Provisionsverbot wieder auf dem Tisch

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Und täglich grüßt das Murmeltier – an diesen Film muss ich immer denken, wenn sich die EU wieder mal mit ihrer unsäglichen Kleinanlegerstrategie beschäftigt. Und wieder steht ein Provisionsverbot im Raum, wenn auch scheinbar nur partiell.  

Ende Februar diskutierte der Finanzausschuss des Bundestags über Provisionsverbote im Finanzvertrieb, wie sie der Entwurf der EU-Kleinanlegerstrategie vorsieht. Denn die Europäische Kommission möchte die Provisionen für beratungsfreie Anlagen abschaffen und ein so genanntes partielles Provisionsverbot durchsetzen. Betroffen wären Anlageprodukte wie börsengehandelte Indexfonds (ETFs), die von Kunden meist ohne jegliche Beratung genutzt werden. Das betrifft insbesondere die im deutschen Onlinebroker-Markt führenden Direktbanken sowie die Neobroker. Zusätzlich soll aber – egal ob mit oder ohne Beratung – die Angabe einer neuen von europäischen Finanzbehörden erstellten Preis-Leistungs-Benchmark verpflichtend werden. Damit sollen Kunden Transparenz bekommen, ob sich die Zahlung einer Provision für sie lohnt.

Weniger Kosten, mehr Rendite?

Die Ziele, die die Kommission verfolgt, sind klar: Die Kosten für Anleger sollen sinken, damit sie mehr Rendite erhalten, so die Theorie. Hingewiesen wird auf potenzielle Interessenkonflikte auch im beratungsfreien Geschäft. Denn die Provisionen könnten im beratungsfreien Geschäft so hoch sein wie im Beratungsgeschäft. Der von den Grünen in die Anhörung geladene Hochschullehrer Steffen Sebastian von der Universität Regensburg verwies auf seine nicht unumstrittene Studie, der zufolge insbesondere Sparer mit kleinen und mittleren Einkommen von einer strengeren Regulierung der Provisionen im Finanzvertrieb profitierten – mit einem Renditevorteil von zwei Prozent. Als Positivbeispiele wurden weiterhin die Niederlande und das Vereinigte Königreich genannt. Das Provisionsverbot dort führe zu niedrigeren Kosten und damit zu höheren Renditen für den Kleinanleger.

Nullsummenspiel wahrscheinlich

Hier hielt der BVI Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) mit einer eigenen Studie dagegen. Demnach lasse sich der Renditevorteil von zwei Prozent pro Jahr nicht bestätigen. Und wenn ein partielles Provisionsverbot eingeführt würde, würden – so kündigten es einige Anbieter bereits an – Transaktionsgebühren erhöht und monatliche Abogebühren eingeführt. Endverbraucher hätten also nichts gewonnen.

Ausschluss armer Schichten von Beratung

Und die Erfahrungen aus den Ländern mit Provisionsverbot zeigen, dass sich insbesondere sozial schwache Schichten so gut wie nicht gegen Honorar beraten lassen. Damit werden genau die Bevölkerungsgruppen abgeschreckt, die eine Beratung und damit eine passgenaue Altersvorsorge am nötigsten hätten. Online lässt sich dies sicher nicht realisieren. Viele Verbraucherschützer und EU-Politiker verkennen offensichtlich den Wert der Beratung in komplexen Themenfeldern wie der Altersvorsorge. Vermittler müssen Kunden davon überzeugen, mehr für ihre Vorsorge zu tun und auf Konsum zu verzichten. Das ist schwer genug, aber notwendig, da sich der Staat immer mehr aus der sozialen Daseinsfürsorge mangels Finanzierung zurückzieht. Der Gesetzgeber vor allem auf europäischer Ebene reagiert immer stärker mit einer wachsenden Regulierung, etwa mit immer höheren Anforderungen an Informations- und Dokumentationspflichten. Dies erhöht jedoch die Kosten, die man eigentlich senken möchte.

Falschberatung ist schon heute verboten

Und bereits heute schreibt die Vermittlerrichtlinie IDD vor, dass Kunden eine bedarfs- und zielgerichtete Beratung erfahren sollen. Deswegen ist auch das Argument eines Interessenkonflikts brüchig, denn Falschberatung im Sinne einer höheren Provision ist bereits heute verboten. Vermittler sind sich des sozialpolitischen Auftrages in aller Regel bewusst und handeln danach. Das zeigt auch die äußerst geringe Anzahl von Beschwerden beim Versicherungsombudsmann.

Sozialer Ausgleich durch Provisionsvertrieb

Völlig vernachlässigt wird darüber hinaus von den Befürwortern von Provisionsverboten jeglicher Art der soziale Effekt, dass Verträge mit hohen Summen stärker belastet werden als kleinteilige Verträge. Über den provisionsorientierten Vertrieb erfolgt ein sozialer Ausgleich.   

Machen wir uns nichts vor: Ein partielles ist ein erster Schritt in Richtung generelles Provisionsverbot. Das haben die Vertreter der EU-Kommission in ihrer Argumentation deutlich gemacht. Es stellt sich die Frage, ob der Entwurf noch vor der EU-Wahl verabschiedet wird oder ob er – wie viele in der Finanzbranche hoffen – (hoffentlich für immer) im Entwurfsstadium bleibt.

Autor(en): Bernhard Rudolf

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