Pflege-Bahr: Für Jüngere fast Vollkasko

Erhebliche Kritik an einem Test der Stiftung Warentest zum Pflege-Bahr äußerten Branchenvertreter Mitte Juni auf einem Workshop des Analysehauses KVpro.de in Berlin. "Verbraucherschützer und die Stiftung Warentest gehen mit dem Thema fahrlässig um", sagte Stephan Schinnenburg vom Softwarehaus Morgen & Morgen. So habe die Stiftung Warentest mit der Auswahl hoher Altersgruppen ein falsches Bild der Absicherung gemalt.

Vollkommen unsinnig sei es, wenn die Verbraucherzentrale Hamburg behaupte, mit 15 Euro Rücklage pro Monate, könne man das Risiko von Pflegebedürftigkeit ausreichend absichern. Für Menschen um die 30 sei die staatlich unterstützte Pflegeversicherung bereits fast ein Vollkaskoschutz. Wer zu Beispiel im Alter von 20 Jahren eine geförderte Pflegeversicherung zu den Mindestbedingungen abschließt, kann eine monatliche Leistung von fast 2.000 Euro in Pflegestufe III absichern. Das ist mehr als das Dreifache der gesetzlich definierten Mindestleistung von 600 Euro. Dabei gibt es am Markt aber große Unterschiede, wie Morgen & Morgen ermittelt hat. Bei einer Beitragsspanne von monatlich 15,04 Euro und 15,40 Euro unterschieden sich die Pflegemonatsgelder bei den 20-Jährigen am stärksten. Sie liegen in Pflegestufe III zwischen 1.980 Euro beim besten und 840 Euro beim schlechtesten Anbieter.

Pflege-Bahr ist ein Türöffner
Auf keinen Fall sei Pflege-Bahr ein "Sammelbecken schlechter Risiken". Daher würden auch künftig die Prämien nicht explodieren. "Die Kalkulation von Pflege-Bahr ist im Gegenteil auf Sicherheit ausgelegt", betonte Wiltrud Pekarek, Mitglied der Vorstände der Halleschen Krankenversicherung. Wie gut die Kalkulation tatsächlich ist, wird sich jedoch aufgrund der fünfjährigen Wartezeit erst aufgrund erster Schadenfälle nach rund sechs bis sieben Jahre zeigen. Andreas Trautner, Experte für Kranken- und Pflegeprodukte von der Deutschen Makler Akademie verwies darauf, dass Makler ein Haftungsproblem hätten, wenn sie nicht grundsätzlich in jedem Beratungsgespräch über die Pflegeversicherung und speziell über Pflege-Bahr informieren würden. Der Aufwand für eine Provision von 30 bis 40 Euro sei zudem schon deshalb vertretbar, weil Pflege-Bahr ein "Türöffner" sei.

Pflege-Bahr sei ein typisches Aufbauprodukt. Nach Einschätzung von Produktanalytiker Schinnenburg hat Pflege-Bahr, der immer als Tagegeld verkauft wird, die Pflegerentenversicherung noch nicht "ausgebootet." Zwar sei die Pflegerente im Vergleich zum Pflegetagegeld doppelt so teuer, doch Vorteile der Pflegerente seinen Beitragsbefreiung- und -rückgewähr sowie der eigenen Prüfungsmaßstab für Demenz und Leistungen auch bei Auslandsaufenthalt. "Zudem sind sich die Produkte hinsichtlich der Kalkulation in so weit ähnlich, dass bei steigendem Schadenbedarf bei den Pflegerenten die Überschüsse gekürzt und beim Pflegetagegeld die Beiträge angehoben werden."

Wer betroffen ist, ist aufgeschlossen
Laut einer Auswertung der Huk-Coburg, wird der Pflege-Bahr derzeit vor allem von Menschen abgeschlossen, die in ihrem persönlichen Umfeld durch Eltern oder Bekannte bereits von Pflegebedürftigkeit betroffen sind. So liegt das Durchschnittsalter von Pflege-Bahrkunden bei der Huk-Coburg derzeit bei rund 51,5 Jahren; bei Kunden, die über den Kooperationspartner Barmer-GEK kommen bei 52 Jahren und bei der Pax Familienkrankenversicherung sogar bei 55,5 Jahren. Insgesamt hatte die Huk-Coburg-Gruppe bis Ende Mai rund 7.000 Policen abgeschlossen.

Im Markt dürfte das Durchschnittsalter sogar noch tiefer liegen. So haben laut PKV-Verband fast 40 Prozent jüngere Menschen im Alter zwischen 25 und 35 Jahre eine solche Police gekauft. Jeden Tag würden sich derzeit 1.000 Menschen für den Pflege-Bahr entscheiden, so der PKV-Verband. Auch die Zahl der Anbieter steigt ständig. Aktuelle ist die R+V mit einem Produkt auf den Markt gekommen. Pflege-Bahr soll bereits die Marke von 150.000 verkaufte Policen überschritten haben. Gleichzeitig gewinnt die klassische Pflegezusatz-Versicherung. 2012 konnte die Zahl der Verträge in der PKV um 16,3 Prozent oder von 306.300 auf knapp 2,2 Millionen gesteigert werden.

Bild: Birgit Cordt

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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