Rating nur als Meinungen und nicht als Empfehlung werten

Ratings sind in Misskredit geraten. Ihnen wird eine entscheidende Teilschuld an den Auswüchsen der Finanzmarktkrise wie etwa bei der Beinahe-Pleite des vormals weltgrößten Versicherungskonzerns AIG angelastet. Die Versicherer wollen jedoch auch weiterhin auf Ratings nicht verzichten, sagten Marktteilnehmer bei einem Forum, das die Hannover Rück-Gruppe alljährlich für Erstversicherer, Kunden und Industriemakler veranstaltet.

Ob man heutzutage auf Rating-Urteile bauen und sichere Auskünfte über ein Versicherungsunternehmen erhalten könne, sei schwer zu beantworten, sagte Hannover-Rück-Vorstand Michael Pickel zum Auftakt des Forums. Die zuvor als geradezu unantastbar hoch geschätzten Ratings von internationalen Agenturen sind mit der Schieflage und Verstaatlichung des zuvor größten Versicherers AIG in Misskredit geraten. Denn nur wenige Tage vor dem Zusammenbruch hatten renommierte internationale Rating-Institute der AIG noch hervorragende Bewertungen ausgesprochen.

Wer könne heute einem Rating noch trauen, fragten denn auch die Tagungsteilnehmer. Hiltrud Besgen, Direktorin bei Standard & Poor’s Financial Institutions Ratings (S&P) in Frankfurt, stellte sich den kritischen Fragen. Sie räumte mit dem Vorurteil aus, dass Rating-Urteile so etwas wie eine Qualitätsgarantie und Kaufempfehlung über ein Unternehmen aussagen.

Das Rating gibt nur eine Einschätzung wieder
„Ein S&P-Rating kann nur eine Meinung zur Kreditwürdigkeit einer Gesellschaft oder einer Emission sein“, so Besgen. Das Rating gebe allenfalls eine Einschätzung der relativen Ausfallwahrscheinlichkeit wider. Und: „Es handelt sich hierbei um eine unabhängige Meinung, gestützt auf Reputation und Integrität.“ Ein S&P-Rating dürfe nicht als Empfehlung zum Kauf missverstanden werden. Auch würde es keine Empfehlung zum Verkauf oder Halten eines Wertpapiers bedeuten, ebenso auch keine eigene Prüfung des Abschlusses einer Gesellschaft.

Ein Versicherungsrating, das auf Basis der internationalen Rechnungslegung (IFSR) im Untenehmen erstellt wird, könne nur als Meinungsäußerung über die prospektive Einschätzung der finanziellen Stabilität eines Versicherungsunternehmens verstanden werden. Denn, so betonte Besgen, die Analysten und Rating-Experten äußern lediglich ihre Meinung zur „Fähigkeit einer Gesellschaft, ihre Zahlungsverpflichtungen aus einem Versicherungsvertrag jederzeit erfüllen zu können“.

Gleichermaßen verhalte es sich mit dem so genannten Counterparty Credit Rating (CCR). Hier geben, so erklärte Besgen, die S&P-Analysten eine Einschätzung der „Fähigkeit einer Gesellschaft, ihre Zahlungsverpflichtungen pünktlich und vollständig zu bedienen“. Nur so dürfe ein Rating-Ergebnis verstanden werden.

Ein Rating übersetzt komplexe Sachverhalte und analytische Prozesse in einfache Symbole
Sie verdeutlichte, dass ein Rating komplexe Sachverhalte und analytische Prozesse in einfache Symbole übersetzt. Bei interaktiven Beurteilungen reicht demnach die zehnstufige Gradierung von „AAA“, das für herausragend steht, über „A“ (steht für „stark“), über „BB“ („marginal) bis zu „“CCC“ („sehr schwach“) und „R“ (Maßnahmen der Aufsicht) oder „N.R.“, was so viel heißt wie „nicht bewertet“.

Ein Rating gibt laut Hiltrud Besgen aber auch einen Ausblick zur potentiellen Entwicklung, welchen Rating-Grad das Unternehmen erwarte. Da gibt es beispielsweise auch den Ausblick „Outlook“, der bewertet, in welche Richtung sich das Rating-Prospektiv, das heißt normalerweise im Zeitraum von sechs Monaten bis zu zwei Jahren, entwickeln könnte. Dabei werden alle Veränderungen in den ökonomischen und fundamentalen geschäftsspezifischen Bedingungen berücksichtigt, sagte Besgen.

Weiter gibt es auch die Einstufung, in der ein Versicherungsunternehmen auf „Credit Watch“ gesetzt wird. Hier geben die Analysten ihre Einschätzung zur kurzfristigen Erwartung der Geschäftsentwicklung eines zu ratenden Unternehmens ab. „Dieses Rating wird generell binnen 90 Tagen bestätigt oder verändert“, erklärte die S&P-Fachfrau. Zudem erklärte Besgen nochmals, dass ein Rating nur eine Meinungsäußerung zum Ausfallrisiko in einem Unternehmen sein könne. „Sie adressieren jedoch nicht das Volatilitäts- oder Liquiditätsrisiko“ und seien daher auch kein Ersatz für eigene Analysen der Investoren, so ihr Resümee.

Foto: Konstantin Gastmann/

Autor(en): Ellen Bocquel

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