Sparen an der Gesundheit

Die Deutschen verzichten häufiger auf medizinische Behandlungen – leben aber keineswegs entsprechend gesünder, so jedenfalls die Ergebnisse von zwei verschiedenen Studien.

Mehr als drei von zehn Deutschen haben letztes Jahr aus finanziellen Gründen auf erforderliche medizinische Leistungen verzichtet. Das ist eine Verdoppelung von 15 Prozent Anteil ein Jahr zuvor und ein Anstieg weit über den internationalen Schnitt von 19 Prozent hinaus, berichtet die Europ Assistance aus ihrem „Gesundheitsbarometer“. Dafür hat der Spezialversicherer aus dem Generali-Verbund 5.500 Menschen in Europa und den USA telefonisch befragen lassen, darunter 500 Deutsche.

Starker Staat plus begehrte Privatvorsorge
Allerdings ist die Bereitschaft zur privaten Vorsorge hierzulande weiter verbreitet als international. Immerhin 39 Prozent halten freiwillig abgeschlossene, private Zusatzversicherungen für gut, gegenüber 27 Prozent im internationalen Vergleich. Gleichzeitig sehen Deutsche mit 31 Prozent gegenüber insgesamt 42 Prozent aber auch seltener eine Chancengleichheit beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen.

Die temporären Überschüsse der Gesetzlichen Krankenversicherung scheinen den Glauben an die dauerhafte Finanzierbarkeit einer staatlich festgelegten Gesundheitsvorsorge zu stärken. Zwar zeigen sich 47 Prozent der Deutschen skeptisch, dass die Mittel dauerhaft reichen, das ist aber doch deutlich weniger als im Gesamtdurchschnitt von 58 Prozent.

Mehrheit hält sich fälschlich für gesund
Europ kommt zu der Erkenntnis, dass die Deutschen vor allem auf präventive Maßnahmen setzen. Das könnte aber eine Selbsttäuschung sein, glaubt man einer anderen Studie der zum Ergo-Konzern gehörenden DKV. Gemeinsam mit der Sporthochschule Köln wurden 3.000 Deutsche zu ihrem Gesundheitsverhalten befragt. Die Ergebnisse sind alarmierend.Danach glauben fast sechs von zehn Deutschen, sie würden gesund leben und hätten einen guten Gesundheitszustand. Aus Sicht der Gesundheitsexperten grenzt das wohl an Realitätsverweigerung, denn ganze elf Prozent der Befragten könnten tatsächlich für sich in Anspruch nehmen, gesund zu leben.

Wenig Bewegung, falsche Ernährung, zu viel Stress
Nur 54 Prozent der Umfrageteilnehmer bewegen sich genug. Darunter wird verstanden, sich mindestens 2,5 Stunden wöchentlich „moderat“ zu bewegen. Eine gesunde, vollwertige Ernährung weisen sogar nur 47 Prozent auf. Ebenso wenige Teilnehmer haben ein gesundes Stressempfinden beziehungsweise wenden wirksame Strategien zur Entspannung an.Relativ am häufigsten werden noch die Gesundheitskriterien Nichtrauchen (78 Prozent) und geringer Alkoholkonsum (84 Prozent) erfüllt. Letzteres wird als nur gelegentlicher Genuss von maximal 0,3 Liter Bier oder 0,2 Liter Wein verstanden.

Frauen achten etwas häufiger auf sich
89 Prozent der Befragten überschreiten mindestens in einem der genannten Kriterien die Grenzen gesunder Lebensweise. Frauen leben etwas gesünder (13 Prozent erfüllen alle Kriterien) als Männer (neun Prozent). Außerdem wird die Lebensweise mit zunehmendem Alter bewusster und gesünder.Dagegen gibt es keinen deutlichen Zusammenhang mit dem Körpergewicht. Nur krankhaft übergewichtige Personen zeigen eine deutlich reduzierte Stressresistenz. Auch mit dem Bildungsgrad gibt nur einen mäßigen Zusammenhang. Danach bewegen sich Studierte weniger und trinken mehr Alkohol.

Mehr Prävention und Information gefordert
„Körperliche Inaktivität, ungesunde Ernährung, Stress und Übergewicht lassen einen weiteren Anstieg von Folgeerkrankungen wie Diabetes, Rückenleiden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erwarten“, schreibt die DKV. „Das entsprechende Problembewusstsein in der Bevölkerung ist vorhanden“, heißt es weiter, doch die Menschen würden „sich schwertun, als gesund bekannte Verhaltensweisen auch umzusetzen“.

Die Forderung: Es müsse noch mehr Prävention geleistet und vor allem informiert werden. Das gelte auch für die Krankenversicherungen. Das setzt allerdings auch verlässliche Rahmenbedingungen voraus, in denen diese Leistungen erbracht und bezahlt werden. Die sind in der privaten Krankenversicherung angesichts ernstzunehmender politischer Forderungen nach einem Radikalumbau und Abbau ihres Haupteinnahmepotenzials Vollversicherung derzeit wohl eher nicht gegeben.

Autor(en): Matthias Beenken

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