PKV: Kostentreiber im Geschäftsmodell

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Die Kostenquoten in der privaten Krankenversicherung steigen wieder. De Ursachen sind nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen.

In der aktuellen Ausgabe der "Zeitschrift für Versicherungswesen" hat Chefredakteur Marc Surminski erneut seine jährlichen Übersichten über die Geschäftszahlen der privaten Krankenversicherung (PKV) für das Jahr 2022 zusammengetragen. Franke und Bornberg legte zudem jüngst sein „Bilanzrating Private Krankenversicherung“ neu auf, in der sich ebenfalls eine Reihe Bilanzkennzahlen wiederfinden.

Bruttoneuzugang rückläufig

Im vergangenen Jahr konnte die Branche mit 216.828 Personen einen um 9.895 Personen geringeren Bruttoneuzugang als im Vorjahr verzeichnen. Allerdings fehlen erneut Zahlen der Versicherer Arag, Axa, Bayerische Beamten, Gothaer und Union Kranken.

Zusätzlich machte Ottonova anders als 2021 keine Angaben mehr zum Neugeschäft. Für diesen jungen Krankenversicherer fehlt zudem als einzigem Unternehmen eine Angabe zur Gesamtzahl privat Vollversicherter, sodass man keinen Aufschluss erhält, wie sich das Unternehmen weiterentwickelt hat. Insgesamt hat es einen minimalen Rückgang bei der Anzahl der privat Vollversicherten gegeben, um knapp 14.000 Personen oder 0,2 Prozent des Gesamtbestands von knapp 8,7 Millionen Personen.

Trotzdem ging es mit den Beitragseinnahmen bei denjenigen Krankenversicherern, die Vollversicherungsgeschäft zeichnen, mit 3,8 Prozent aufwärts auf knapp 45,9 Milliarden Euro. Das dürfte neben Erfolgen im Zusatzversicherungsgeschäft vor allem auf Beitragsanpassungen zurückzuführen sein.

Marktführerschaft ausgebaut

Die Debeka konnte ihre Marktführerschaft weiter absichern. 32 Prozent aller brutto Neuversicherten haben ihren Weg nach Koblenz gefunden. Die Beitragseinnahmen stiegen binnen Jahresfrist um 5,3 Prozent auf knapp 7,9 Milliarden Euro. Damit vergrößerte sich der Abstand zur Nummer zwei, der DKV, erneut. Diese wuchs um 1,4 Prozent auf gut 5,1 Milliarden Euro Beitragseinnahme.

Noch wesentlich stärker ist der Abstand bei der Zahl der versicherten Personen in der Vollversicherung. Mit rund 2,5 Millionen Personen hat die Debeka 29 Prozent aller Vollversicherten in ihrem Bestand. Dahinter folgen die Axa mit rund 808.000 und die DKV mit knapp 696.000 versicherten Personen. Allerdings muss man bei der Anzahl der Vollversicherten die sehr unterschiedlichen Zielgruppen bedenken, in denen die Versicherer aktiv sind – die Debeka, teilweise aber auch die Axa sind sehr stark bei Beamten mit Teilkostenversicherungen vertreten.

Weniger Alterungsrückstellungen portiert

Insgesamt zeigt sich erneut, dass der sprichwörtliche Kuchen in der Vollversicherung nicht mehr größer wird und damit Wachstum vor allem durch Verdrängung erfolgt. Ein wichtiges Indiz dafür liefern die Zahlen der Zeitschrift für Versicherungswesen zur Portabilität, also der Mitgabe angesparter Alterungsrückstellungen bei einem Wechsel des privaten Krankenversicherers. Bis auf Axa, Generali, LKH und – anders als im Vorjahr – die Ottonova lieferten alle Krankenvollversicherer Zahlen, wie viele Millionen Euro Alterungsrückstellungen sie durch Umdeckung gewonnen und wie viel sie auf dem gleichen Weg verloren haben.

Im Jahr 2022 hat der Wettbewerb um die Vollversicherten etwas nachgelassen. Insgesamt gewannen die Versicherer 118 Millionen Euro durch mitgegebene Alterungsrückstellungen, das waren 34 Millionen Euro weniger als 2021. Auch die abgegebenen Alterungsrückstellungen sanken um 28 Millionen Euro auf insgesamt 100 Millionen Euro. Dass die beiden Summen nicht gleich hoch ausfallen, dürfte wohl vor allem auf die Zahlenverweigerer zurückzuführen sein. Man darf annehmen, dass diese netto deutlich mehr Alterungsrückstellungen verloren als gewonnen haben werden.

