"Nur wer loslässt, hat die Hände frei"

740px 535px

Sylvia Eichelberg, Vorstandsvorsitzende der Gothaer Kranken, über die grundsätzliche Entwicklung der betrieblichen Krankenversicherung (bVK), die digitale Entwicklung ihres Unternehmens und das Kundeninteresse an Telematik.

Verändert sich aktuell die grundsätzliche Positionierung der bKV?
Krankenversicherungen standen bisher für den Anspruch, Kundinnen und Kunden beim  „Gesundwerden“ zu unterstützen. Aber heute ist der Bedarf und damit der Anspruch „gesund zu bleiben“. Convenience und konkreter Nutzen punkten, auch bei Versicherungsangeboten. Ansätze dafür sind die Unterstützung bei der Arztsuche und dabei, eine Zweitmeinung einzuholen ebenso wie die Suche nach passgenauen Programmen, um wieder auf die Beine zu kommen. Die Menschen beschäftigen sich aber aktiv mit ihrer Gesundheit. Themen sind hier Ernährung und – was mich als Managerin  freut – mentale Gesundheit, die nun in der Arbeitswelt eine größere Rolle spielt.

Mittlerweile erzählen mir vermehrt auch Manager, wie sie ihren Stresslevel steuern, damit sie gesund bleiben, und wie sie Herausforderungen bewältigen. Gerade angesichts des Homeoffice-Trends ist es wichtig, darüber offen zu sprechen. Denn wer nicht vor Ort ist, kann leichter verbergen, dass es ihm gerade nicht gut geht.

Beim Thema mentale Gesundheit arbeiten Sie mit vielen digitalen Partnern zusammen. Wie digital ist die Gothaer Krankenversicherung selbst?
Im Marktvergleich haben wir hohe Dunkelverarbeitungsquoten im Leistungsbereich. Die Versicherten haben die berechtigte Erwartung, dass eine digital eingereichte Rechnung schnell bearbeitet wird. Unser Anspruch muss sein, den Anteil von derzeit 80 Prozent möglichen digitalen Geschäftsvorfällen kontinuierlich zu erhöhen. Aber noch nicht jeder Kunde hat der digitalen Kommunikation  zugestimmt. Das Häkchen wird meist bei Vertragsabschluss gesetzt. Derzeit fragen wir im Kundenkontakt diesbezüglich nach. Auch hier gilt: Wer den Nutzen sieht, der stimmt zu.

Welche Erwartungen haben Sie an die Telematik im Gesundheitswesen?
Schauen wir doch mal nach Schweden. Dort gibt es 99 Prozent E-Rezepte. Das ist ein Ziel, auf das wir uns mit der Anbindung der Apotheken auch in Deutschland zubewegen. Wenn die digitale Infrastruktur vorhanden ist, lassen sich viele Milliarden Euro einsparen, die an anderen Stellen gewinnbringender eingesetzt werden können. Wenn es um persönliche Daten und Tracking geht, sehe ich große Chancen bei Gesundheitsleistungen, die von Künstlicher Intelligenz unterstützt werden. Aber ich bin kein Freund von Bonus oder Malus dank Tracking.

Daher finde ich die darauf basierten Produkte nicht überzeugend. Digitalisierung muss dem Kunden einen Nutzen bieten. Das haben wir bei der Corona-Warn-App gesehen. Sie wurde millionenfach heruntergeladen, weil die Menschen ihren Vorteil gesehen haben. Wir entwickeln viele Dinge. Aber wenn sie von den Kunden nicht angenommen werden, dann müssen wir sie einstellen – denn nur wer los lässt, hat die Hände frei.

Ist die jüngere Generation offener für Telematik im Gesundheitswesen, als es ältere sind?
Die junge Generation ist bei digitalen Gesundheitsangeboten und gerade bei mentaler Gesundheit sehr offen. Dort kennen alle Headspace. Aber wenn der Nutzen eines Angebots klar ist, spielt das Alter keine Rolle.

Das Interview führte Steffi Hüthig, Chefredakteurin, Versicherungsmagazin

Unser Lesetipp für Sie

In der August-Ausgabe von Versicherungsmagazin finden Sie ein ausführliches Interview mit Sylvia Eichelberg. In diesem spricht sie unter der Überschrift "Arbeitgeber wünschen sich häufig schnelle Erlebbarkeit" über Wachstumsraten, betriebliche Vorsorge, Produktentwicklungen und Vertriebsunterstützung.

Sie wollen nähere Details zu den Strategien und Plänen der Gothaer erfahren oder sind auch an anderen branchenrelevanten Themen interessiert? Dann bestellen Sie gleich ein Probe-Abo!

Autor(en): Steffi Hüthig

Alle Branche News