So werden Vermittler bei ESG unterstützt

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Nicht nur Versicherer und Versicherungsvermittler, auch die Ratinginstitute leiden unter den unklaren rechtlichen Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberatung bei Lebensversicherungen. Aber mit leeren Händen will am 2. August niemand dastehen.

Der Verkaufsprozess bei Versicherungsanlageprodukten wird ab nächster Woche Dienstag komplexer. Betroffen sind entweder nur ungeförderte, kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen („Schicht 3“) oder darüber hinaus auch geförderte Verträge. Das darf derzeit jeder Versicherer und Vermittler selbst definieren, die europäischen Verordnungstexte sind nicht eindeutig.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht jedenfalls bestätigte vor einiger Zeit auf Anfrage, dass sie die enge Auslegung als richtig ansieht. Allerdings sind im Wettbewerb viele Versicherer darüber hinaus gegangen und haben auch Lebens- und Rentenversicherungen der ersten und/oder der zweiten Schicht einbezogen.

Erweiterter Beratungsprozess

Die Eignungsprüfung muss weiter durchgeführt werden wie bisher. Neu ist, anschließend Fragen zu Nachhaltigkeitspräferenzen zu stellen. Bei Bedarf soll dem Kunden eingangs erläutert werden, was er sich unter Begriffen wie Nachhaltigkeit, ESG und Präferenzen dazu vorstellen darf.

Makler und Mehrfachvertreter stehen vor der Frage der Auswahl passender Versicherer, die zum einen beispielsweise die nötige Finanzstärke aufweisen. Zum anderen könnte die Nachhaltigkeit des Versicherers selbst ein neues Auswahlkriterium werden.

Alle Vermittler müssen sodann das passende Produkt aussuchen, das neben dem geeigneten Chance-/Risiko-Profil auch die Kundenpräferenzen zur Nachhaltigkeit erfüllt. Die Angebotsinformationen der Versicherer sind mit den vom Kunden genannten Mindestanteilen an ökologischer oder an allgemeiner Nachhaltigkeit sowie gegebenenfalls gewünschten Ausschlüssen nachteiliger Investments abzugleichen. Dazu werden eine Beratung und eine wohl allein schon aus Haftungsgründen sorgfältige Dokumentation erforderlich.

Nachhaltigkeit der Versicherer bewertet

Besonders weit sind die Ratinginstitute beim Prozessschritt der Versicherer-Auswahl unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten. Ein Beispiel ist das Assekurata Nachhaltigkeitsrating, das bisher für sechs Versicherer vorliegt, allerdings nicht nur im Bereich Lebensversicherung. Das CSR-Rating von Morgen & Morgen bewertet derzeit 50 Versicherer, dahinter steht die Zielke Research Consult. Franke und Bornberg hat ein ESG-Rating für derzeit 26 Konzerne und Einzelversicherer aufgelegt, in Summe sind das den Angaben zufolge 113 einzelne Versicherungsgesellschaften.

Diese Ratings gehen auf die Nachhaltigkeit der Versicherungsunternehmen selbst ein. Assekurata beispielsweise bewertet vier Teilqualitäten: Kapitalanlage, Produktmanagement/Risikotransfer, Geschäftsbetrieb und Rahmenwerk wie Nachhaltigkeitsstrategie und -organisation. Zielke wertet die Berichte börsennotierter Gesellschaften und von Finanzinstituten mit mehr als 500 Beschäftigten aus, die bereits seit 2018 einen Bericht über ihr Engagement im Corporate Social Responsibility-Bereich (CSR) abgeben müssen. „Dazu zählt die Berichterstattung zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung“, so Morgen & Morgen.

Dem ESG-Rating von Franke und Bornberg liegen „Kriterien aus den Bereichen Strom- und Wasserverbrauch, Kriterien zu Emissionen, Mobilität, Gebäudezertifizierungen, Angebote für Beschäftigte, wie Gesundheitsförderungen, Geschlechtergleichheit, Inklusion, Allgemeinwohl, Anlagestrategien, Maßnahmen in der Kapitalanlage, Mitgliedschaften, Verankerung im Unternehmen Nichtversicherung sowie Ausschlusskriterien zu Grunde“. Diese werden von den Versicherern direkt erhoben.

