Schadenregulierung per Smartphone: Aus "Quick" kann "Dirty" werden  

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Bei der Generali Gruppe können die Kunden ihren Schaden künftig per Smartphone regulieren. Versicherungsexperten sind skeptisch. Die "fixe" Regulierung könnte Versicherte benachteiligen. Besser sei es, Versicherungsmakler digital mit ins Boot zu holen. 

Wer die Video-Regulierung von Schäden nutzt, kann nun schneller an sein Geld kommen, wenn es um die Regulierung von Sachschäden geht. Aktuell hat die Generali Gruppe die Regulierung in Deutschland gestartet. Die Video-Regulierung von Kfz-Schäden wird derzeit schon in einer Pilotphase getestet. Laut Generali ist ebenfalls eine flächendeckende Einführung geplant.

Historisch günstiger Moment

Nur durch die Kontaktaufnahme über das Smartphone können alle Versicherten der Versicherungsgruppe ab sofort Sachschäden regulieren. Die Einführung der digitalen Regulierung kommt in einem historisch günstigen Moment, denn noch immer gelten in Deutschland und weltweit besonderer Hygieneregeln, die vor allem durch Abstand zwischen Personen die Verbreitung des Coronavirus eindämmen sollen.

Nun können Sachschäden ohne Kontakt zu einem Versicherungsmitarbeiter per Video-Call abgewickelt werden. "In Zeiten der Corona-Krise erleben wir, wie Technologie ein Schlüsselelement der Prävention sein kann. Die Schadenregulierung per Video ist ein Beispiel dafür, wie wir für unsere Kunden eine neue Normalität schaffen, die sicherer, moderner und effizienter ist", lässt sich dann auch Giovanni Liverani, Vorstandsvorsitzender der Generali Deutschland AG in einer Pressemitteilung zitieren.

Im Idealfall sofort Geld

"Stimmt der Kunde einer Schadenregulierung per Video zu, bekommt er künftig von der Generali einen Link zur Videosession per SMS übermittelt", erläutert der Versicherer das System. Im Video-Call wird dann der Schaden begutachtet und fotografiert. Dabei "führt" ein Schadenregulierer das Gespräch.

Im Idealfall erhält der Kunde sofort nach der Begutachtung eine Geldüberweisung. Die Regulierung erfolge dann mittels "One Touch". Aktuell würden so vor allem Leitungswasserschäden aus der Wohngebäudeversicherung reguliert. Möglich ist die digitale Abwicklung für Privat- und Gewerbekunden. 

Keine Abfindungserklärung notwendig

Versicherungsexperten sehen aber erhebliche Risiken für den Kunden. "Ein Verbraucher und auch die meisten Gewerbetreibenden können beispielsweise den Aufwand für die Regulierung eines Leitungswasserschadens kaum beurteilen", sagt Andreas Kutschera, Versicherungsberater aus Mönchengladbach. Werde der Schaden vom Versicherer zu gering eingeschätzt, kann der Kunde auf dem Mehrschaden sitzenbleiben.

Die Generali betont aber auf Nachfrage, dass bei der Schadenregulierung per Video keine Abfindungserklärung gefordert wird. Wer also den Schaden fachmännisch instandsetzen lässt, könnte später bei dem Versicherer die Mehrkosten gelten machen. Wer hingegen den Schaden in Eigenregie behebt, könnte unter Umständen einen schlechten Deal machen.

Videokonferenz mit allen Beteiligten

"Aufgrund von fehlenden Versicherungskenntnissen ist der Versicherungsnehmer dem Versicherer schutzlos ausgeliefert", warnt auch Versicherungsmakler Johannes Brück aus Düsseldorf. Der Versicherungsnehmer erwerbe mit dem Abschluss seiner Versicherungen über einen Versicherungsmakler das Recht, im Schadenfall vernünftig begleitet zu werden. "Das von der Generali skizzierte Verfahren kann schnell zu einer Quick- & dirty- Schadenregulierung genutzt werden", so Brück.

In der Regel würde der Versicherungsnehmer nicht einmal merken, dass er schlechter gestellt wurde, als es ihm in seinem Versicherungsvertrag versprochen wurde. Daher regt er an, nach einer Schadenmeldung über den Makler, eine gemeinsame Videokonferenz durchzuführen. Damit könnten konventionelle Makler kostengünstig ihr räumliches Tätigkeitsfeld erweitern und Online-Makler würden endlich aktiv die Schadenbegleitung übernehmen können.

Sachverständigenverfahren bei höherer Summe

Ab einem Schaden von rund 30.000 Euro ist es nach Meinung von Berater Kutschera vor allem für Gewerbetreibende aber sinnvoll, sofort ein sogenanntes Sachverständigenverfahren einzuleiten. "Dann bekommt der Versicherte objektive Daten zum Schaden". Beim Sachverständigenverfahren wählen der Versicherer und der Versicherte jeweils einen eigenen Sachverständigen aus. Die beiden Experten einigen sich dann noch auf einen dritten Sachverständigen, der als Obmann fungiert.

Bei gewerblichen Versicherungen sollten die Bedingungen so gestaltet sein, dass ab 30.000 Euro der Versicherer alle Kosten für die Gutachter übernimmt. Andernfalls muss beim Sachverständigenverfahren jede Partei die Hälfte zahlen. Auch ein solches Verfahren könnte digital per Videokonferenz abgewickelt werden und würde dann kostengünstig sein, Fairness gewährleisten und den aktuellen Corona-Regeln entgegenkommen.

 

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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