Nach der Flutkatastrophe vom vergangenen Sommer hat die Nachfrage nach Elementarversicherungen stark zugenommen. Aber immer noch ist rund jedes zweite Haus unversichert.
Der nordrhein-westfälische Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, Professor Andreas Pinkwart, setzt auf die Vernunft der Hausbesitzer und Betriebsinhaber. Mit einer Charme-Offensive will sein Ministerium dafür werben, die bestehenden Gebäudeversicherungen um eine Elementarschadendeckung zu erweitern.
Nachfrage sprunghaft gestiegen
99 Prozent aller Gebäude seien grundsätzlich versicherbar, so Ulrich Leitermann, Vorstandsvorsitzender der Signal Iduna Versicherungen und Sprecher des Arbeitskreises der nordrhein-westfälischen Versicherungswirtschaft. Nach dem Sturm Bernd mit verheerenden Verwüstungen in NRW und in Rheinland-Pfalz sei die Nachfrage nach Elementarschadendeckungen sprunghaft gestiegen.
Manche Versicherer böten ihre Gebäudeversicherungen nur noch mit Elementarschadendeckungen als Vorbelegung an, der Kunde müsse diese gegebenenfalls aktiv abwählen. Trotz allem aber sind bislang fast jedes zweite Wohngebäude und wohl auch viele Betriebe in NRW nicht gegen Hochwasser und ähnliche Risiken versichert. Das sei zwar eine wesentlich bessere Abdeckungsquote als im benachbarten Rheinland-Pfalz, betonte Minister Pinkwart. Aber zufrieden stelle das noch nicht.
Versicherer haben Flutopfern geholfen
Der Minister lobte die Versicherungsbranche aus Anlass der Vorstellung einer Studie zur Bedeutung der Branche im Bundesland NRW, die von dem Unternehmen Prognos nach zehn Jahren neu aufgelegt worden ist. Sie sei ein „Stabilitätsanker“, der „nicht nur mit finanziellen Mitteln“ in der Flutkatastrophe geholfen habe.
Auch die vielen Mitarbeiter und Vermittler hob Pinkwart hervor, die vor Ort gewesen seien und den Menschen geholfen hätten. Das sind grundlegend andere Töne, als sie in der Medienberichterstattung vor allem durch den landeeigenen ARD-Sender WDR regelmäßig verbreitet wurden. In deren Nachrichtenformaten gewann man im Gegenteil oft den Eindruck, als drücke sich die Versicherungswirtschaft vor ihrer Aufgabe, den Flutopfern zu helfen und den Wiederaufbau zu finanzieren. Manche Geschäftsleute ließen sich vor laufender Kamera zitieren, eine Elementarschadenversicherung sei ihnen zu teuer gewesen, und nun müsse der Steuerzahler aushelfen. Kritische Fragen der Journalisten dazu blieben aus.
Banken müssten Elementardeckungen verlangen
Nach Pinkwarts Aussagen habe es keine substanziellen Beschwerden über die Schadenregulierung von Bürgerinnen und Bürgern in seinem Ministerium gegeben. Offenbar habe die Branche einen guten Job gemacht und bewiesen, dass sie Profi sei in Sachen Risikomanagement und Risikovorsorge. Das sei auch nicht die Aufgabe des Staates, hob er hervor. Firmeninhaber dagegen seien manchmal zu wenig risikobewusst, monierte der Minister. Mancher Überschwemmungsschaden sei vermeidbar gewesen.
Allerdings räumte Pinkwart auf Nachfrage ein, dass es unverständlich ist, dass Banken immer noch nicht standardmäßig bei kreditbesicherten Gebäuden und Betrieben den Nachweis einer Elementarschadenversicherung verlangen, sondern allenfalls den einer Feuerversicherung. „Das nehmen wir mit in unsere Gespräche mit den Banken“, so Pinkwart.
Ursachen des Vermittlerschwunds
Die Studie „Die Versicherungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen“ hebt die besondere volkswirtschaftliche Bedeutung der Versicherer hervor. Mit 103 in NRW ansässigen Versicherungsunternehmen weist das Bundesland traditionell die größte Versichererdichte auf, weit vor Bayern (69) und Baden-Württemberg (46). 72 Milliarden Euro setzten die in NRW beheimateten Versicherer um, das ist dann allerdings nur Platz zwei hinter Bayern.
Insgesamt 115.000 Erwerbstätige verdienen ihr Brot mit Versicherungen in diesem Bundesland, auch dabei ist NRW an der Spitze der Bundesländer, wiederum vor Bayern (96.000) und Baden-Württemberg (63.000). Allerdings waren es 2013 noch rund 8.000 Personen mehr. Der Rückgang ist ganz überwiegend auf die selbstständigen Vermittler zurückzuführen, deren Zahl von 46.000 auf 39.000 fiel. Der Studienleiter der Prognos, Johann Weiß, führte dies auf eine zunehmende Digitalisierung bei Beratung und Vertrieb von Versicherungsprodukten zurück, durch die weniger Vermittler gebraucht würden.
Diese Einschätzung teilte Signal Iduna-Chef Leitermann nicht ganz, sondern verwies auf zunehmende Kooperationen und Zusammenschlüsse, als Beispiel nannte er Maklerpools. Das gebe es auch in anderen Berufsgruppen, ergänzte Pinkwart, und nannte Anwälte und Ärzte als Beispiel. Überall nehme der Kostendruck zu, um die geforderte, höhere Professionalität gewährleisten zu können. Pinkwart lobte die Vermittler, sie seien auch in Zukunft unverzichtbar.
Verteidigt Provisionssystem gegen Angriffe aus dem Verbraucherschutz und der Politik
Das Provisionssystem verteidigte Leitermann gegen Angriffe aus dem Verbraucherschutz und der Politik. Auch anderswo werde prozentual mitverdient, hob er mit einem kleinen Seitenhieb auf die NRW-Landesregierung wegen der immer noch im Bundesvergleich besonders hohen Grunderwerbsteuer, aber auch anderer Nebenkosten des Immobilienerwerbs wie Honoraren der Notare und behördlicher Gebühren hervor.
Leitermann nutzte die Gelegenheit zudem für ein Plädoyer für das duale Krankenversicherungssystem. In NRW ansässige private Krankenversicherer verbuchen 44 Prozent aller PKV-Beiträge bundesweit. Vor diesem Hintergrund ist die Sorge zu verstehen, dass Arbeitsplätze in Gefahr geraten, wenn eine Axt an das zweigegliederte Versicherungssystem gelegt würde.
Autor(en): Matthias Beenken