Nachhaltigkeit ESG

Ansatzweise Produktratings

Anders sieht es derzeit wohl noch bei der Produktauswahl aus. Immerhin sagen beispielsweise der Pro-Kopf-Wasserverbrauch eines Versicherungsbetriebs oder der Beitritt des Versicherers zu einer weltweiten Nachhaltigkeits-Initiative wenig darüber aus, in welche Fonds und darin wiederum in welche Einzelwerte der Kunde bei einem Versicherungsanlageprodukt investieren wird. Für Vermittler notwendig ist eine Selektionsmöglichkeit, durch die der Kunde seine nach europäischen Vorgaben sehr komplexen, differenzierten Wünsche benennen und sodann der Vermittler die dazu passenden Produkte und Anlagen identifizieren kann.

Morgen & Morgen informiert dazu auf seiner Webseite, dass die von Zielke Research Consult insgesamt als nachhaltig bewerteten Versicherer auch ihre Produkte zertifizieren lassen können. Dazu sollen „nachhaltig gestaltbare“ und „nachhaltige“ Versicherungsprodukte unterschieden werden. Letztere entsprechen den Artikeln 8 und 9 der Offenlegungsverordnung und werden auch als „leicht grüne“ und „tief grüne“ Produkte bezeichnet.

Auf der Webseite werden derzeit jedoch erst vier Produkte von einem Lebensversicherer als „ausgezeichnete Versicherungsprodukte“ genannt. Nach Angaben von Carsten Zielke werde man aber „mit drei Versicherungsanbietern und einem Fondsanbieter an den Start gehen“, was ungefähr acht Versicherungsanlageprodukten und 40 Fonds entspreche. Darüber hinaus können Versicherer Selbstauskünfte zu ihren Produkten aufnehmen lassen. Die Software werde rechtzeitig eine Filterung „aller Produkte mit Nachhaltigkeitslabel“ ermöglichen.

Franke und Bornberg teilt mit, man habe „in den letzten Monaten direkt bei den Versicherern und Kapitalanlagegesellschaften Werte für das Sicherungsvermögen und die jeweiligen Fonds erhoben“. Dadurch werde eine Filterung von Versicherungsanlageprodukten nach Mindestanteilen ökologisch nachhaltiger Investitionen oder allgemein ökologischer und sozialer Ziele mit Prozentsätzen sowie von negativen Nachhaltigkeitsfaktoren („PAI“) ermöglicht. „Für die ESG-Beratung wichtige Begriffe sind mit Infotexten hinterlegt“, so das Unternehmen.

Was fehlt, wird selbst beschafft

Allerdings bleibt noch viel zu tun. Die Assekurata wünscht sich „einheitliche Berichterstattungsstandards für Versicherungsunternehmen“. Vor allem belastbare Kennzahlen seien Mangelware. „Dort hoffen wir auf einen Mehrwert durch die Berichterstattungsanforderungen nach der Transparenz-Verordnung und der Taxonomie-Verordnung.“

Franke und Bornberg setzt darauf, „Standards für eine einheitliche und konsistente Berichterstattung mitgestalten“ zu können. Und: „Durch die gezielte Schaffung einer einheitlichen und umfassenden ESG-Datenlage erreichen wir auch, dass Greenwashing kaum Chancen hat.“

Allzu hohe Mindestanteile an Nachhaltigkeit sollten Kunden nicht gleich zu Beginn wünschen. „Der Höchstsatz an EU-Taxonomiekonformität“ liege „derzeit nur bei circa neun Prozent“, berichtet Zielke. Aber: „Bei der allgemeinen Nachhaltigkeit (Art. 8) ist dies bedeutend höher.“

Autor(en): Matthias Beenken

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