Pflegebedürftigkeit - entlastet der Staat wirklich?

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Seit Ende September 2019 gelten Neureglungen zur finanziellen Entlastung der Angehörigen von Pflegebedürftigen. Zugegeben die Einkommensgrenze, die das Angehörigen-Entlastungsgesetz für die nahen Angehörigen definiert, macht die Situation klarer und führt zur Verschlankung der Verfahren. Doch Kinder zahlen erst, wenn das gesamte Vermögen und damit das Erbe verbraucht ist. Für die vielfach vom Bürger angestrebte häusliche Pflege gibt es derzeit keine staatliche Unterstützung.

Wer lange zuhause gepflegt werden möchte, sollte den erhöhten Liquiditätsbedarf, auch für häusliche Pflege, durch eine Pflegeversicherung absichern und den Pflegegrad so früh wie möglich beantragen. Das sind gute Voraussetzungen für Lebensqualität bis zum Schluss.

Das sollten Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wissen:

Alle Vermögenswerte (auch Immobilien) werden verbraucht
Bevor Kinder herangezogen werden, werden alle Einnahmen des Pflegebedürftigen herangezogen: Einkommen, Renten, Pensionen, Mieten, Leistungen aus Pflegeversicherungen, Leistungen der Grundsicherung, Mieten und Zinsen (alle Einkommensarten). Das gleiche gilt für sein gesamtes Vermögen (künftiges Erbe). Das betrifft zunächst sein Geldvermögen. Danach wird die Immobilie belastet. Dazu wird in aller Regel eine Zwangshypothek seitens des Amtes eingetragen. Falls der Bedürftige verheiratet ist, kann der Ehepartner weiterhin in der Immobilie leben, bis dieser in ein Pflegeheim umzieht oder verstirbt. Bei Tod des Pflegebedürftigen schmälert die Hypothek den Wert der Immobilie. So zahlen die Erben die Pflegekosten mit.

Wer zahlt, bestimmt: Wenn der Staat zahlt, ist ein günstiges Pflegeheim die Regel
Der Staat wird alle Maßnahmen treffen, um den Pflegebedürftigen am Leben zu halten. Dafür ist kein Pflegeheim mit besonderer Ausrichtung oder in einer bestimmten Region notwendig. Der (günstige) Preis wird eine entscheidende Rolle spielen. Es gibt dazu Beispiele, bei denen sogar langjährige Eheleute in unterschiedliche Pflegeheime verlegt wurden, weil es billiger war oder zunächst nur ein Platz frei war.

Bei Patchwork-Familien muss das Liquiditätsrisiko unbedingt geklärt werden
Bei traditionellen Familien ist das Risiko auf die Kinder beschränkt. Bevor Kinder zahlen, ist der Ehepartner zum Unterhalt verpflichtet. Was für langjährige Paare selbstverständlich ist, kann bei Patchworkfamilien dann zu großen Konflikten führen: Wenn etwa aus Sicht des Stiefkindes die Mutter ihr Vermögen für den neuen Stiefvater aufbringen muss. Das Schonvermögen bei Verheirateten beträgt 10.000 Euro, bei Alleinstehenden 5.000 Euro.

Schenkungen von Geldwerten oder Immobilien können zurückgefordert werden
Verschenktes Vermögen, kann innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vom Amt oder dem Schenker rückgängig gemacht werden, wenn der Bedarfsfall vorliegt.

Kinder mit einem Jahreseinkommen ab 100.000 Euro zahlen
Wenn das Depot verbraucht, das Haus verkauft oder bis zur Maximalgrenze belastet ist, die Schenkungen der letzten zehn Jahre zurückgefordert sind und auch das Vermögen bis zur Grenze des Schonvermögens beim Ehepartner aufgebraucht ist, kommen die Kinder ins Spiel. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch sind nahe Verwandte einander zum Unterhalt verpflichtet. Hierbei zählt das Jahresbruttoeinkommen des Kindes mit allen Einkommensarten. Seit den Neuerungen spielt weder das Einkommen des Schwiegerkindes und noch das Vermögen des Kindes eine Rolle.

Unterhalt der Eltern bei erwachsenen Kindern
Im Zuge der Neureglung gilt die gleiche Einkommensgrenze für Eltern, um für Unterhaltsleistungen bei bedürftigen erwachsenen Kindern herangezogen zu werden.

Liquiditätsrisiko im Alter
Eines der großen Risiken mit enormen Konfliktpotenzial ist das Liquiditätsproblem bei Pflegebedürftigkeit. Hier gilt es per Pflegestatus Transparenz zu schaffen, denn die bevollmächtigte Person muss im Pflegefall Entscheidungen treffen. Das neue Gesetz erscheint auf den ersten Blick wie eine Entlastung der Angehörigen. In vielen Fällen wird das Erbe verbraucht. Zudem gibt es keine neue Unterstützung für den Bereich der häuslichen Pflege.

Häusliche Pflege möglich machen

Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, regt eine Weiterentwicklung finanzieller Leistungen für pflegende Angehörige an. "Ich finde etwa die Idee einer echten Lohnersatzleistung analog dem Elterngeld sehr spannend", sagte Westerfellhaus der "Morgenpost" bereits vor einem Jahr.

 

Autor(en): Margit Winkler, Institut Generationenberatung

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