Sachverständigenkommission für nachgelagerte Besteuerung bei Alterseinkommen

Die Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen unter Vorsitz von Professor Bert Rürup hat am 17. März 2003 ihren Bericht an Bundesfinanzminister Hans Eichel übergeben. In diesem Bericht spricht sich die Kommission für eine nachgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte aus.

Die Kommission schlägt vor, bei der Besteuerung aller Altersbezüge durchgängig zur nachgelagerten Besteuerung überzugehen.

Hierzu hat die Kommission ein "Drei-Schichten-Modell" entwickelt:

Die erste Schicht, die Basisversorgung, besteht aus Produkten, bei denen die erworbenen Anwartschaften nicht beleihbar, nicht vererblich, nicht veräußerbar, nicht übertragbar und nicht kapitalisierbar sind (gesetzliche Rentenversicherung, Berufsständische Versorgung, Alterssicherung der Landwirte und auch neu zu entwickelnde private kapitalgedeckte Leibrentenversicherungen). Die zweite Schicht umfasst die Zusatzversorgung im Alter (Regelungen zur Förderung der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge nach §§ 10 a und 79 ff. EStG - Riester-Rente - sowie der betrieblichen Altersversorgung). Der dritten Schicht werden Kapitalanlageprodukte zugeordnet, die auch der Altersvorsorge dienen können, aber nach Ansicht der Kommission vorgelagert besteuert werden sollen.

Die Beiträge zur Basisversorgung sollen nach einer Übergangszeit für alle Steuerpflichtigen in unbegrenzter Höhe als Werbungskosten steuerlich abziehbar sein.

Für den Bereich der zweiten Schicht, der Zusatzversorgung, wird – soweit es sich um Sonderausgaben handelt – eine beschränkte Abziehbarkeit empfohlen. Alle Steuerpflichtigen sind die Fördermöglichkeiten der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge nach §§ 10 a und 79 ff. EStG (Riester-Rente) einzuräumen. Durch diese Ausweitung des Kreises der Förderberechtigten wird insbesondere Selbständigen die Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs nach § 10 a EStG ermöglicht. Zugleich soll der derzeit auf 2.100 Euro pro Jahr festgeschriebene förderfähige Höchstbeitrag nach Maßgabe der Entwicklung der Beitragsbemessungsgrenze der Gesetzlichen Rentenversicherung dynamisiert werden. Der mit § 92 a EStG eingeführte so genannte Altersvorsorge-Eigenheimbetrag soll abgeschafft werden.

Für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung wird vorgeschlagen, die Beiträge für eine Direktversicherung in die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG einzubeziehen. Gleichzeitig wird empfohlen, die Steuerfreiheit auf solche Versorgungszusagen zu beschränken, die eine lebenslange Alterversorgung vorsehen (lebenslange monatliche Rente oder Auszahlungsplan mit Restverrentung). Im Gegenzug wird die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung (§ 40 b EStG) aufgehoben. Aus Vertrauensschutzgründen soll dies nicht für Altverträge gelten und ebenfalls nicht für die umlagefinanzierte betriebliche Altersversorgung (Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes – z. B. VBL), weil diese wegen der fehlenden Kapitaldeckung die Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG und Voraussetzungen der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge nach §§ 10 a und 79 ff. EStG ("Riester-Rente") nicht erfüllen.

Kapitalanlageprodukte der dritten Schicht sollen vorgelagert besteuert werden. Zudem schlägt die Kommission vor, Kapitalanlageprodukte steuerrechtlich einheitlich zu behandeln und steuerlich nicht zu fördern. Der Sonderausgabenabzug für Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen in der Ansparphase wie auch die Steuerfreiheit der Erträge im Zeitpunkt der Kapitalauszahlung ist deshalb zu beseitigen. Dies soll nur für Verträge gelten, die nach Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen werden.

In allen Fällen, in denen weiterhin eine Ertragsanteilsbesteuerung nach § 22 EStG erforderlich ist, weil die Ansparleistungen aus versteuertem Einkommen erbracht worden sind, werden die Ertragsanteile auf Grund veränderter Rahmenbedingungen herabgesetzt.

