Streit um quersubventionierte GKV-Wahltarife

Gesetzliche Krankenkassen sollen Zusatzleistungen, so genannte Wahltarife, stark quersubventionieren. Die gesetzlichen Krankenversicherer (GKV) dürfen ihren Mitgliedern beispielsweise günstigere Tarife mit Eigenbeteiligung oder Beitragsrückgewähr oder besserer Unterbringung im Krankenhaus anbieten. Damit bietet die GKV ihren Mitglieder Mehrleistungen, die gerade freiwillig GKV-Versicherte an die Kassen binden sollen. In der Regel können GKV-Versicherte die Kasse ein oder sogar drei Jahre nicht verlassen, wenn sie einen Wahltarif abgeschlossen haben. Laut einem Bericht der "Berliner Zeitung" sollen sich Wahltarife teilweise nur zu zehn Prozent aus den dafür gezahlten Beiträgen finanzieren. Dabei müssen sie sich laut Gesetz eigentlich aus sich selbst heraus tragen.

Die Kassen rechnen fiktiv die freiwillig versicherten Mitgliedsbeiträge ein, die sie nach ihrer Einschätzung ohne das Angebot der Wahltarife an die privaten Krankenversicherer verlieren würden. Das Bundesversicherungsamt (BVA) hatte Mitte Juli 2011 die unter seiner Aufsicht stehenden überregionalen Kassen davon unterrichtet, dass Halteeffekte bei der Prämienkalkulation von GKV-Wahltarifen nicht berücksichtigt werden dürfen. Anscheinend wird dies in der Praxis aber immer noch gemacht. Besonders betroffen sollen Kassen sein, die nicht der Aufsicht des BVA unterliegen.

Continentale klagt gegen NRW und AOK-Rheinland
Nun will das Gesundheitsministerium, so die Berliner Zeitung, in einem neuen Gesetz das Verbot der Halteeffekt-Finanzierung noch einmal deutlich verankern. Das könnte das Ende vieler GKV-Wahltarife bedeuten. Zudem müssen ab 2014 alle Krankenkassen für alle Wahltarife versicherungsmathematische Gutachten vorlegen. Das könnte zu einer Abwanderung der rund 5,3 Millionen freiwillig GKV-Versicherten führen - falls nach der Bundestagswahl im Herbst 2013 die private Krankenversicherung (PKV) eine neue Regierung überlebt. GKV-Zusatztarife verwischen nach Meinung der PKV die Grenzen der beiden Systeme und seien in der derzeitigen Form rechtlich nicht zulässig. Daher hat der PKV-Verband eine Beschwerde bei der EU-Kommission erhoben. Gleichzeitig hat die Continentale aus Dortmund gegen das Land Nordrhein-Westfalen als Aufsichtsbehörde der AOK und direkt gegen die AOK-Rheinland geklagt. Das Unternehmen ist der Meinung, dass die Wahltarife der AOK rechtlich nicht haltbar sind. Eine erste Verhandlung gegen das Land NRW vor dem Bundessozialgericht findet heute statt.

Besonders verbreitet sind derzeit bei der GKV die Wahltarife mit Selbstbehalt. Sie wurden von rund 516.000 Versicherten abgeschlossen, wie die Statistik des Bundesgesundheitsamts aus dem Monat Februar 2013 zeigt. Über 237.000 Versicherte haben einen Selbstbehaltstarif bei einer der sechs Ersatzkassen abgeschlossen. Knapp 173.000 Versicherte haben zudem noch einen GKV-Zusatztarif zu Beitragsrückgewähr gewählt. Demgegenüber spielen bei der GKV die Wahltarife für Naturheilkunde der Homöopathie und Anthrosophie kaum eine Rolle. Lediglich 392 Versicherte haben bei ihrer Kassen einen solchen Tarif zusätzlich abgeschlossen.

Millionen PKV-Zusatztarife verkauft
Demgegenüber haben gibt es 22,5 Millionen private Krankenzusatzversicherungen, die 2011 rund 6,7 Milliarden Euro in die Kassen der PKV spülten. Das war ein Plus von 4,31 Prozent. Absoluter Renner ist die Zahnversicherung (13,2 Millionen Verträge), gefolgt von ambulantem Zusatzschutz (7,7) und der Absicherung als Privatpatienten im Krankenhaus (5,3). Diese Verteilung überrascht, denn besonders die bessere Unterbringung im Krankenhaus einschließlich Chefarztbehandlung sollte für gesetzliche Versicherte interessant sein. Immerhin geht bei der stationären Aufnahme meist um ersthafte Erkrankungen. Nach Einschätzung von Experten gehen aber viele Kunden davon aus, dass sie gar nicht oder nur selten ins Krankenhaus müssen, aber irgendwann auf jeden Fall eine größere Zahnbehandlung ansteht.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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