Nachhaltigkeit als Beratungsthema polarisiert

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Die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen ist im Alltag der Versicherungsmakler angekommen. Wie die Kunden darauf reagieren.

Die Zeitschrift Asscompact befragte gut 400 Vermittler, überwiegend Versicherungsmakler und Mehrfachvertreter, zu ihren bisherigen Erfahrungen mit der Nachhaltigkeitsberatung. Die Befragten waren durchschnittlich 56 Jahre alt und 28 Jahre in der Branche unterwegs. 41 Prozent von ihnen wollen frühestens mit 70 Jahren aus dem Beruf aussteigen, im Durchschnitt liegt das Wunsch-Austrittsalter bei 68 Jahren. Das dürfte weniger etwas mit Nachhaltigkeit als vielmehr mit den schwierigen Marktbedingungen zu tun haben – Stichwort Nachwuchsmangel.

Umsatztrend rückläufig

Private Vorsorge macht im Produktmix der Teilnehmer rund 15 Prozent aus. Hinzu kommen rund zehn Prozent Geschäftsanteil der Betrieblichen Altersvorsorge, bei der je nach Formulierung der Nachhaltigkeitsstrategie auch eine Nachhaltigkeitsbefragung Thema sein kann.

Das private Vorsorgegeschäft macht den Vermittlern derzeit eher wenig Freude. Drei von zehn Befragten sehen 2022 einen gegenüber dem Vorjahr schlechteren Umsatztrend, nur 16 Prozent einen besseren.

Viel Schulungsbedarf in Sachen Eignungsprüfung

Die Nachhaltigkeitsbefragung ist Teil der bereits seit 2018 bekannten Eignungsprüfung, bei der Kunden zu ihren Erfahrungen, Zielen und finanziellen Verhältnissen befragt werden sollen, damit sie nur geeignete Versicherungs-Anlagen empfohlen bekommen. Interessanterweise fühlen sich nur 44 Prozent der Befragten sicher im Umgang mit der Eignungsprüfung, 14 Prozent unsicher und der Rest „teils/teils“ sicher. Ein Schulungsbedarf wird von rund acht von zehn Befragten gesehen.

Hilfsmittel werden bisher eher selten eingesetzt, was auch mit deren zögerlicher Entwicklung zusammenhängt – wo die Rechtssicherheit fehlt, tun sich Anbieter beispielsweise von Ratings schwer. So setzt bisher nicht einmal jeder vierte Befragte Produkt- oder Versicherer-Ratings oder Siegel zur Nachhaltigkeit ein. Nur geringfügig mehr sind es, die Checklisten, Software und Ähnliches angeben einzusetzen. In diesem Bereich leisten bisher die Maklerverbände und der Arbeitskreis Beratungsprozesse Pionierarbeit, aber selbst deren Hilfen werden letztlich nur von jeweils wenigen Prozent der Makler verwendet.

Vertriebschance Nachhaltigkeit?

Immerhin 42 Prozent sehen eine steigende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten in der privaten Vorsorge. Allerdings erkennen nur 37 Prozent darin eine Vertriebschance, 30 Prozent verneinen dies, gut ein Drittel der Befragten ist offensichtlich unsicher.

Ein Manko ist, dass bisher gut zwei Drittel der Befragten nicht sicher sagen können, dass sie eine Erstinformation zum Thema Nachhaltigkeit für ihre Kunden bereithalten. Da man von viel Unsicherheit und Fragen auf Kundenseite ausgehen muss, wäre das eine wichtige Basis für die Eröffnung eines qualifizierten Beratungsgesprächs, das eben auch auf die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden eingeht.

Überraschend ist, dass etwas mehr als jeder vierte Befragte ein vielfältiges Angebot an nachhaltigen Produkten im privaten Vorsorgegeschäft wahrnimmt. Der Anteil derjenigen, die das glatte Gegenteil als richtig ansieht, ist gerade genauso groß, der Rest ist wieder unsicher. Daraus lässt sich vorsichtig ableiten, dass es jedenfalls nicht an einem Mangel an Angeboten liegt, wenn Makler bisher noch keine Absatzerfolge mit nachhaltigen Versicherungen haben sollten.

Sustainability Opt-in oder Opt-out

Eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie gibt knapp jeder vierte Makler an, gut jeder zweite dagegen hat keine, jeder vierte ist unsicher. Und immerhin 17 Prozent sagen, dass bei ihnen nachhaltige Produkte erste Wahl sind, Kunden müssten vielmehr explizit diese abwählen, wenn sie von dem Konzept nicht überzeugt sind – quasi ein „Sustainability Opt out“. 58 Prozent dagegen verneinen dies und gehen offenbar umgekehrt davon aus, dass der Kunde explizit Nachhaltigkeit verlangen muss („Opt-in“), der Rest ist wieder unentschieden mit der Antwort „teils/teils“.

In den freien Kommentaren zum Thema Nachhaltigkeit zeigt sich, dass das Thema wie in der Gesamtbevölkerung auch bei Maklern das Potenzial hat zu polarisieren. Zwar nur sehr vereinzelt, gibt es aber auch unter den Befragten Klimawandel-Leugner und Kritiker von Nachhaltigkeit als Anlage-Kriterium.

Nachhaltigkeit Vorsorge

Strategische Ansätze von Maklern

Aber es gibt auch erste, differenzierte Aussagen zu einer Nachhaltigkeitsstrategie. Beispielsweise gibt ein Makler an, „bei gleicher Preisausgestaltung stets das nachhaltige Konzept“ auszuwählen, und das auch in der Kompositversicherung. Dafür seien die Kunden sogar bereit, einen Aufschlag jedenfalls bei Kompositprodukten zu zahlen.

Ein anderer nennt konkrete Ausschlüsse („PAIs“), die er bei der Fondsauswahl berücksichtigt. Mehrfach werden Maßnahmen im eigenen Betrieb wie die Vermeidung von unnötigen Fahrten und Durchführung von Kundenberatungen per Video oder Papiervermeidung genannt.

Freiwillige Befragung und erste Erfolge

Die Studie gibt Aufschluss über die mengenmäßige Bedeutung der Nachhaltigkeitsberatungen. Die Befragten haben im Durchschnitt bislang 33 Beratungen zu Versicherungsanlageprodukten im laufenden Jahr 2022 durchgeführt. Allerdings muss die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen erst spätestens seit 2.8.2022 erfolgen. Die Befragung erfolgte in der ersten Augusthälfte.

Das relativiert die durchschnittlich 17 Beratungen mit Nachhaltigkeitsbefragung, die jedenfalls drei Viertel derjenigen Makler angegeben haben, die die vorhergehende Fragestellung beantwortet hatten. Durchschnittlich knapp elf Kunden waren an nachhaltigen Versicherungsanlagen interessiert, und in durchschnittlich zwölf dieser Fälle war ein Angebot nachhaltiger Versicherungsanlagen möglich. Auch wenn die Aussagekraft durch leicht abweichende Teilstichprobengrößen eingeschränkt ist, deutet das darauf hin, dass eine Mehrheit der auf das Thema Nachhaltigkeit angesprochenen Kunden positiv reagiert, und dass ein Vertrieb nachhaltiger Versicherungsanlagen jedenfalls nicht an einem fehlenden Angebot scheitern muss.

Die Studie Asscompact Award Private Vorsorge 2022 kann kostenpflichtig bei der BBG Betriebsberatungs GmbH (E-Mail: tannreuther@bbg-gruppe.de) bestellt werden.

Autor(en): Matthias Beenken

Zum Themenspecial "Nachhaltigkeit"

 

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