Die Kommission empfiehlt eine langfristige Übergangsregelung, um die mit der steuerlichen Freistellung insbesondere der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verbundenen steuerlichen Ausfälle in Grenzen zu halten, aber auch um dem Vertrauensschutzgedanken bei der Besteuerung von Renten sowie dem Verbot einer Zweifachbesteuerung Rechnung zu tragen.

Die Beiträge zu Einrichtungen der Basisversorgung (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag) sollen ab 2005 beginnend mit einer Freistellung von mindestens 60 Prozent und bis 2025 auf 100 Prozent ansteigend, steuerlich freigestellt werden.

Zur Vermeidung einer Zweifachbesteuerung schlägt die Kommission einen schrittweisen Übergang zu einer vollständigen nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkommen aus der ersten Schicht vor. Ab dem Jahr 2005 soll der, der Besteuerung unterliegende Anteil der Rente anstelle der bisherigen Ertragsanteilsbesteuerung auf einheitlich 50 Prozent festgesetzt werden, und zwar für alle Bestandsrenten sowie die Renteneintritte in diesem Jahr. Dieser Beteuerungsanteil ist so bemessen, dass auch bei Selbständigen dem Verbot der Zweifachbesteuerung Rechnung getragen wird. Der Prozentsatz der Rente, zu dem diese der Besteuerung unterliegt, soll für jeden jeweils neu hinzukommenden Rentenjahrgang bis zum Jahre 2020 in Schritten von zwei Prozent auf 80 Prozent und in Schritten von einem Prozent bis zum Jahre 2040 angehoben werden. Die sich nach Maßgabe dieser Prozentsätze ergebenden steuerfreien Rentenzahlbeträge (Renten-Freibetrag) sollen für diese Kohorten auf Dauer festgeschrieben werden.

Da in der Endstufe Beamtenpensionen und Renten steuerlich gleich behandelt werden sollen, empfiehlt die Kommission, den Versorgungs-Freibetrag für Beamtenpensionen und Werkspensionen sowie den Altersentlastungsbetrag schrittweise für jede neu hinzukommende Kohorte in dem Maße zu reduzieren, in dem, die Besteuerungsanteile der Renten erhöht werden. Für Bestandsfälle verändern sich - in Analogie zur Behandlung der Renten - die Freibeträge in den Folgejahren nicht; bei jedem Steuerpflichtigen gilt der bei Beginn des Bezugs von Alterseinkommen gewährte Versorgungs-Freibetrag bis zum Ablauf des Einkünftebezugs.

Im Zuge der Neuordnung der Besteuerung der Altersbezüge wird der Arbeitnehmer-Pauschbetrag bei Pensionären (1.044 Euro) an den Werbungskostenpauschbetrag, der den Empfängern anderer Altersbezüge zusteht (102 €), angepasst, d. h., Pensionäre erhalten in der Endstufe den allgemeinen Werbungskostenpauschbetrag (102 Euro). Zum Ausgleich wird gleichzeitig dem Versorgungs-Freibetrag ein entsprechender Zuschlag hinzugerechnet, der dann ebenfalls gleichmäßig nach dem Kohortenmodell abgeschmolzen wird. Individuelle Mehrbelastungen können so vermieden werden. In der Übergangsphase wird ein neu in den Ruhestand tretender Rentenbezieher, der eine Rente in Höhe einer Standardrente (prognostizierte Eckrente des Jahres 2005 = 14.432 Euro) bezieht, bis zu einem Rentenbeginn im Jahr 2013 hinsichtlich seiner Rentenbezüge aus der Gesetzlichen Rentenversicherung steuerunbelastet bleiben. In der Endstufe (im Jahre 2040) werden sich die Steuerbelastungen der verschiedenen Formen der Altersbezüge (Beamtenpensionen und Sozialrenten) angeglichen haben. Dann werden Beamtenpensionen und Renten in gleichem Maße steuerlich erfasst.