Klarer Gewinner im Umdeckungsspiel ist erneut die Hanse-Merkur. Sie empfing 46,6 Millionen Euro an portablen Alterungsrückstellungen von anderen Versicherern und musste nur 8,0 Millionen Euro abgeben, ein positiver Saldo von 38,6 Millionen Euro. Auf dem zweiten Platz landete die Arag, die 12,9 Millionen Euro gewann und nur 1,2 Millionen Euro abgab, im Saldo also 11,7 Millionen Euro mehr an Alterungsrückstellungen von umgedeckten Kunden erlangte.

Unter den Versicherern, die dazu Zahlen vorlegten, war die DKV netto der größte Verlierer. 3,1 Millionen Euro erhaltenen standen 10,1 Millionen Euro abgegebene Alterungsrückstellungen gegenüber, netto entstand ein Verlust von 7,0 Millionen Euro. Auch Marktführer Debeka musste mit 11,6 Millionen Euro deutlich mehr abgeben als mit 6,1 Millionen Euro eingingen, ein Saldo von minus 5,5 Millionen Euro.

PKV Kostentreiber

Kostenquoten bewegen sich kaum

Wenig Neues gibt es bei den Kostenquoten. Die Verwaltungskosten sind im Markt leicht von 2,5 auf 2,6 Prozent gestiegen. Auch die Abschlusskostenquote ist laut der Zeitschrift für Versicherungswesen von 7,3 auf 7,4 Prozent gestiegen, und das bei rückläufigem Neugeschäft. Mit anderen Worten, das Neugeschäft wird einmal mehr etwas teurer eingekauft.

Eine Korrelationsanalyse zeigt interessante Zusammenhänge. Krankenversicherer, die ihren Bestand an Vollversicherten steigern konnten, weisen im Durchschnitt geringere Abschlusskostenquoten auf als umgekehrt schrumpfende Unternehmen. Der mittlere, ungewichtete Abschlusskostensatz der wachsenden Versicherer liegt bei 6,3 Prozent, derjenige der schrumpfenden Versicherer bei 8,2 Prozent. Leicht anders sieht es bei den Verwaltungskosten aus: Wachsende Versicherer weisen eine durchschnittliche, ungewichtete Verwaltungskostenquote von 2,6 Prozent, schrumpfende von 2,3 Prozent auf.

Auch der Erfolg beim Brutto-Neugeschäft korreliert anders als vielleicht zu erwarten nahezu nicht mit der Abschlusskostenquote. Dagegen haben die im Neugeschäft erfolgreichen Krankenversicherer tendenziell niedrigere Verwaltungskosten. Intuitiv gut nachvollziehbar ist, dass das Bruttoneugeschäft und die Gewinne bei der Portabilität sehr deutlich positiv korreliert sind. Rein statistisch könnte man das so zusammenfassen: Die Umdeckungsverlierer finanzieren die Abschlusskosten der Umdeckungsgewinner.

Allerdings müssen die Angreifer vermehrt damit rechnen, selbst angegriffen zu werden. Der Verlust an Alterungsrückstellungen ist, wenn auch etwas weniger deutlich, positiv mit dem Gewinn durch Umdeckungen korreliert.

Zusammenhänge mit Sozialtarifen

Nachdenklich machen sollte die Krankenversicherungsverkäufer ein weiterer Zusammenhang. In der privaten Krankenversicherung gibt es immer wieder Probleme mit der langfristigen Beitragsstabilität und der Möglichkeit für die Kunden, sich die Prämien weiter zu leisten. Das schlägt sich in den Zahlen derjenigen nieder, die in einen der sogenannten Sozialtarife gelangen. Auch hier gibt es einige wenige Datenverweigerer.

Die berichtswilligen Versicherer hatten Ende 2022 insgesamt 130.667 Personen in einem der verschiedenen Sozialtarife, davon 51.256 im Standardtarif, 32.358 im Basistarif und 47.053 im Notlagentarif. Gegenüber dem Vorjahr sanken diese Zahlen um 823 Personen im Standardtarif und um 92 Personen im Basistarif. Allerdings waren 620 Personen mehr im Notlagentarif – und speziell bei diesem Tarif verweigerten mit neun relativ viele Gesellschaften konkrete Angaben.

Die Zahl der in Sozialtarifen versicherten Kunden korreliert außerordentlich stark mit den Summen abgegebener Alterungsrückstellungen. Das lässt vermuten, dass diese Versicherer besondere Probleme mit Alttarifen und der Beitragsstabilität haben, sodass zum einen die Umdeckung attraktiv ist, zum anderen aber auch vermehrt Betroffene im Sozialtarif landen.

Autor(en): Matthias Beenken

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