit anzusprechen. Denn erstens wissen die Kunden meist gar nicht, worin der Zusammenhang zwischen Versicherungen und Nachhaltigkeit besteht. Das ist für Laien wesentlich weniger offensichtlich als im Fall der aus fernen Ländern importierten Lebensmittel oder von verbrauchs- und emissionsintensiven Verbrenner-Heizungen.

Betuliche Werbung von gestern

Zweitens tut die Versicherungsbranche bisher viel zu wenig, dieses Wissen zu fördern. Während die Bank- und Fondsbranche der Konsumgüterindustrie nacheifert und ihre Werbung mit Hinweisen auf die Nachhaltigkeit der Anlagen versieht, kommt Versicherungswerbung oft noch im Gewand der 1990er Jahre daher – ein wenig Klappern mit dem Risiko-Sargdeckel und ganz viel Sicherheits-Wohlfühlatmosphäre, aber kein Wort zur Nachhaltigkeit. Bei den Befragten der oben erwähnten Studie jedenfalls hat bisher nur ein einstelliger Prozentsatz eine Werbung oder sonstige Information wahrgenommen.

Drittens ist ein Blick auf die Kundentypen interessant. Die 2.000 Befragten wurden nach den beiden Kriterien Allgemeine Einstellung zur Nachhaltigkeit beim privaten Konsum sowie Tradeoff zwischen „teuer und nachhaltig“ und „nicht nachhaltig, aber preiswerter“ in Gruppen unterteilt.

Nachhaltigkeits-Cluster

19 Prozent „Nachhaltigkeits-Überzeugte“ zeigen dabei eine deutlich überdurchschnittlich positive Haltung zur Nachhaltigkeit und ebenso eine überproportionale Zahlungsbereitschaft. 34 Prozent „Nachhaltigkeits-Wohlwollende“ liegen bei beiden Kriterien zumindest leicht über dem Durchschnitt.

41 Prozent zeigen als „Nachhaltigkeits-Skeptiker“ Zurückhaltung und liegen sowohl bei der Einstellung als auch der Zahlungsbereitschaft leicht unter dem Durchschnitt. Gerade einmal sechs Prozent „Nachhaltigkeits-Gegner“ sind offenkundig weder von der Nachhaltigkeitsidee überzeugt noch bereit, dafür mehr Geld auszugeben.

Nachhaltig mehr abgeschlossen

Für die Versicherungswirtschaft besonders interessant sind die „Nachhaltigkeits-Überzeugten“. Sie haben mit durchschnittlich 5,6 Versicherungen (gezählt nach Produktart, es können also im Einzelnen auch mehrere Verträge je Produktart vorhanden sein) etwas mehr als der Durchschnitt (5,4) und deutlich mehr als die „Nachhaltigkeits-Gegner“ (4,8) abgeschlossen.

Mit 248 Euro geben sie zudem gut zehn Prozent mehr als der Durchschnitt im Monat aus. Die „Nachhaltigkeits-Gegner“ liegen mit 185 Euro rund 16 Prozent unter dem Durchschnitt.

Beenken Weiterempfehlung

Nachhaltige Kunden bevorzugen Profi-Berater

Alle Befragten informieren sich am häufigsten per Internet über Versicherungen (47 Prozent), gefolgt von Vergleichsportalen (36 Prozent). Die Anbieter selbst und die Vermittler werden nur von etwas weniger als jedem dritten Befragten als Informationsquelle herangezogen. Große Unterschiede nach der Nachhaltigkeitseinstellung sind hierbei nicht zu erkennen.

Interessant wird es aber beim Thema Beratung: Die „Nachhaltigkeits-Überzeugten“ lassen sich deutlich am häufigsten von Versicherungsunternehmen (42 Prozent) oder Versicherungsvertretern (40 Prozent) beraten. Internet und Vergleichsportale treten hier in den Hintergrund. Bei den „Nachhaltigkeits-Wohlwollenden“ haben zudem die Versicherungsmakler eine relativ zum Durchschnitt stärkere Akzeptanz (26 Prozent). Die „Nachhaltigkeits-Gegner“ dagegen setzen auch bei der Beratung klar auf das Internet statt auf Profis.

Nachhaltige Kunden empfehlen Versicherungen weiter

Freuen über nachhaltige Kunden sollten sich Versicherer und Vermittler auch in Sachen Weiterempfehlungsbereitschaft. Gemessen als Net Promotor Score (NPS) – also der Differenz aus besonders empfehlungsfreudigen und aus abwanderungsbereiten Kunden – stechen die „Nachhaltigkeits-Überzeugten“ mit einem NPS von 51,4 gegenüber Versicherungsgesellschaften und 34,1 gegenüber ihrem wichtigsten Berater hervor. Auch im Schadensfall sind sie besonders zufrieden. Die „Nachhaltigkeits-Wohlwollenden“ liegen ebenfalls bei allen drei NPS-Werten zumindest leicht über dem Durchschnitt, die „Nachhaltigkeits-Skeptiker“ und die „Nachhaltigkeits-Gegner“ dagegen darunter.

Zusammenfassend lohnt es sich für Versicherer und Vermittler, diejenigen Kunden zu identifizieren, die sich stärker für Nachhaltigkeit interessieren. Gezielte Informationen über den Beitrag von Versicherungen zur Nachhaltigkeit wecken bei diesen Zielgruppen Interesse. Und zumindest knapp jeder fünfte dieser Kunden wäre bereit, mehr zu zahlen beziehungsweise bei Lebens- und Rentenversicherungen Abstriche bei der Rendite hinzunehmen, wenn ihnen dafür glaubhaft Nachhaltigkeit geboten wird.

Bei den übrigen Kunden sollte dagegen kommuniziert werden, dass Nachhaltigkeit auch ohne Mehrkosten beziehungsweise Minderrendite möglich ist. Nur bei denjenigen, die den Klimawandel immer noch für Fake News halten und auf den Begriff Nachhaltigkeit allergisch reagieren, würde eine Betonung der Nachhaltigkeit den Verkaufserfolg gefährden. Dabei geht es aber um ganze sechs Prozent der Bevölkerung, die ohnehin weniger Versicherungen abschließen und „dem Internet“ mehr glauben als den Profis.

Autor(en): Matthias Beenken

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