Sonstige Vorsorgeaufwendungen, die nicht zu den Altersvorsorgeaufwendungen gehören, können wie bisher als Sonderausgaben abgezogen werden. In den Berechnungen wurde für den Abzug in der Übergangsphase wie auch in der Endstufe ein jährlicher Höchstbetrag von 1.500 Euro für Alleinstehende und 3.000 Euro für Verheiratete unterstellt. Um Schlechterstellungen der Steuerpflichtigen beim Abzug von Vorsorgeaufwendungen (Alters- und sonstige Vorsorgeaufwendungen) auszuschließen, wurde für die Übergangsphase eine Vergleichsberechnung (Günstigerprüfung) vorgenommen; d. h., es wurden mindestens so viele Vorsorgeaufwendungen wie nach derzeit geltendem Recht abgezogen. Ohne diese Günstigerprüfung würden in vielen Fällen Schlechterstellungen auftreten.

Das vorgeschlagene Reformmodell hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die vorhandenen Alterssicherungssysteme. Für die Steuerpflichtigen bietet die Überleitung auf das nahgelagerte Verfahren die Chance, das Gesamtversorgungsniveau längerfristig noch zu verbessern, mindestens aber zu halten. Die schrittweise Verbesserung der steuerlichen Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen erweitert für alle Erwerbstätigen den Spielraum für die Zukunftsvorsorge.

Die fiskalischen Auswirkungen sind auf Grund der stufenweise ansteigenden Beitragsabzugsquote kombiniert mit der Günstigerprüfung mit dem geltenden Recht beherrschbar, d. h., sie gefährden die Konsolidierungspolitik nicht.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht gilt: Die Besteuerung muss durch Mitteilungen der Rentenversicherungsträger oder der Lebensversicherungsunternehmen an die Finanzverwaltung sichergestellt werden. Werden die steuerentlasteten Beiträge des Steuerpflichtigen nicht für seine Basisversorgung oder Zusatzversorgung eingesetzt, sondern zweckwidrig verwendet, ist der dadurch erzielte Steuervorteil verzinst zurückzuzahlen, und die auf das Altersvermögen entfallenden Zuwächse (Zinserträge, Kursgewinne usw.) sind nach Maßgabe des persönlichen Steuersatzes des Steuerpflichtigen zu versteuern. Europarechtlich bestehen keine Probleme, die Basis- und Zusatzversorgung nachgelagert zu besteuern und sonstige Kapitalanlageprodukte dagegen vorgelagert zu besteuern. Es ist europarechtlich zulässig, die steuerliche Abziehbarkeit von Beiträgen für die Basis- und Zusatzversorgung davon abhängig zu machen, dass diese Altersvorsorgeprodukte Mindestanforderungen erfüllen. Die deutschen Doppelbesteuerungsabkommen mit den übrigen europäischen Mitgliedstaaten sollten dahingehend geändert werden, dass Deutschland sein Besteuerungsrecht als "Quellenstaat" von Alterseinkünften aus der Basis- und Zusatzversorgung behält, wenn die zugrunde liegenden Altersvorsorgeaufwendungen in Deutschland abziehbar warn. Bis zu einer Änderung der Doppelbesteuerungsabkommen kommt eine "Wegzugsbesteuerung" in Betracht, die allerdings europarechtliche Risiken aufweist.

Die Einführung einer nachgelagerten Rentenbesteuerung ist ein wichtiger Schritt in der derzeitigen Rentendiskussion. Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen und spätere Besteuerung der Auszahlung ist systematisch sinnvoll. Außerdem werden die Beitragszahler sozusagen in der Aufbauphase entlastet. Das schafft Spielraum für private Vorsorge und käme auch der Konjunktur zugute. Nach dem Rentenurteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 6. März 2002 muss die Bundesregierung nun bis 2005 die steuerliche Ungleichbehandlung von Pensionen und Renten korrigieren. Dazu wurde eine Kommission unter der Leitung von Bert Rürup einberufen, die nun ihren Bericht an Finanzminister Eichel übergeben hat.

Quelle: Helmut Zermin

Autor(en): jg

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