Streit um Ratenzuschläge: Siege für Verbraucherschützer, Versicherer wollen in Berufung gehen

Millionenfach kassierte die Branche für unterjährige Prämienzahlungen Zuschläge. Weil der Versicherungsschutz sofort beginnt, ist die Jahresprämie im Voraus fällig. Doch die meisten Kunden zahlen ihre Versicherung lieber in Raten, weil sich die Vorsorge so besser aus dem laufenden Einkommen finanzieren lässt.
Verbraucherschützer beklagen die Transparenz der Zuschläge: Als Darlehen müsse für sie der effektive Jahreszins ausgewiesen werden. Zwei Urteile geben den Verbraucherschützern nun Recht.


So hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass die Neue Leben mit ihrer Zuschlagsregel gegen die Transparenz verstoßen hat (Urteil vom 03. Mai 2011, Az. 312 O 334/10) und auch das Landgericht Stuttgart hat im Sinne der Verbraucherschützer der Stuttgarter Lebensversicherung eine Weiterverwendung der Ratenklausel verboten (Urteil vom 26. April 2011, Az. 20 O 211/10). Das juristische Ringen um die Ratenzuschläge dürfte damit aber noch lange nicht zu Ende sein. Beide betroffenen Versicherer wollen in Berufung gehen.

Branche hat Grundsatzurteil verhindert
Die Verbraucherzentrale Hamburg hat etliche Versicherer, darunter Ergo, Signal, R+V und Zurich abgemahnt. Wahrscheinlich wird es daher in diesem Jahr immer wieder positive Urteile für die Verbraucherschützer geben. Gleichzeitig hat die Branche bisher ein Grundsatzurteil verhindert. Exemplarisch hatte nämlich schon 2004 der Verbraucherzentrale Bundesverband der HUK-Coburg vorgeworfen, intransparent bei Riester-Verträgen einen Zuschlag zu erheben, weil nicht der effektive Jahreszins angegeben wurde. Einem wahrscheinlich allgemein gültigen Unterlassungsanspruch des Bundesgerichtshofs gegen die Branche kam die HUK-Coburg zuvor, indem sie das erstinstanzliche Urteil anerkannt hat (Anerkenntnisurteil des BGH vom 29.07.2009 / Az.: I ZR 22/07).

Prozentangabe zu gering
Angegeben wird der Zuschlag von den Versicherungsunternehmen als Prozentsatz der Prämie. Verbraucherschützer sind hingegen der Meinung dass der Kunde genau wissen müsse, wie teuer die Ratenzahlung tatsächlich ist. Zwar kann jeder errechnen, dass bei einer Jahresprämie von 1000 Euro und einem Zuschlag von fünf Prozent der Mehraufwand absolut bei 50 Euro liegt. Doch umgerechnet auf den effektiven Jahreszins ergibt sich, wenn der Kunde beispielsweise seine Prämie in zwei Raten, also halbjährlich zahlt, ein Wert von 8,33 Prozent.

Folge des Streits umstritten
Umstritten ist die Folge des Streits. Die Hamburger Verbraucherzentrale meint, dass möglicherweise auch Jahre später noch intransparente Verträge gekündigt und rückabgewickelt werden dürfen. Allein Versicherungsverträge mit Ratenzahlung, die unterhalb der Bagatellgrenze von 200 Euro Jahresbeitrag liegen, seien nicht betroffen. „Mindestens könne die Kunden einige hundert oder sogar tausend Euro“ zurückfordern, so die Verbraucherzentrale Hamburg. Auch die Zinsrückforderungen sollen noch Jahre rückwirkend möglich sein. Nach Auffassung von Professor Hans-Peter Schwintowski von der Berliner Humboldt Universität soll eine Verjährungsfrist erst mit der Kenntnis des Kunden von seinem Anspruch eintreten. „Doch zur Frage der Verjährung, gibt es keinerlei Entscheidung. Das ist noch ungeklärt“, so der Jurist. In den Sachsparten gilt nach neuem Recht eine Verjährung von zwei Jahren, in der Lebensversicherung von fünf Jahren.

Vermittler sollten sich informieren
Für die Zukunft hat die Branche also eine Lösung für unterjährige Zahlungen gefunden, die scheinbar nun massiv um sich greift. „In der Autoversicherung entfällt der Ratenzuschlag bei immer mehr Tarifen“, so ein Marktbeobachter. „Er wird nun zusammen mit der Zahlungsart zum so genannten Tarifierungsmerkmal.“ Einer solchen unterjährigen Beitragszahlung bescheinigt die Verbraucherzentrale Hamburg keine Irreführung, weil die Monatsbeiträge von vornherein höher kalkuliert seien.

Kunden auf Ratenzuschläge deutlich hinweisen
Doch bis der gesamte Markt umgestellt ist, sollten zumindest Vermittler auf der Hut sein und sich ihrer Haftung angesichts der heißen Diskussion bewusst sein. „In der der täglichen Praxis sollten sie ihre Privatkunden ganz deutlich auf Ratenzuschläge und auf die Umrechnung in den Effektivzins hinweisen, falls dies der Versicherer noch von sich aus macht“, sagt Carlos Reiss, Geschäftsführer des Frankfurter Versicherungsmakler Hoesch & Partner. Offenheit sei nicht die schlechteste Beratungsmethode. Der Hinweis auf die Umrechnung der Zuschläge sollte daher im privaten Beratungsprotokoll nicht fehlen.

Eine solche Aufklärungspflicht für Vermittler sieht auch Rechtsanwalt Johannes Fiala aus München. „Wer Versicherer vermittelt, die bei Ratenzuschlägen weiterhin nicht den effektiven Jahreszins nennen und nicht über das Widerrufsrecht informieren, sollte seine privaten Kunden unbedingt über das Urteil des BGH aufklären“, fordert der Jurist.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

Alle Branche News